2007 und 2008 – zwei durchschnittliche Windjahre in Westfalen

01.01.2009 Julius Werner

Dieser Beitrag setzt thematisch und methodisch die regionale Bewertung der jährlichen Windstromerzeugung fort, wie sie für 2003 sowie 2005 bereits in der Buchveröffentlichung von WESTFALEN REGIONAL vorgestellt wurde (s. Beitrag Werner). Ob ein Windjahr als "ma­ger", "fett" oder "durchschnittlich" einzuschätzen ist, wird auch hier wiederum durch Rückgriff auf zwei bewährte "Normaljahres"-Index-Be­wer­tungs­ver­fahren entschieden. So stuft der "IWR-Windertragsindex" das nordwestdeutsche Binnenland 2007 – bezogen auf den 10-Jahres-Ertragsmittelwert 1997 bis 2006 – mit 102,7% als "gut durch­schnitt­lich" ein; für 2008 werden – verglichen mit dem Jahrzehnt 1998 bis 2007 – 101,7% ausgewiesen (www.iwr.de/windindex). Einen anderen An­satz zur Bewertung der Stromerzeugung eines Windjahres be­nutzt die "Betreiber-Datenbasis" (www.BtrDB.de): Aus langjährigen Windgeschwindigkeits-Messreihen werden Stromertragswerte berechnet; der daraus resultierende Mittelwert der Jahre 1975 bis 2004 bildet als "100%-Zeitraum" die Bezugsbasis des "BDB-Index Version 2006". Letzterer – innerhalb Deutschlands nach 25 "Windindex-Regionen" getrennt ausgewiesen – er­gibt für Westfalen 2007 rd. 102% und für 2008 knapp 99%. Beide Bewertungsverfahren scheinen also trotz ihrer methodischen Unterschiedlichkeit die Annahme zu rechtfertigen, dass hier diese beiden Windjahre als "durchschnittlich" gelten dürfen.

Abb. 1: Windstromerträge ausgewählter MW-WEA im Jahr 2007. Bezugs-Nabenhöhe 80 m ü. Gr., Isolinien in kWh pro m² Rotorfläche pro Jahr (Entwurf: J. Werner, Quelle: Monatsinfo Dez. 2007)

Insbesondere um eine Vergleichbarkeit mit den Befunden aus den beiden "mageren" Windjahren 2003 und 2005 herzustellen, wurden auch für diese mesoklimatisch generalisierten Kartendarstellungen "normaler" Windstrom-Jahreserträge nur solche Windenergieanlagen (WEA) berücksichtigt, deren Nennleistung mindestens ein Megawatt (MW) beträgt und deren Merkmale sowie Stromproduktion bei störungsfreiem Betrieb in dem seit 1987 von der "Betreiber-Datenbasis" herausgegebenen "Monatsinfo" lückenlos dokumentiert sind. In den Dezember-Ausgaben 2007 und 2008 erfüllen innerhalb des hier gewählten Kartenausschnitts nur 206 bzw. 202 MW-WEA oder Windparks diese Anforderungen; die angegebenen Nennleistungen liegen zwischen 1,0 und 2,3 MW.

Um alle in Westfalen dokumentierten MW-WEA in Bezug auf ihre verschiedenen Abmessungen und technischen Merkmale untereinander vergleichen zu können, sind insbesondere zwei Schritte erforderlich:
1. Umrechnung der Jahres-Stromerträge auf die Rotorkreis-Einheitsfläche. Wird z. B. für eine Anlage mit 1,8 MW Nennleistung für 2008 eine Gesamt-Stromerzeugung von 3.430 MWh angegeben, dann ist dieser Wert auf je einen m² der von ihren Rotorblättern überstrichenen Kreisfläche zu beziehen. Beim angegebenen Durchmesser von 70 m ergibt sich für die (Brutto-)Rotorkreisfläche dieser Beispiel-WEA also 3.848 m² und damit, bezogen auf die Einheitsfläche, 891 kWh pro m² pro Jahr.
2. Umrechnung der jährlichen Stromerträge auf eine einheitliche Rotor-Na­benhöhe. Wie bereits bei der Analyse der Schwachwindjahre 2003 und 2005, so wird auch hier 80 m über Grund als Bezugsniveau gewählt; immerhin variieren bei den rd. 200 zum Entwurf der beiden Isolinienkarten benutzten MW-WEA deren Nabenhöhen zwischen 62 und 113 m über Grund. Ein Näherungsverfahren zur Umrechnung von WEA-Stromerträgen auf andere Rotor-Nabenhöhen wurde ab 1991 entwickelt, erprobt und beschrieben (Werner 1996). Damit lässt sich die jährliche Stromausbeute aller berücksichtigten MW-Anlagen rechnerisch auf 80 m Nabenhöhe vereinheitlichen.

