Ausgrabung im Schaufenster

11.05.2022 Michael Baales

Der Blick in das Schaufenster: Archäologie Live! (Foto: LWL-AfW Olpe/Fabian Geldsetzer)

Ausgrabung im Schaufenster

Archäologische Untersuchungen im ehemaligen Cohn-Kaufhaus Attendorn

Schaufensterbummeln mal anders: Wer im Januar 2022 durch die Attendorner Innenstadt schlenderte, staunte beim Blick in die Schaufenster des ehemaligen Cohn-Kaufhauses nicht schlecht. Statt Kleidung, Elektronik oder Dekor gab es hier Archäolog:innen bei der Arbeit zu beobachten. Im Licht von Scheinwerfern legten die Mitarbeitenden der Außenstelle Olpe der LWL-Archäologie für Westfalen verschiedene Mauerzüge, Brunnen und einen sogenannten Fischgrätboden frei.

Dass die Fachleute hier aktiv und auch fündig wurden, kommt nicht von ungefähr. Immerhin war Attendorn frühe Hansestadt, weshalb im Stadtkern bei Bauarbeiten immer wieder Fundstellen der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Bebauung zu Tage treten. Erst im Sommer 2021 wurde in 150 m Entfernung vom Cohn-Gebäude interessante Baurelikte des mittelalterlichen Stadttores „Wassertor“ freigelegt und archäologisch dokumentiert.

Aber auch das Gebäude selbst besitzt eine bewegte Geschichte. Im frühen 20. Jahrhundert betrieb die jüdische Familie Cohn hier ihr "Kaufhaus Edmund Cohn". Während des Novemberpogroms von 1938 wurde dieses massiv zerstört und geplündert. Der letzte jüdische Gebetsraum der Stadt befand sich direkt angrenzend an das Kaufhaus. Heute erinnert eine Gedenktafel, angebracht am Nachbargebäude, an den Schrecken der Reichspogromnacht.

Der Fischgrätboden wird vorsichtig freigelegt (Foto: LWL-AfW Olpe/Thomas Poggel)

Die nun aufgedeckten Fundamente, die anlässlich umfangreicher Umbauarbeiten zu Tage kamen, zeugen von einer älteren Bebauung, möglicherweise aus dem Mittelalter oder der frühen Neuzeit. Da durch mehrere Stadtbrände in Attendorn vieles an Archivmaterial verloren gegangen ist, ermöglichen solche Entdeckungen die „weißen Flecken“ auf der historischen Stadtkarte zu füllen. Einzig ein Brunnenplan von 1881 gibt einen Hinweis auf die alte Bebauung am Standort des Cohn-Gebäudes. Hier wurde ein Brunnen kartographiert. Sehr wahrscheinlich ist damit einer der nun aufgedeckten beiden Brunnen bezeichnet. Auch die Stadtbrände konnten bei den Grabungstätigkeiten nachgewiesen werden, davon zeugten Brandschichten und ein großer verkohlter Holzbalken. 

  • Mauerzüge und verfüllte Brunnen (im Vordergrund rechts) kamen nach dem Entfernen des modernen Bodens zu Vorschein (Foto: LWL-AfW Olpe/Fabian Geldsetzer)

  • Auch die Vermessung erfolgte im Licht der Scheinwerfer (Foto: LWL-AfW Olpe/Thomas Poggel)

  • Eine Auswahl der Grabungsfunde, darunter mehrere, teils verzierte Tonpfeifenfragmente (Foto: LWL-AfW Olpe/Thomas Poggel)

Die Brunnen, Fußböden und Fundamente sind in der Neuzeit planiert bzw. verfüllt worden. Darauf deuten die vielen neuzeitlichen Funde hin, die geborgen werden konnten. Auffällig darunter sind die zahlreichen verzierten, gut datierbaren Tonpfeifenfragmente, welche teilweise sogar mit Initialen versehen sind. Das älteste Stück unter ihnen gehört sogar noch in die Zeit vor 1739, wie Eva Cichy anhand von vergleichbaren Verzierungen andernorts feststellen konnte.

Wieder einmal zeigte sich, dass mit archäologischen Entdeckungen nicht nur in „unberührten“ Böden, sondern auch unterhalb jüngerer Bebauungen zu rechnen ist. Einen Blick durch das archäologische Schaufenster darauf zu erhaschen, ist immer wieder bemerkenswert.

Fabian Geldsetzer B.A.

 

 

Weiterführende Links:

https://www.lwl-archaeologie.de/de/blog/mittelalterliche-baurelikte-des-wassertores-in-attendorn-entdeckt/

https://www.juedisch-in-attendorn.org/julius-ursell-weg/streckenverlauf-highlights-infos/station-12-kaufhaus-cohn/

https://www.juedisch-in-attendorn.org/julius-ursell-weg/streckenverlauf-highlights-infos/station-3-gedenktafel-am-ehemaligen-gebetraum/

Kategorie: Außenstelle Olpe