Der Bädertourismus in Ostwestfalen-Lippe – Struktur und Wandel

30.06.2014 Stefan Dörr

Inhalt

Geschichte

Die Region Teutoburger Wald zeichnet sich, verglichen mit den anderen Regionen in NRW, durch die höchsten Übernachtungszahlen aus. Doch woher stammen diese Zahlen bzw. die Gäste, die hinter diesen Zahlen stehen?
Abb. 1: Hauptanlageplan für Neusalzwerk (Bad Oeynhausen) 1847 von Peter Joseph Lenné

Ostwestfalen-Lippe (OWL) wird auch heute noch vielfach als "Heilgarten Deutschlands" bezeichnet (s. Beitrag Gerbaulet). Zahlreiche Quellen, die etwa seit Ende des 18. Jh.s systematisch erbohrt und genutzt wurden, haben dazu geführt, dass 10 der 24 Heilbäder und Kurorte in NRW ihre Lage in OWL haben (http://gesund.nrw-tourismus.de; Stand 2014). Von Beginn an hat die Nutzung der Quellen für Gradierwerke zur Salzgewinnung bei oftmals gleichzeitiger Nutzung als Inhalatorium sowie für Wannenbäder dazu geführt, dass nicht nur Gäste aus der unmittelbaren Umgebung, sondern auch aus dem weiteren Umfeld nach Bad Driburg, Bad Meinberg oder Bad Oeynhausen kamen, um nur einige zu nennen.

Bad Driburg als einziges privates Bad bis zum heutigen Tag stellt dabei eine Besonderheit dar. Alle anderen Bäderstandorte wurden zumeist von den jeweiligen Landesherren gefördert und brachten u. a. auch das Geltungsbewusstsein der jeweiligen Herrscher zum Ausdruck.

"Das Solbad bei Neusalzwerk [Bad Oeynhausen, Abb. 1] soll bleibend als eine gemeinnützige Anstalt unter unmittelbarer Leitung des Staates eingerichtet und die Verwaltung desselben nach vorheriger Feststellung des Hauptanlageplans durch ein zweckentsprechendes Statut geregelt werden", so verfügte König Friedrich Wilhelm IV von Preußen am 24. Mai 1847. Für die Anlage des Kurparks in Bad Oeynhausen beispielsweise wurde Peter Joseph Lenné als bedeutendster Gartenarchitekt seiner Zeit gewählt; bei der Umgestaltung des Parks anlässlich des Neubaus des Kurhauses 1908 wurde vom damaligen Gartenbauarchitekten Hoemann ein "Weltstadtparterre" geplant (Abb. 2).

Abb. 2: Das Kurhaus in Bad Oeynhausen, erbaut 1908 (Postkarte)

Der Kurgast sollte ein ansprechendes Ambiente für seine Genesung vorfinden. Neben den zumeist ortsgebundenen Heilmitteln Wasser, Sole oder Moor stand eine großzügig angelegte, gepflegte Umgebung im Mittelpunkt der Gestaltung. Eine zentrale Parkanlage wurde ergänzt durch Bauten für den Gast: Badehäuser für Anwendungen, Wandelhallen für die Nutzung bei schlechterer Witterung sowie vielfach für den Brunnenausschank und Kurkonzerte, ein Haus des Gastes und natürlich ein Kurhaus. Dabei wurde vor allem auch dem begleitenden Rahmen einer Kur, der Unterhaltung durch kulturelles Theaterprogramm, Konzerte etc. Rechnung getragen; Körper und Geist sollten in gleicher Weise angesprochen werden.

Die Parkanlagen waren und sind zum Teil auch heute noch geschlossene Anlagen, die eintrittspflichtig sind; in früheren Zeiten wurden Teilbereiche unterschieden für Kurgäste erster und zweiter Klasse!

Sowohl eine Kur an sich als auch das begleitende Kulturprogramm zielten auf den privatzahlenden Gast ab. Rund um die zentralen Kuranlagen entstanden Gäste- und Logierhäuser, in denen der Gast nächtigte, um dann den Anwendungen nachzugehen.

Abb. 3: Entwicklung der Übernachtungszahlen von 1985–2013 in OWL und NRW, insgesamt und in Rehaeinrichtungen (Quelle: IT.NRW 2014)

Wandel

Die Förderung des Bäderwesens letztlich durch die "öffentliche Hand" bleibt prägend für die weitere Entwicklung. Nicht nur die öffentliche Trägerschaft der Infrastruktur, sondern vor allem die Entwicklung in der öffentlichen Gesundheitsversorgung haben den Bädertourismus in OWL nach dem Zweiten Weltkrieg bestimmt. Mit der Verordnung einer "Kur", einer Rehabilitation oder Anschlussheilbehandlung, nahmen die Übernachtungszahlen deutlich zu; der Anteil der Übernachtungen im Klinikbereich betrug (und beträgt) allerdings auch 80% und mehr.

