Luftverschmutzung und Feinstaubbelastung

22.02.2019 Richard Pott

Kategorie: Naturraum

Schlagworte: Vegetation · Boden · Umweltverschmutzung · Feinstaub

Inhalt

Die Luftverschmutzung ist inzwischen das größte Gesundheitsrisiko für koronare und neurodegenerative Erkrankungen weltweit. In China sind verheerende Smogphasen in den Großstädten meist in den Wintermonaten alltagsbeherrschend und auf viele weitere Jahre zu erwarten. China und Indien sind derzeit die größten Kohleproduzenten und Kohleverbraucher der Erde, aber auch in anderen Industrieländern gibt es die Luftverschmutzung mit Feinstäuben. Der Smog in industriell-urbanen Räumen durch Verkehr, Industrie, Energieerzeugung und Abfallverbrennung wird vor allem in den Ländern der Dritten Welt häufig ergänzt durch verschmutzte Luft in den Häusern – durch das Kochen am offenen Feuer auf Kohle- und Holzöfen. Dazu kommen Luftstäube im ländlichen Raum durch Düngemittelausträge und Brandrodungen von Wäldern, vor allem in den Tropen und Subtropen. Die chemische Zusammensetzung der Feinstäube aus Industrieabgasen, den Abgasen und dem Abrieb der Reifen unserer Fahrzeuge sowie aus dem Hausbrand sind noch relativ unbekannt. Ebenso wenig wissen wir über den Mechanismus der Krankheitsentstehungen, der Pathogenese, ein Thema, welches in der Zukunft bestimmend sein wird.

Die heute gebräuchliche Definition des Begriffs "Feinstaub" oder "Feinststaub" geht zurück auf den im Jahr 1987 in den USA eingeführten nationalen Luftqualitätsstandard für Particulate Matter (PM). Damit werden Immissionen erfasst, die von Mensch und Tier inhaliert werden können. Das sind Partikel mit 2,5 Mikrometer (µm) Durchmesser (PM2.5) oder bis zu 10 µm Durchmesser (PM10). Diese feinen Partikel in der Atemluft werden von den Schleimhäuten im Nasen- und Rachenraum sowie in den Atemwegen nur teilweise zurückgehalten, und deshalb spricht man auch von inhalierbarem Feinstaub. Je kleiner ein Partikel ist, desto tiefer kann er in die Lunge eindringen.

Welche Krankheiten werden ausgelöst?

Luftverschmutzungen durch Feinstaub werden durch die weltweit zunehmende Urbanisierung globaler Gesellschaften zu einem wachsenden Problem für unsere Gesundheit. Die Schäden an der Lunge mit dem Auslösen von kindlichem Asthma, der chronischen Lungenerkrankung und dem Lungenkrebs kennen wir seit langem. Verheerende Auswirkungen auf das Herz- und Kreislaufsystem sind darüber hinaus erst seit kurzem in das Blickfeld der Öffentlichkeit gerückt, seit die Weltgesundheitsorganisation (WHO, 2016) über weltweit drei Millionen Todesfälle durch Herzinfarkte und Schlaganfälle berichtete, die auf Mikropartikel zurückzuführen sind. Besonders alarmierend gelten ferner dazu jüngste wissenschaftliche Daten, die auf ein Auslösen neurodegenerativer Erkrankungen durch PM2.5–10 schließen lassen. In Untersuchungen der WHO an Kindern konnten neben kernspintomographischen Veränderungen neuerdings Belege für ein reduziertes kognitives Vermögen und depressive Störungen gewonnen werden.

Abb. 1: Messstation zur dauer- haften Erfassung der Feinstaub-Emissionen (Foto: R. Pott)

Forschungsbedarf ist enorm

Gemessen an diesen überaus bedeutsamen gesundheitlichen Auswirkungen sind unsere Kenntnisse über die Entstehung der PM, ihrer spezifischen örtlichen und chemischen Zusammensetzung, ihres biologischen Kreislaufes und der technischen Möglichkeiten ihrer Reduktion bzw. Beseitigung noch sehr gering. Insbesondere sind die zellulären und molekularen Prozesse, die eine Partikel-Fraktion zum Erreger schwerer Erkrankungen in verschiedenen Organsystemen macht, absolut unzureichend untersucht. Durchdringen solche PM-Partikel die Blut-Hirn-Schranke? Verursachen sie Entzündungen im Koronar-System? Auch sind Größen, Komposition und Oberflächenbeschaffenheit der Partikel in Bezug auf ihre krankheitserregenden Eigenschaften noch nicht umfassend charakterisiert. Der immense Bedarf einer notwendig Disziplinen übergreifenden Forschung ergibt sich aber nicht nur aus dem individuellen Krankheitsbezug der Partikel, sondern auch vor dem Hintergrund der außerordentlichen gesellschaftlichen und gesundheitsökonomischen Konsequenzen einer drastischen Zunahme der beschriebenen Erkrankungen.

Feinstaub in Deutschland

Feinstäube können aus natürlichen Quellen, wie Sahara-Staub, Pollenflug, u.a. stammen oder sind anthropogen. Letztere sind erheblich: Nach behördlichen Angaben in Deutschland waren es in den letzten Jahren etwa 200.000 t pro Jahr. Die Zahlen sind wegen der Luftreinhaltungsmaßnahmen aber rückläufig. Der Anteil des Straßenverkehrs mit dem Abrieb von Reifen, Bremsbelägen und der Emission der Kraftfahrzeuge liegt immer noch bei 60.000 t pro Jahr. Die Immissionsschutzgesetze des Bundes und der Europäischen Union arbeiten vereint an der Reduktion dieser Umweltbelastungen.

