Original-Zitate aus Opfer-Interviews


Insgesamt sechs ehemalige Patientinnen und 13 ehemalige Patienten erklärten sich im Rahmen des LWL-Projekts zu einem Interview bereit. Die Betroffenen sind heute zwischen 48 bis 75 Jahre alt. Hier fünf Schilderungen im Wortlaut:


Wehrlos in der Zwangsjacke
Bernd Hegemann* (Die Namen aller Interviewten, die mit * gekennzeichnet sind, wurden bei der Auswertung durch Pseudonyme erstetzt) war von 1968 bis 1977 im St. Johannes-Stift und beschreibt die Zwangsjacke folgendermaßen:
„Muffjacke. […] Das war eine Jacke, wo du von vorne reingehst. Da waren so lange Bänder dran.
(lacht) Hinten wurdest du wie so ein… haben sie zugeschnürt. Dann kamen die Hände, kam von da nach da und von da nach da. Und dann wurde geschnürt solange, bis dass du bald keine Luft mehr kriegst. Und dann wurdest du vorne auf dem Bauch […] geknotet. […] Mit einem Schloss da vor oder am Bett fixiert links rechts. Ja, Muffjacke war das. So. Und dann hatten sie hin und wieder auch diese Manschetten rechts, links und an den Füßen, dass du dich überhaupt nicht wehren konntest.“


Zur Strafe Schläge und Eisbäder
Kalte Bäder wurden unter anderem als „Schocktherapie“ eingesetzt. So schildert Alexander Peters* (von 1956 bis 1971 im St. Johannes-Stift die Strafe zum Beispiel für Daumenlutschen wie folgt:
„Und dann habe ich natürlich deswegen immer Schläge bekommen. Aber nicht nur einmal. Also fast jede Woche. Jede Woche bekam ich. Und dann ab ins kalte Wasser! […] Und dann eiskaltes Wasser. Und dann kam sie [die Ordensschwester], schmiss dann diese Eisklumpen da rein, ins Wasser. Damit das Wasser nicht durch den Körper wieder warm wurde.“


Angestiftete ‚Hordenkeile‘
Gerhard Overbeck* (von 1969 bis 1975 im St. Johannes-Stift) berichtet über eine Nonne, die durch
die Androhung von Kollektivstrafen die Jungen zu „Hordenkeile“ anstiftete:


„Hordenkeile war, wenn zum Beispiel irgendeiner Mist gebaut hat, sollten alle darunter leiden.
Brauchten aber nicht darunter leiden, wenn sie dich verprügeln. Das heißt alle auf einen. Das nennt sich Hordenkeile. Dann rennt man natürlich die ganze Zeit, irgendwann haben sie dich und prügeln, treten, hauen und machen und tun. Das ist alles unter Aufsicht der Nonne. Die sollten dich verprügeln, sonst hätten alle den Nachteil, also dann müssten alle darunter leiden. Das haben die ausgenutzt. Das haben die gerne gemacht.“

 

Sexuelle Übergriffe
Andreas Gerlach* (von 1968 bis 1983 im St. Johannes-Stift) schildert sexuelle Übergriffe der älteren Kinder:

„Sexuelle Gewalt gab es auch. Und zwar waren da ältere Kinder, (…) die haben dann einen irgendwie (…) zu sich gerufen und Schläge angedroht. Und wenn man nicht kam bei denen ins Bettchen und hat nicht das gemacht, was er wollte, dann wurde uns mit Gewalt angedroht. Und dann haben wir das halt gemacht, was er gerne wollte (…) – auf Deutsch gesagt: einen runterholen. (…) Ja, und dann durften wir wieder gehen“.

 

Medikamentenmissbrauch
Andreas Gerlach* berichtet auch über die Verabreichung von Medikamenten:


„Und zwar von dem sechsten bis zum zwölften Lebensjahr habe ich Medikamente bekommen – das Schlafmittel Truxal. Manchmal habe ich drei Teelöffel morgens bekommen, drei Teelöffel mittags und drei Teelöffel abends. Also meistens war ich zwei, drei Tage im Koma, habe nur geschlafen und nichts mitgekriegt.“