Kusch+Co: Stühle aus Hallenberg in allen Kontinenten

01.01.2014 Meinolf Rohleder

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Von dem mit acht Metern Höhe wohl größten Holzstuhl der Welt, zumindest aber in Westfalen, blickt der Besucher in die sauerländischen Berge, Wälder und Wiesen. Der Stuhl steht zwischen den Ortsteilen Liesen und Hesborn der Stadt Hallenberg.

Der Stuhl ist nicht nur ein touristisches Highlight und ein prämiertes Kunstwerk (im Rahmen des Wettbewerbs Touristische Infrastruktur im Sauerland –TourIS), sondern zugleich ein weithin sichtbarer Hinweis auf den ersten Serienstuhl des Unternehmens Kusch+Co, der im Jahre 1939 unter dem Namen "Sauerland Stabil" entworfen und hergestellt wurde.

Abb. 1: Der acht Meter hohe Stuhl "Sauerland Stabil" mit Aussichtsplattform (Foto: Stadt Hallenberg)

Weltmarktführer für Wartebanksysteme (Airport Seating)

Sitzmöbel von Kusch+Co, einem mittelständischen Familienbetrieb aus Hallenberg, der kleinsten westfälischen Stadt, stehen in den Internationalen Airports von Singapur, Kapstadt, Ulan Bator, Liverpool und Düsseldorf. Die Liste der Flughäfen, die mit Stühlen des Möbelherstellers ausgestattet sind, ließe sich beliebig fortsetzen. Mittlerweile sind es 160 weltweit. "Airport Seating" ist einer von sechs Einrichtungsbereichen, mit dem sich das auf designorientierte Objekteinrichtung und Objektmöbel spezialisierte Unternehmen im nationalen und globalen Wettbewerb der Möbelbranche bisher als äußerst konkurrenzfähig erwies. In dem Segment "Objektmöbel für den Einsatz in Flughäfen" avancierte die im Jahre 1939 gegründete Firma Kusch inzwischen zum Weltmarktführer.

Referenzlisten etwa zu den weiteren Produktsegmenten Büro, Gesundheit und Pflege, Konferenz und Seminar sowie Auditorium verweisen  ebenso auf beeindruckende Absatzerfolge auf dem nationalen, europäischen und globalen Möbelmarkt (Kasten 1). Dabei stellen weniger private Abnehmer den Kundenkreis, sondern Kusch vertreibt Sitzmöbel und Tische für den sog. Objektmarkt, das sind Firmen, Verwaltungen und öffentliche Einrichtungen, z. B. Stadthallen, Museen, Hochschulen, Kongresszentren, Bibliotheken und eben Flughäfen.

Kasten 1: Referenzlisten (Auszug) der einzelnen Produktsegmente (eigene Zusammenstellung)

2014: 75 Jahre Familienunternehmen Kusch

Es ist schon bemerkenswert, dass sich in der nur rund 4.400 Einwohner (2012) zählenden Stadt im Hochsauerland ein global so erfolgreiches Unternehmen entwickelt hat.

Begonnen hatte die Geschichte "Kusch" mit der Gründung einer kleinen Möbelfabrik mit 15 Beschäftigten durch Ernst Kusch im Jahre 1939. Sein Motto lautete: "Qualität ist durch nichts zu ersetzen." Diese Unternehmensphilosophie hat bis heute Bestand. Die schwierigen Kriegsjahre überstand das Unternehmen mit der Herstellung von Lazarettstühlen, Feldbetten oder Bahren. Ende der 1940er Jahre wurde die Herstellung von Möbeln wieder aufgenommen und ab 1947 im legendären Programm "100 – der Kusch Klassiker-Stuhl" entwickelt. Mit der Übernahme des Unternehmens durch den Sohn Dieter Kusch expandierte "die Stuhlfabrik" in den 1960er Jahren. In den Blick gerieten nunmehr die internationalen Märkte, die mittlerweile etwa die Hälfte des jährlichen Umsatzes von etwa 50 Mio. Euro (2011, Angaben von Kusch+Co) ausmachen. Seit dieser Zeit arbeitet man auch mit externen Designern zusammen, darunter namhafte wie Luigi Colani.

Heute kooperiert Kusch mit renommierten Büros, u. a. seit 2010 mit dem Porsche Design Studio, zunehmend aber auch mit kreativen, jüngeren Kräften. Neben einem ansprechenden, modernen Design spielen bei den Entwürfen Funktionalität und Qualität eine wesentliche Rolle. 2013 erhielt das Unternehmen den German Design Award für das "Banksystem 8000" (Abb. 2).

Neue Entwicklungen werden, bevor sie auf den Markt kommen, genauestens geprüft, wie etwa das Banksystem "Terminal", das in Flughäfen zum Einsatz kommt (Abb. 3). Gerade diese Sitzmöbel sind harten Belastungen ausgesetzt. Das Segment "Airport Seating" macht aktuell 25% des Gesamtumsatzes aus.

Der in der fast 75-jährigen Firmengeschichte eindeutig größte Auftrag allerdings war – bezogen auf die Stückzahl – die Ausstattung der Olympischen Spiele 1972 in München, für die über 40.000 Stühle und über 10.000 Tische hergestellt wurden.