Getreu dem Motto "Morgens Fango, abends Tango" erschien eine Kur neben der medizinisch indizierten Behandlung als zusätzliche Möglichkeit einer über die Kassen finanzierten Erholung. Das offenbarte dann aber auch die strukturellen Defizite. Der zuvor weitestgehend durch die Kassen bezahlte Aufenthalt wurde nicht durch den privatbezahlten (Kur-)Urlaub ersetzt. Zum einen ist die Konkurrenz durch die Grenzöffnung und z. B. die Ostseebäder mit hervorragender Infrastruktur oder auch durch die historischen Standorte wie Karlsbad deutlich größer geworden. Zum anderen ist die Lage der Heilbäder im Teutoburger Wald bzw. in OWL für einen Langzeiturlaub über zwei bis drei Wochen im Vergleich zu Bergen oder See nur begrenzt attraktiv. Der Urlauber, der nun als Selbstzahler seinen mehrwöchigen Aufenthalt plant, wird nicht die in der Vergangenheit extern finanzierte Variante der Kur nun selbst finanzieren.

Wie stark Gesundheitswesen und Bädertourismus zusammenhängen, zeigen die nachfolgenden Abbildungen 3 und 4: Mit der Gesundheitsreform von 1997 und der entsprechenden Einschränkung in der Verordnung einer "Kur" brachen die Übernachtungszahlen deutlich ein!

Auch heute noch sind die Gästezahlen in großem Maße abhängig von den Klinikübernachtungen. Gleichwohl ist die Infrastruktur (Landschaftsarchitektur, historische Gebäude etc.) in den Bäderstandorten sehr gut und geeignet als touristisches Ziel.

Abb. 4: Übernachtungen in ausgewählten Heilbädern in OWL 1986–2013 (Quelle: IT.NRW 2014)

Fazit/Ausblick

Der Trend zum Kurzurlaub schafft möglicherweise gute Voraussetzungen für den Bädertourismus in der Region Teutoburger Wald.

Darüber hinaus bildet die Infrastruktur eine exzellente Kulisse für Veranstaltungen oder eine dauerhafte Nutzung. So hat im Kurhaus Bad Oeynhausen deutschlandweit eines der größten Varietés seit dem Jahr 2000 sein "OWL-Haus". Der Erfolg dieser Einrichtung ist u. a. in seiner außergewöhnlichen Lage im Kurhaus begründet – gebaut als touristischer Anziehungspunkt zur Unterhaltung der Gäste – heute wie vor über 100 Jahren.

Im Wettbewerb mit See- oder Bergstandorten, Märkten in Tschechien und einer sehr guten touristischen Infrastruktur in den neuen Bundesländern wird die weitere Entwicklung des Bädertourismus in OWL entscheidend von den Faktoren Qualität und Innovationskraft abhängen. Eine außergewöhnliche Qualität des Angebots – sowohl für den kassenfinanzierten Klinikaufenthalt im Rahmen einer Anschlussheilbehandlung und der Rehabilitation als auch im Markt der Privatzahler – findet ihren Markt; mehr als 125.000 Besucher pro Jahr des Varieté-Theaters in Bad Oeynhausen sind hierfür Zeugnis (www.badoeynhausen.de). Auch die besondere Qualität und Innovationskraft eines privaten Bades wie Bad Driburg mit dem "Gräflicher Park Hotel & Spa" zeigen, dass hier der Schlüssel für den Erfolg in der Zukunft liegt.

Gepaart mit der exzellenten Qualität der Kliniken, in denen auf Grund des demographischen Wandels auch zukünftig Patienten möglicherweise sogar in steigender Zahl erwartet werden, sind die Bäderstandorte der Region Teutoburger Wald gut gerüstet für die Zukunft: mit Qualität und Innovation bei gleichzeitiger Weiterentwicklung des historischen Erbes – immer allerdings mit dem Wermutstropfen, dass Entscheidungen des Gesundheitswesens generell ein deutliches Risiko darstellen. Aber: Auch die Heilwasser, die in den Bäderstandorten ausgeschenkt werden, schmecken zumeist bitter (oder salzig, selten aber lecker...) – helfen jedoch bei der Genesung des Gastes!

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Weiterführende Literatur/Quellen

Erstveröffentlichung 2009, Aktualisierung 2014