Landschaftsverband Westfalen-Lippe - 11.05.18 - 15:19 Uhr
URL: https://www.lwl.org/LWL/Kultur/fremde-impulse/die_baudenkmale/Impuls-Ehrengrabmaeler
Im 19. Jahrhundert wurde das Ruhrgebiet im Zuge der Industrialisierung zum Einwanderungsland. Die Menschen kamen aus den verschiedenen Regionen Deutschlands, aber auch aus dem heutigen Polen, Tschechien und der Slowakei. In den Zechen und Eisenhütten warb man gezielt Arbeiter an und es wurden Verzeichnisse über die Belegschaft geführt, die neben standesamtlichen Daten der Einwanderer und ihrer Familien erhalten sind. Viele Stra-ßen und Stadtviertel erinnern in den Städten des Ruhrgebiets mit ihren alten Mietshäusern und Siedlungen an die großen Einwanderungswellen.
Von den Einwanderer als Individuen und Privatpersonen sind jedoch nur wenige Spuren er-halten. Eine wesentliche Ursache hierfür ist, dass ein Großteil der Einwanderer ungelernte Arbeiter waren und die Handwerker ohne nennenswerten Besitz kamen, oft sogar völlig mit-tellos. Sie waren im allgemeinen nicht in der Lage, eigene Denkmäler oder auf lange Dauer angelegte Erbbegräbnisse für sich und ihre Familie finanzieren.
Eine weitere Ursache für das Fehlen von persönlichen Hinterlassenschaften ist die politische Praxis im deutschen Reich der wilhelminischen Zeit zwischen 1871 und 1918. Die meisten polnisch sprechenden Menschen stammten aus den Provinzen Posen und Westpreußen, die damals im deutschen Reichsgebiet lagen, sie besaßen daher die deutsche Staatsangehörigkeit. Alle Versuche, wieder einen polnischen Staat zu schaffen, wurden unterdrückt. Deshalb wurde die polnischsprachige Vereinskultur streng geregelt und restriktiv kontrolliert.
Einige Spuren weisen aber dennoch, auch in heutiger Zeit auf die damaligen Einwanderer hin: Ihre Namen. Die aus den slawischen Sprachen stammenden Nachnamen sind bis heute Kennzeichen für das Ruhrgebiet geblieben. Im öffentlichen Raum kann man die Namensvielfalt kennen lernen, wenn man die Gefallenentafeln der Kriegerehrenmäler beider Weltkriege liest. Da die Männer aufgrund der Grenzen vor 1918 als Deutsche ihren Wehrdienst leisten mussten, zeigen nur die Nachnamen der Gefallenen ihre polnische oder masurische Her-kunft an. Dass sie alle deutsche oder eingedeutschte Vornamen tragen, geht auf die standesamtliche Praxis zurück, dass der amtliche Rufname deutsch sein musste.
Ein Beispiel ist das Ehrenmal im Wittringer Stadtwald in Gladbeck, das 1934 eingeweiht wurde. Die meisten Namenstafeln des Wittringer Ehrenmals sind verwittert, die Namen unleserlich. Doch wurden die Namen noch während des Ersten Weltkriegs in den Gladbecker Blättern in vier so genannten „Ehrentafeln der gefallenen Helden“ veröffentlicht. Da-nach starben insgesamt 1.430 Gladbecker als Soldaten an den verschiedenen Fronten des Ersten Weltkriegs, 30 % von ihnen waren polnischer Herkunft.
Von den in den Kirchen bewahrten Kriegerehrenmälern ist das in der evangelischen Christuskirche in Gelsenkirchen-Bismarck auch kunstgeschichtlich herausragend. In vier großen Spitzbogennischen wird den 1914-18 gefallenen Toten gedacht. Mehr als ein Drittel der Namen sind masurischen Ursprungs.
Eine weitere Gruppe von Ehrenmälern wurden für Bergleute errichtet, die bei Grubenunglücken umgekommen sind; beispielsweise in Bockum-Hövel. Auf der Zeche Radbod kam es 1908 zu einem der schwersten Grubenunglücke des deutschen Steinkohlebergbaus, in dessen Verlauf 348 Bergleute ums Leben kamen. Seit 1911 erinnert ein Ehrenmal, gestaltet von Professor Ernst Müller aus Braunschweig, auf dem Ehrenfriedhof in Bockum-Hövel an die Toten. Die Tafeln mit den Namen der Toten zeigt den großen Anteil der Polen an der Belegschaft der Zeche Radbod.