Abb. 2: Windstromerträge ausgewählter MW-WEA im Jahr 2008. Bezugs-Nabenhöhe 80 m ü. Gr., Isolinien in kWh pro m² Rotorfläche pro Jahr (Entwurf: J. Werner, Quelle: Monatsinfo Dez. 2008)

Die Windstromerzeugungs-Isolinienkarten für 2007 und 2008 (Abbn. 1 u. 2) zeigen durchaus Ähnlichkeiten mit den räumlichen Unterschieden, wie sie schon in den Schwachwindjahren 2003 und 2005 erkennbar waren. Konnte bereits hier die Nordwestflanke als noch vergleichsweise ertragsstark gelten, so bilden die 800 kWh/m²-Isolinien 2007 und 2008 im Norden einige "windhöffige" Kuppen wie Wilsumer Berg, Fürstenauer Höhen, Dammer Berge und Stemweder Berg noch deutlicher ab. Im Münsterland werden nunmehr auch die Baumberge mit dem Schöppinger Berg von dieser Isolinie umschlossen; östlich davon ergibt sich leeseitig ein (durch 13 Anlagen vergleichsweise gut dokumentiertes) inselhaftes Areal mit Jahreserträgen bis weit unterhalb 600 kWh/m². Derartig windschwache Teilräume findet man (außer im Lee des Osning 2007) sonst nur im Windschatten der Eifel (SW-Ecke der Karten) sowie im Nordhessischen Bergland (SE-Flanke der Abbn. 1 und 2). Als Kleinareale mit den höchsten Windstromerträgen innerhalb des Kartenausschnitts treten 2007 Teile der Hochflächen bei Brilon und Paderborn sowie einige exponierte Lagen im Kreis Lippe bei Extertal und Dörentrup hervor. Letztere Berglandregion weist auch 2008 an mehreren Standorten spezifische Erträge über 900 kWh pro m² Rotorfläche auf; ferner stellen das Ardeygebirge, der Arnsberger Wald sowie der Stemweder Berg 2008 Areale dar, die auch bei der mesoklimatisch generalisierten Kartendarstellung eine Hervorhebung als ertragsstarke 900 kWh/m²-Inseln rechtfertigen. Selbst in den hier betrachteten nur durchschnittlichen Windjahren gibt es innerhalb dieser Inseln einzelne MW-WEA, die – wohl aufgrund besonderer mikroklimatischer Standortgunst – jene "magische Schallmauer" von 1.000 kWh/m² pro Jahr überschreiten; derartig hohe spezifische Windstromerträge galten noch vor etwa einem Jahrzehnt als im Binnenland unerreichbar.

Abb. 3: Prozentuale Flächenanteile der Windstrom-Ertragsklassen innerhalb des Kartenausschnitts (Entwurf: J. Werner, Quellen: Monatsinfo Dez. 2003, Dez. 2005, Dez. 2007, Dez. 2008)

Für einen Vergleich schwacher mit normalen Windjahren in Westfalen ist auch die Abb. 3 aufschlussreich. Hier wurden innerhalb des Kartenausschnitts – gemittelt über 2003 und 2005 sowie 2007 und 2008 – prozentuale Flächenanteile der Windstrom-Ertragsklassen einander gegenübergestellt. Man erkennt sogleich, dass die größten Differenzen im "Mittelfeld" liegen: 2007/08 entfallen nur 12,7% der Kartenfläche auf die niedrigere Ertragsklasse 600–700 kWh/m², dagegen 62,7% auf die um 100 kWh/m² höhere und damit "bessere" Klasse. 2003/05 ist es umgekehrt: Hier beträgt der Flächenanteil in der ertragsschwachen Klasse 42,8%, jedoch in dem Intervall mit "guter" jährlicher Windstrom-Ausbeute (700–800 kWh/m²) nur 35,1%.

2007/08 lag bei den 125 innerhalb von Westfalen berücksichtigten MW-Einzelanlagen bzw. Windparks der gewichtete Durchschnittsertrag bei 2.600 MWh pro Jahr. Hochgerechnet auf 600 vermutete MW-WEA ergibt sich in Westfalen 2007/08 eine Jahres-Windstromerzeugung von rd. 1,6 Mrd. kWh. Bei Addition der Erträge aller hier ebenfalls produzierenden Anlagen unterhalb der MW-Klasse (geschätzt: 1,1 Mrd. kWh pro Jahr) erhält man 2,7 Mrd. kWh als Gesamtertrag. Alle "Landschafts-Spargel" Westfalens verringerten damit 2007/08 die Emission des Klima-Schadgases Kohlendioxid um etwa 1,9 Mio. t.

Diese durchaus erfreulichen Zahlen spiegeln nicht zuletzt die führende Rolle wider, welche die Windenergietechnik innerhalb der florierenden (überwiegend exportorientierten) regenerativen Energiewirtschaft Nordrhein-Westfalens inzwischen spielt.

Beitrag als PDF-Datei ansehen/speichern (Größe: < 1 MB)

↑ Zum Seitenanfang


Weiterführende Literatur/Quellen

Erstveröffentlichung 2009