Schauhöhlen in Westfalen – Highlights im Untergrund

05.06.2019 Markus Wieneke

Inhalt

Schon vor Jahrtausenden waren Höhlen für den Menschen (überlebens-)wichtige Orte. Sie dienten als Schutzraum und Versteck, waren Siedlungs- und Kultstätten. In Westfalen hat schon der Neandertaler vor rd. 100.000 Jahren Höhlen besiedelt – dies belegen entsprechende Funde beispielsweise für die Balver Höhle im Märkischen Kreis (Hochkeppel o. J.).

Höhle ist nicht gleich Höhle

In der Speläologie, also der wissenschaftlichen Höhlenforschung, gilt zunächst einmal nur der unterirdische Hohlraum als Höhle, der natürlich entstanden und "mehr als menschengroß" ist (Plan 2007). Je nach angelegtem Kriterium lassen sich außerdem Höhlen in verschiedene Typen unterteilen, beispielsweise hinsichtlich

  • ihrer Ganglänge in Klein-, Mittel-, Groß- oder Riesenhöhle,
  • ihres Inhalts, z.B. in Eis-, Wasser- oder Tropfsteinhöhle,
  • des umgebenen Gesteins, z.B. in Lava-, Gips- oder Karsthöhle sowie auch
  • der zeitlichen Abfolge ihrer Entstehung in Primärhöhle (gleichzeitige Entstehung mit dem Umgebungsgestein) oder Sekundärhöhle (spätere Entstehung, z.B. durch Lösungsvorgänge) (ebd.).

Für diesen Beitrag relevant ist allerdings das Merkmal der Nutzung für den Fremdenverkehr. Insofern liegt der Fokus im Folgenden auf den sog. Schau- oder Besucherhöhlen, die für die Öffentlichkeit eine touristische Attraktion darstellen.

Schauhöhlen in Deutschland

Laut dem Verband der deutschen Höhlen- und Karstforscher (VdHK) gibt es bundesweit 53 Schauhöhlen. Bei nahezu allen handelt es sich um Sekundärhöhlen. Die räumliche Verteilung zeigt deutliche Schwerpunkte in Süddeutschland (Baden-Württemberg, Bayern), Mitteldeutschland (Thüringen, südl. Niedersachsen, westl. Sachsen-Anhalt) sowie im südlichen Teil von Nordrhein-Westfalen (VdHK o.J.). All diese Regionen sind durch Karstlandschaften geprägt, wo die Auflösung des Kalkgesteins durch Wasser im Laufe von Millionen Jahren Hohlräume entstehen ließ, die sich zu Höhlen oder sogar weitverzweigten Höhlensystemen vergrößerten. Entsprechend sind namentlich "Karsthöhlen" in Deutschland mit Abstand am häufigsten anzutreffen.

Tab. 1: Steckbrief – Schauhöhlen in Westfalen (Quellen: u.a. https://de.wikipedia.org)

Schauhöhlen in Westfalen – jede eine besondere Attraktion

Von den vom VdHK NRW-weit insgesamt neun ausgewiesenen Schauhöhlen befinden sich allein sieben im Landesteil Westfalen, genauer im Sauerland (vgl. Abb. 1 in Feige 2007), das damit bundesweit als eine der bedeutendsten Destinationen für den Höhlentourismus gelten dürfte.

Atta-Höhle – der Besuchermagnet
Die Atta-Höhle in der Stadt Attendorn (Kr. Olpe) zählt zu den bundesweit größten und beeindruckendsten Schauhöhlen. Auf einem begehbaren Führungsweg mit einer Länge von rd. 560 m können in dieser – insgesamt über 6,5 km messenden – Tropfsteinhöhle verschiedens­te Formen von Sinterablagerungen und gewachsenen Kalksäulen, sog. Stalaktiten (hängende Säulen) bzw. Stalagmiten (stehende), bestaunt werden. Die Höhle zieht jährlich zwischen 150.000 und 200.000 Touristen an (Tourismus NRW 2019a) und ist damit die wohl meistbesuchte Schauhöhle Deutschlands (https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Schauhöhlen_in_Deutschland).

Abb. 1: Vorbereitungen für ein Konzert in der Balver Höhle (Foto: Schützenbruderschaft St. Sebastian Balve)

Balver Höhle – die Eventlocation
Die Höhle auf dem Gebiet der gleichnamigen Stadt Balve (Märkischer Kr.) ist in mehrfacher Hinsicht außergewöhnlich. Da sind zum einen ihre Ausmaße: Nach dem Betreten der Höhle durch das 11 m hohe und 18 m breite Eingangsportal gelangen die Besucher in ein hallenartiges Gewölbe mit einer Tiefe von annähernd 90 m. Aufgrund der vielen hier gefundenen prähistorischen Artefakte gilt die Balver Höhle als "größte offene Kulturhöhle in Europa" (www.balver-hoehle.de). Kulturell hat die Höhle auch heute vieles zu bieten. Bei den verschiedensten Veranstaltungen – vom Schützenfest über das klassische Konzert bis zur Technoparty – finden hier bis zu 2.000 Menschen Platz (ebd.; Abb. 1). Dadurch ist die Balver Höhle eher Veranstaltungssaal als Schauhöhle; Führungen gibt es nur nach Absprache.

