Aquakultur in Westfalen

23.02.2015 Meinolf Rohleder

Kategorie: Wirtschaft

Schlagworte: Westfalen · Kreis Olpe · Aquakultur

Die Fischzucht hat in Westfalen eine lange Tradition. War es doch Stephan Ludwig Jacobi (1711–1784; Abb.1) aus Hohenhausen, heute Ortsteil von Kalletal, der im Jahre 1768 in den "Lippischen Intelligenzblättern" "Von der künstlichen Erzeugung der Forellen und Lachse" berichtete. Er fasste damit seine Erkenntnisse über die künstliche Besamung von Forellen und Lachseiern zusammen. Damit war er vor fast 250 Jahren der Begründer der modernen Fischzucht.

Abb. 1: Jacobi-Denkmal in Kalletal (Quelle: Gemeinde Kalletal)

Hintergrund war die schon vor Jacobis Zeiten bei den lippischen Bauern bedeutsame Karpfenteichwirtschaft. Seine eigenen Fischteiche nutzte Jacobi abwechselnd als Teiche und Kohlgärten. Heute findet sich im Wappen von Kalletal im unteren Teil eine Forelle, die auf Jacobis Erbe verweist.

Vor 80 Jahren wurde in Albaum, einem sauerländischen Dorf, heute Ortsteil von Kirchhundem, die "Preußische Lehr- und Versuchsanstalt für Forellenzucht" gegründet. Heute ist aus der reinen Zuchtanstalt für Forellen als Fachbereich 26 des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) eine Einrichtung der Fischerei- und Gewässerökologie des Landes NRW geworden.

Ein heute noch führender Fischzuchtbetrieb wurde von Emil Rameil bereits 1901 im heutigen Lennestadt gegründet, sein Sohn Hugo erwarb 1938 die Forellenzucht Frettertal mit 30 Teichen in Finnentrop. Es ist daher verständlich, dass neben Lennestadt die Gemeinden Finnentrop und Kirchhundem bzw. der gesamte Kreis Olpe zur herausragenden Region der Forellenzucht und damit der Aquakultur in Westfalen bzw. in NRW wurde (Abbn. 2 u. 3).

Seit 2011 wird jährlich eine bundesweite statistische Erhebung über die Aquakulturerzeugung durchgeführt. "Ziel der Erhebung" ist, nach IT NRW, "die Gewinnung aktueller, wirklichkeitsgetreuer und zuverlässiger statistischer Informationen über die Erzeugung in Aquakulturbetrieben [im Binnenland, d. Verf.] sowie über deren Struktur." Dies scheint angesichts der Erzeugung von Speisefisch auf dem Hintergrund der globalen Probleme der Meeresfischerei (Überfischung, Verschmutzung, Zerstörung sensibler ökologischer Meeresgebiete wie den Mangrovenküsten etc.) von zukunftsweisender Bedeutung. Zugleich werden mit den statistischen Erhebungen  Anforderungen der Europäischen Union abgedeckt.

Traditionell ist in Deutschland die Aquakultur durch die traditionelle Karpfenteichwirtschaft und die Forellenzucht geprägt. Von der Gesamtproduktion an Speisefischen von etwa 20.400 t (plus 4,2% gegenüber 2012) entfielen im Jahr 2013 in Deutschland insgesamt 8.334 t auf die Erzeugung von Regenbogenforellen, 5.700 t auf den Gemeinen Karpfen und 1.267 t auf Lachsforellen. Das waren rund drei Viertel der Fischproduktion.

Rund 70% der in Deutschland erzeugten Regenbogenforellen wurden 2013 in Baden-Württemberg (32,0%) Bayern (23,5%) und Nordrhein-Westfalen (16,4%) erzeugt.

Von den 2014 in NRW erzeugten 1.520 t an Speisefischen stammten 983 t (64,7%) aus westfälischen Betrieben. 44,5% der NRW-Produktion kamen aus dem Regierungsbezirk Arnsberg. Der Kreis Olpe blieb – wie bereits in den Jahren zuvor – 2014 die führende Region der Speisefischzucht. An zweiter Stelle folgte der Kreis Soest. Bedeutende Standorte finden sich auch im ostwestfälischen Bereich in den Kreisen Paderborn und Gütersloh (Abb. 2).

Die Mehrheit der vorhandenen Fischteiche ist sicherlich, wie schon Jahrzehnte zuvor, den Freizeitteichanlagen zuzuordnen oder gehören als Grundlage zur Ausstattung speziell ausgerichteter Restaurants ("Forellenhof").

