Veränderung der landwirtschaftlichen Flächen in Westfalen 2001 bis 2015

16.05.2016 Meinolf Rohleder

Inhalt

Tab. 1: Flächen der kreisfreien Städte/größten kreisangehörigen Städte Westfalens (Quelle: IT.NRW 2015)

Im Zeitraum von 2001 bis 2015 sank die Landwirtschaftsfläche in Westfalen um insgesamt 4%. Das entspricht einem absoluten Wert von 450 km2 – oder ca. der Katasterfläche der beiden Großstädte Münster und Bochum zusammen (Tab. 1). Anders ausgedrückt: In weniger als zwölf Tagen wurde Westfalen in diesem Zeitraum 1 km2 der landwirtschaftlichen Nutzfläche entzogen. Vornehmlich wurden die Flächen für neue Siedlungsbereiche, Gewerbegebiete, Verkehrswege und Erholungsflächen (s. u.a. Beitrag Rohleder) umgenutzt.

Wenngleich der Verbrauch an Landwirtschaftsfläche in Westfalen – bezogen auf den Dekadenrhythmus – von 633 km2 im Jahrzehnt 2001 bis 2011 auf 551 km2 im Jahrzehnt 2005 bis 2015 zurückging, bleibt der Verbrauch weiterhin auf hohem Niveau. Daher ist es verständlich, wenn seit Jahren Landwirtschaftsverbände und Umweltorganisationen wegen des "Flächenfraßes" Alarm schlagen.

"Unbebaute, unzerschnittene und unzersiedelte Fläche ist eine begrenzte Ressource", so der Fortschrittsbericht 2012 der Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie (S. 194). Inzwischen befassten sich der Deutsche Bundestag und der Landtag in NRW im Rahmen zahlreicher Anfragen mit der Problematik (z.B. Deutscher Bundestag: Drucksache 18/4172 und Landtag NRW: Drucksache 16/3509). Das bedeutet: Der Flächenverbrauch ist in Bund und Land zu einem bedeutenden Politikum geworden, dem mit langfristig angelegten Strategien begegnet werden muss.

Tab. 2: Verlust der Landwirtschaftsfläche 2001–2015 in den Regierungsbezirken/Kreisen des Regierungsbezirks Münster (Quellen: IT.NRW 2012 und 2015, eigene Berechnungen)

Aktuelle Entwicklung

Der Verlust an Landwirtschaftsfläche verläuft in den Regionen Westfalens sehr unterschiedlich. Bis auf neun Kommunen, davon fünf im Regierungsbezirk Detmold, war in allen anderen Städten und Gemeinden ein z.T. dramatischer Verlust im Zeitraum von 2001 bis 2015 zu verzeichnen (Abb. 1). Die beiden Kreise Borken und Coesfeld verloren zusammen fast genau soviel an Landwirtschaftsfläche wie der gesamte Regierungsbezirk Detmold (Tab. 2). Dabei ist allerdings zu beachten, dass diesem Regierungsbezirk durch die Aufgabe militärischer Übungsgelände – besonders in Augustdorf, Schlangen und Bad Lippspringe – die land- und forstwirtschaftlichen Flächen erheblich anwuchsen.

Keine andere westfälische Kommune weist mit absolut 16,1 km2 einen so hohen Verlust auf wie die Stadt Vreden (Kr. Borken) – noch vor den beiden Großstädten Bielefeld (15,7 km2) und Münster (13,5 km2). Es folgen Rietberg (11 km2), Lüdinghausen (9,2 km2), Hörstel (8,6 km2) und Petershagen (8,2 km2). Die vier aufgeführten Kommunen des Münsterlandes sind zusammen für mehr als 10% der westfalenweit umgenutzen landwirtschaftlichen Flächen verantwortlich.

Nutzungskonkurrenzen um die Ressource "Fläche"

Vor allem im ländlichen Raum waren in den letzten Jahrzehnten verstärkte Nutzungskonkurrenzen um die Fläche festzustellen. Neben der regional divergierenden Siedlungsentwicklung (aufgrund des unterschiedlich ausgeprägten demographischen Wandels) muss auch der gestiegene Flächenverbrauch durch den Ausbau erneuerbarer Energien (Windenergie, Photovoltaik) erwähnt werden. Allerdings wurden seit 2011 keine Solarparks mehr auf Ackerflächen errichtet. Zuvor gab es noch eine Vergütung für Photovoltaik-Freiflächenanlagen; im Jahr 2010 machten diese etwa 80% der in Deutschland installierten Leistung aus. Durch die gesetzliche Änderung konnte im energetischen Bereich diese Nutzungskonkurrenz deutlich reduziert werden.

Abb. 1: Veränderung der landwirtschaftlichen Flächen in Westfalen 2001–2015 (Quelle: IT.NRW 2015)

Reduzierung der Flächeninanspruchnahme

Seit dem Jahr 2000 gibt es eine Vielzahl an Initiativen von Landwirtschaftsverbänden, Umweltorganisationen und politischer Instanzen, die gemeinsam den Verbrauch der Ressource "Fläche" in unserem Land verringern wollen. In NRW wurde im Jahr 2006 die Allianz für die Fläche gegründet. Ihr gehören mehrere Dutzend Institutionen an, z.B. die Regionalräte Detmold und Münster, der Regionalverband Ruhr, Umwelt- und Naturschutzverbände sowie die Landwirtschaftskammer NRW. Deren gemeinsames Ziel ist es, geeignete Ideen und Instrumente für eine spürbare Reduzierung des Flächenverbrauchs zu entwickeln, um das von der Bundesregierung gesetzte "30-Hektar-Ziel" (max. bundesweiter Verbrauch pro Tag) bis zum Jahr 2020 zu erfüllen. Wesentliche Handlungsfelder sollen dafür u.a. sein:

  • ein strategisches, effizientes Flächenmanagement,
  • Vorrang der Innen- vor der Außenentwicklung,
  • Wiedernutzung von Brachflächen,
  • Schutz wertvoller oder empfindlicher Freiräume und Böden,
  • Stärkung des öffentlichen Bewusstseins für den Wert unzersiedelter Landschaften/unversiegelter Böden (MKULNV NRW 2006).

Einige Kommunen haben zu diesen Überlegungen modellhafte Konzeptionen entwickelt. Als ein Weg zu einem nachhaltigen Flächenverbrauch hat z.B. die Stadt Bielefeld das Modell einer kommunalen Flächenhaushaltswirtschaft eingeführt. Diese soll als Pendant der finanziellen Haushaltspolitik auch Aspekte "in Gestalt der ökologischen Leistungsfähigkeit" der Flächen erfassen und bilanzieren (Finke 2005, S. 61ff.).

Allerdings werden solche mutigen Schritte durch den aktuell weiter voranschreitenden Flächenverbrauch unterlaufen: Erst im Frühjahr 2015 musste die Bundesregierung einräumen, dass das für 2020 angestrebte "30-Hektar-Ziel" realistisch nicht möglich ist. Noch schlimmer: "Ab dem Jahr 2015 [dürfte] die Flächeninanspruchnahme in einer Größenordnung von 64 ha pro Tag verharren" (Deutscher Bundestag, Drucksache 18/4172, S. 3). Das bedeutet, es sind verstärkte Anstrengungen in unserem dicht besiedelten Landesteil nötig, damit Landwirtschaftsflächen als wirtschaftliche Grundlage ebenso wie bestehende Landschaftsräume erhalten bleiben.

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Weiterführende Literatur/Quellen

Erstveröffentlichung 2013, Aktualisierung 2016