Fahrzeuge bremsen – Fußgänger warten

Besonders in urbanen Räumen sind die Menschen im öffentlichen Verkehr unmittelbar den dort emittierten PM ausgesetzt. Dies wird besonders deutlich in sog. Ampelproblem-Situationen: "Fahrzeuge bremsen – Fußgänger warten". Die hier freigesetzten Feinstäube werden beispielsweise seit 2011 in Bochum (in BO-Stahlhausen und BO-Riemke) sowie seit dem Jahr 2016 in Hannover an der Göttinger Straße analysiert, wo das Gewerbeaufsichtsamt Hildesheim eine Messstation zur Feinstauberfassung unterhält. Solche Messstationen (Abb. 1) gibt es auch anderenorts in vielen Städten Europas und in den meisten Industrie­ländern.

Abb. 2: Modellpflanzen für die Deposition von Feinstaub: Immergrüner Kirschlorbeer (1), Immergrünes Efeu (2), Kiefer (3), Schneeball (4) (Foto: R. Pott)

Eliminierung von Feinststäuben

Wechselwirkungen zwischen Pflanzen und Partikelkonzentrationen in der Luft sind heute Gegenstand zahlreicher Forschungsprojekte, vor allem was die Feinstäube in urbanen Räumen betrifft (Abb. 2). Das Wissen um diese Zusammenhänge ist allerdings nur dürftig. Gerade die Fähigkeiten und Mechanismen von Pflanzen beim Auskämmen von Staubkomponenten sind nur unzulänglich erforscht. Man weiß, dass die Filterleistungen spezieller Pflanzen und der von ihnen aufgebauten Vegetation sehr verschieden sein können. Immergrüne Bäume, Sträucher und Lianen (wie z.B. die Kiefer, Pinus sylvestris, der Kirschlorbeer, Prunus laurocerasus, oder das Efeu, Hedera helix) unterscheiden sich sehr von den sommergrünen Pflanzen hinsichtlich ihrer Filter- oder Auskämmkapazität von Feinstäuben der Partikelgröße PM10. Städtische Wälder können je nach Anteil solcher Pflanzen von nur wenigen Prozent bis zu 30% der PM10 filtern. Diese Werte werden allerdings beeinflusst von den aerodynamischen Eigenschaften der Vegetation, der Windgeschwindigkeit, der Dichte der Vegetation und der Witterung.

In neueren Versuchen werden insbesondere Moose getestet, weil erste Hinweise darauf hindeuten, dass gerade diese kleinen Pflänzchen unter idealen Feuchtigkeitsbedingungen eine Feinstaubbelastung durch verschiedene Mechanismen reduzieren können. Die vergleichsweise extrem große Blattoberfläche der Moose im Vergleich zu ihrer Wuchsgröße bewirkt eine quasi elektrostatische Anheftung von Feinstaubpartikeln. Moosblättchen wirken zudem wie Ionenaustauscher und können so die Feinstäube absorbieren. Ammoniumnitrate, die beispielsweise einen relativ hohen Anteil an Feinstäuben haben können, werden sogar von den Moosen als Dünger aufgenommen und in Pflanzenmasse umgewandelt. Aber auch zu diesem Thema gibt es bislang nur unzureichende Daten für reale Umgebungsbedingungen in urbanen und ländlichen Lebensräumen.

Vegetation und Böden

Neben der Vegetation können Böden eine Senke der PM darstellen. Die Senkenfunktion der Pflanzen kann in der Regel (mit Ausnahme der Moose) nur temporär sein, während eine Immobilisierung im Boden wahrscheinlich von Dauer ist. So können aber auch Schadstoffe in Böden gelangen, die ihrerseits zur Belastung urbaner Böden führen können. Erste röntgenspektroskopische Analysen von Feinstäuben im Stadtbereich von Hannover zeigen beispielsweise Ele­mentzusammensetzungen aus schwer abbaubaren Anteilen an Titan, Kupfer, Zink und anderen Stoffen, wohl aus den Bremsabrieben von Kraftfahrzeugen. Alle Feinpartikel werden generell über die sog. Trockene Deposition als Stäube und über die Nasse Deposition mit Regen, Tau oder Schnee in Vegetation und Böden eingetragen, dazu kommen noch der Streufall in Herbst und Winter.

Gestalten urbaner Landschaften

Mit dem Wissen über die aktive Filterwirksamkeit der Pflanzen und ihrer Vegetationsbestände (Wälder, Gebüsche, Grünland, Moosdecken) und die sedimentierten Staubpartikel in die Böden, lassen sich Daten über die passive Filterwirkung von Pflanzenbeständen ableiten. Das betrifft die Ablenkung des Luftstroms bodennaher Luftschichten, die Geschwindigkeits- und Richtungsänderungen von Luftbewegungen und Verwirbelungen sowie die Abhängigkeit der Sedimentation der im Luftstrom enthaltenen Staub­partikel. Man weiß inzwischen, dass die Windstärke an gehölzbestandenen Straßen um mehr als die Hälfte reduziert werden kann. Entsprechend kann man mit einer landschaftsarchitektonischen Gestaltung urbaner Räume die notwendigen Beiträge zur Steigerung und Sicherung der Luftqualität in den Städten und auch im ländlichen Raum erreichen.

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Weiterführende Literatur/Quellen

Erstveröffentlichung 2019