Dazu kommen eine Anzahl von Teichen für Angler, so z. B. in Kirchhundem, Lennestadt und Schmallenberg im Sauerland sowie in den Kreisen Gütersloh, Lippe und Paderborn. Die Freizeitaktivität Angeln hat seit Jahrzehnten in diesen Teilregionen Westfalens Bestand. So entstand in Anlehnung an einen Fischzuchtbetrieb in Lennestadt-Gleierbrück auf mehr als 2 ha Fläche mit sieben Teichen mit unterschiedlichem Besatz der Anglerpark "Sauerländer Anglerglück". Dieser Anglerpark, in dem umweltfreundlich und waidgerecht geangelt werden kann, bietet über das ganze Jahre hinweg regelmäßig außerhalb der normalen Angelzeiten noch Sonderveranstaltungen wie Großforellenangeln, Nachtangeln und sogar "Weihnachtsangeln" an.

Abb. 2: Menge der erzeugten Speisefische in Westfalen 2014 (Quelle: IT NRW 2015)

Es sind nur wenige (Familien-)Betriebe, die vollständig von der Aquakultur, insbesondere der Zucht der Regenbogenforelle, leben können und deren Produktionszahlen über 75 t liegen. Ihnen ist meist eine eigene Räucherei und die Vermarktung im regionalen Rahmen in einem eigenen "Forellen"-Laden angeschlossen, so alleine bei drei Betrieben in Lennestadt.

Manche Betriebe erzielen zusätzliche Einnahmen aus dem Verkauf von "Setzfischen" für Angelsportvereine.

Es gibt daneben einige Betriebe, die sich darüber hinaus durch die Jahrzehnte währende Fischzucht in technischer Hinsicht soviel Fachwissen angeeignet haben, dass der Zuchtbetrieb durch einen auf die Aquakultur spezialisierten Gerätebau ergänzt und abgestützt wird. Solch ein Betrieb ist Linn-Gerätebau in Lennestadt-Oberelspe (Abb. 4). Linn entwickelt Geräte zur Wasser- und Abwasserbelüftung sowie entsprechende Pumpen zur Sauerstoffeinleitung in die Fischbecken. Zum Sortiment zählen ferner Fischtransportbehälter sowie komplexe Steuer- und Überwachungsgeräte zur Einhaltung der entsprechenden Parameter der Wasserqualität sowie für die Fütterung. Linn wuchs zu einem der führenden Hersteller für Fischzuchttechnik in Europa. Die Produkte des Unternehmens werden weltweit in über 50 Staaten exportiert – mit Schwerpunkt Europäische Union, aber auch in die Schweiz, nach Norwegen und in die Türkei. Die Exportquote liegt bei über 50%. Einer der größten Aufträge steht aktuell im Zusammenhang mit den Olympischen Winterspielen 2014 in Sotschi, wo für die größte Forellenzuchtanlage in Russland (über 1.000 t Jahresproduktion) die Technik des kleinen sauerländischen Unternehmens genutzt wird. Dieses Beispiel zeigt, wie sich innerhalb von drei Jahrzehnten aus einem kleinen fischwirtschaftlichen Familienbetrieb ein hoch spezialisiertes mittelständisches Unternehmen entwickelte.

Abbn. 3 und 4: (li.) Verladestation der Forellenzucht Rameil (Lennestadt/Finnentrop) (Foto: Gebrüder Rameil GbR); (re.) Aquakulturbetrieb Linn (Lennestadt) (Foto: Linn GmbH)
Abb. 5: Angeln im Sauerland – Angelpark Lenhausen (Foto: Gebrüder Rameil GbR)

Die eingesetzte Technik verweist zugleich auf bestimmte Probleme der Wasserökologie in der modernen Aquakultur:

  • Wie ist langfristig die für die Forellenzucht zwingend vorauszusetzende Wasserqualität nachhaltig zu sichern?
  • Wie kann einerseits die Einhaltung wasserökologischer Parameter permanent kontrolliert werden und andererseits die Qualität des Speisefisches Forelle im Sinne eines frischen und gesunden Nahrungsmittels gesichert werden?

Die Fischzüchter bemühen sich, mit Qualitätssiegeln diesem Anspruch gerecht zu werden, insbesondere dann, wenn der Verzehr (heute 0,8 kg pro Kopf pro Jahr in Deutschland) an frischen Forellen aus den Regionen ansteigen soll. Im Hinblick auf eine "Nachhaltige Fischerei" in der Forellenzucht ("Bio-Forelle") geht es dabei, so das Label "Naturland WILDFISCH", zugleich um die ökologische, soziale und ökonomische Dimension. Bei Beachtung dieses ganzheitlichen, naturnahen Ansatzes könnte sich die Tradition der in Westfalen beheimateten Aquakultur zukunftsorientiert erfolgreich weiterentwickeln.

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Weiterführende Literatur/Quellen

Erstveröffentlichung 2013, Aktualisierung 2015