Bilsteinhöhle – Labyrinth mit Bachlauf
Die Bilsteinhöhle bei Warstein im Süden des Kreises Soest ist Teil eines Höhlensystems, das insgesamt rd. 1,8 km umfasst. Der ca. 400 m lange Besucherweg führt dabei durch ein unterirdisches Labyrinth von engen Spalten und großen Hallen. In den tiefer liegenden Bereichen durchfließt der Bilsteinbach die Höhle – mal mehr, mal weniger intensiv. Er ist somit noch heute die treibende Erosionskraft, welche die Höhle einst entstehen ließ (www.bilsteintal.de/Bilsteinhoehle).

Abb. 2: Dechenhöhle mit den Tropfsteinkaskaden der "Orgel" (Foto: Dechenhöhle / Deutsches Höhlenmuseum Iserlohn)

Dechenhöhle – die Abwechslungsreiche
In der Dechenhöhle bei Iserlohn können auf dem ca. 400 m langen Besucherweg besonders vielfältige Tropfsteinformationen besichtigt werden, darunter die Tropfsteinkaskaden der "Orgel" (Abb. 2) sowie ein "Palme" genannter, knapp 3 m hoher Stalagmit (www.dechenhoehle.de). Sie ist nicht nur die älteste Schauhöhle in NRW, das ihr angeschlossene "Deutsche Höhlenmuseum" ist außerdem NRW-weit das einzige seiner Art und das größte in Deutschland (Tourismus NRW 2019b). Neben einer Vielzahl an Exponaten (u.a. Knochenfunde) beinhaltet es ein umfassendes Informationsangebot rund um das Thema "Höhlen".

Heinrichshöhle – "Fundgrube" der Eiszeit
Die Heinrichshöhle auf dem Gebiet der Stadt Hemer (Märkischer Kr.) ist berühmt wegen der enormen Zahl der hier gefundenen eiszeitlichen Tierknochen. Eine besondere Attraktion ist ein in der Höhle ausgestelltes vollständig erhaltenes Skelett eines 2,35 m langen Höhlenbären. Tausende hier ausgegrabener Überreste zeugen von weiteren Tierarten, darunter Riesenhirsch, Wildpferd, Mammut und Höhlenlöwe. Die Heinrichshöhle gehört damit zu den "knochenreichsten Fundorten in Deutschland" (Sauerland-Tourismus 2019).

Abb. 3: Illuminierter Gang in der Kluterthöhle (Foto: © RITTAL GmbH & Co. KG)

Kluterthöhle – Abenteuer und Erholung
Die Kluterthöhle in der Stadt Ennepetal am westlichen Rand des Sauerlandes ist die Schauhöhle mit dem längsten Besucherweg in Deutschland (https://de.wikipedia.org/..._Deutschland). Auf insgesamt über einem Kilometer lässt sich hier ein wahres Labyrinth aus Gängen und Hallen erkunden (Abb. 3). Zudem wird für besonders Abenteuerlustige abseits der befestigten Pfade eine Reihe von Sonderführungen angeboten. Dabei geht es – z.T. auf allen Vieren und in völliger Dunkelheit – durch enge Spalten und Löcher (Kluterthöhle und Freizeit GmbH 2019). Aufgrund des hier vorherrschenden Mikroklimas (die Luft ist besonders allergen- und staubarm) ist die Kluterthöhle darüber hinaus heilklimatischer Kurort – mit entsprechenden Therapie-Angeboten bei Atemwegserkrankungen und Al­lergien (www.kluterthoehle.de). Seit dem 02.04.2019 ist sie nach den Bruchhauser Steinen (Olsberg) das zweite "Nationale Naturmonument" in NRW (Die Glocke, 03.04.2019; s. Beitrag Wieneke/Wittkampf).

Reckenhöhle – barrierefreier Heilstollen
Die Reckenhöhle ist die zweite Schauhöhle auf dem Gebiet der Stadt Balve. Auch hier können die Besucher aufgrund des gesundheitsfördernden bzw. lindernden Klimas in der Höhle unterschiedliche therapeutische Angebote wahrnehmen (www.reckenhoehle.de). Eine weitere Besonderheit: Die abwechslungsreiche Kalksteinunterwelt ist auf dem insgesamt ca. 500 m langen Führungsweg komplett barrierefrei zugänglich.

Touristische Bedeutung

Obwohl derzeit eine aktuelle bzw. einheitliche Datenbasis fehlt, lässt sich Westfalen mit dem Sauerland in Bezug auf die Besucherzahlen im bundesweiten Vergleich durchaus als ein "Hotspot" des Höhlentourismus bezeichnen (https://de.wikipedia.org/..._Deutschland).

Aufgrund eines immer diversifizierteren Angebotes an Freizeitmöglichkeiten stehen die Schauhöhlen jedoch in einem zunehmenden Wettbewerb um Besucherzahlen – und das nicht nur im Sauerland, das zudem deutschlandweit als Destination wiederum mit anderen Tourismusregionen konkurriert. Um stagnierenden oder gar rückläufigen Besucherzahlen entgegenzuwirken, haben sich die Betreiber der Schauhöhlen einiges einfallen lassen – darunter u.a. ein wesentlich breiter gefächertes Programm, die Verknüpfung mit weiteren Attraktionen in der unmittelbaren Umgebung, die Verbesserung der Infrastruktur (auch Gastronomie) oder die Herausarbeitung von Alleinstellungsmerkmalen (z.B. Veranstaltungen, Gesundheit).

Eines bieten die Höhlen darüber hinaus seit jeher: konstante klimatische Bedingungen bei 9 bis 12 C° – und damit gerade an heißen Tagen ideale Bedingungen, um sich abzukühlen.

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Weiterführende Literatur/Quellen

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Erstveröffentlichung 2019