Produziert werden die Möbel – jährlich mehr als 300.000 Stück – von 430 Beschäftigten ausschließlich in den zwei Werken in Hallenberg; im älteren, nördlich des historischen Stadtkerns gelegenen Werk I und dem zwischen Braunshauser Straße und Industriestraße neu errichteten WerkII im Südosten der Stadt.

Abb. 2: Banksystem 8000, Public Seating By Porsche Design Studio 2010 (Quelle: Kusch+Co GmbH & Co. KG 2012)

Außergewöhnliche Fertigungstiefe und Zertifizierung

Die gesamte Bearbeitung – also das Biegen, Bohren, Stanzen, Schleifen und Polieren der Oberfläche einschließlich Lackieren sowie das Bespannen und die Montage vom Baumstamm bzw. Stahlrohr – wird in den beiden Werken ausgeführt.

Alle wesentlichen Komponenten entstehen im Rahmen dieser außergewöhnlichen Fertigungstiefe damit im eigenen Betrieb. Holz, Stahl, Aluminium und Kunststoff sind hierbei die wichtigsten Werkstoffe. Dabei war Kusch stets offen für technologische Innovationen: Im Jahre 1989 installierte das Unternehmen eine der ersten Wasserlackanlagen in der Möbelindustrie weltweit.

Aus Holz, was vorwiegend aus der Region stammt, werden auch heute noch etwa 30% der Möbel hergestellt. Dabei hat sich Kusch seit 2007 dem sog. PEFC-Standard verpflichtet (Programme for the Inforcement of Forest Certification Schemes; zu deutsch: Programm für die Anerkennung von Forstzertifizerungssystemen). Trägt ein Produkt, z. B. ein Stuhl, das PEFC-Siegel, heißt das: Die gesamte Produktherstellung, vom Rohstoff bis zum gebrauchsfertigen Endprodukt, ist zertifiziert und durch unabhängige Gutachter kontrolliert. Damit soll die nachhaltige Waldbewirtschaftung verbessert und gesichert werden (PEFC Deutschland 2013) – im waldreichen Grenzgebiet von Sauerland, Wittgensteiner Land, Ederbergland und Kellerwald naheliegende Zielsetzungen.

Abb. 3: Wartebereich – Internationaler Flughafen Wien (Quelle: Kusch+Co GmbH & Co. KG 2012)

Die Exportquote des Unternehmens von Kusch+Co liegt aktuell (2012) bei etwa 50%, erreichte im vergangenen Jahrzehnt in manchen Jahren bis zu 60%. Damit ist im Vergleich zur gesamten deutschen Möbelindustrie die Exportquote von Kusch+Co fast doppelt so hoch (durchschnittlich 29,4% bei den 530 Betrieben mit mehr als 50 Beschäftigten; Statistisches Bundesamt 2013).

Hauptexportländer sind Großbritannien, Belgien, die Niederlande sowie Österreich. An Bedeutung gewinnt aber auch der skandinavische Markt. Über 40 Vertriebspartner in 30 Ländern sorgen für die Repräsentanz von Kusch in aller Welt. Als Zukunftsmärkte nennt das Unternehmen Russland und Südamerika. Hauptkonkurrenten ("Marktbegleiter") kommen in erster Linie aus Europa und den USA.

Die Mehrzahl der Beschäftigten wohnt in der Kernstadt Hallenberg bzw. in den Ortsteilen Hesborn und Liesen. In einem durch erhebliche Abwanderung gekennzeichneten ländlichen Raum (Bevölkerungsrückgang 2001–2011: 6,7%) ist es nicht leicht, gute Fachkräfte zu bekommen und zu halten. Der breite Ausbildungsbereich war von Anfang an und ist weiterhin ein wesentlicher Baustein für den wirtschaftlichen Erfolg von Kusch+Co. Das Unternehmen bietet zahlreiche Ausbildungsgänge für technische Berufe an, ebenso für den kaufmännischen Bereich. Zu erwähnen sind auch duale Ausbildungsgänge wie "Bachelor of Arts" und "Bachelor of Science".

Abb. 4: Produktionshalle im Metallbereich (Quelle: Kusch+Co GmbH & Co. KG 2012)

Ausblick

"Man muss sich in den Märkten bewegen – allein in Hallenberg zu sitzen und zu warten, dass jemand auf uns aufmerksam wird, bringt nichts", so die zukunftsorientierte Perspektive von Ricarda Kusch, die seit 2006 mittlerweile als Vertreterin der dritten Generation der Familie in der Unternehmensleitung tätig ist.

Unternehmensleitung und Belegschaft in Hallenbergs Traditionsfirma haben die Ziele, die global gefragte Premiummarke Kusch auch in Zukunft zu erhalten, die ökonomischen, technologischen und ökologischen Herausforderungen auf den europäischen und globalen Märkten aufzugreifen, ihnen aktiv zu begegnen und innovativ mitzugestalten, um den Standort langfristig zu sichern.

Zwei Bausteine bieten dabei eine vermutlich sichere Basis: einerseits die hohe Variantenvielfalt der Produktpalette bei einem formal gemeinsamen, gestalterischen roten Faden, andererseits Aspekte der Nachhaltigkeit, beginnend bei einer umweltgerechten Materialauswahl und einer umfassenden Recyclebarkeit der eingesetzten Werkstoffe.

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Weiterführende Literatur/Quellen

Erstveröffentlichung 2014