Blei und Quecksilber in Waldböden des Ibbenbürener Raumes

10.01.2017 Jürgen Lethmate

weitere Autorenschaft: Birgit Daus, Carsten Lorz, Birgit Schneider

Inhalt

Geogene und anthropogene Schwermetalle

Schwermetalle, darunter auch Blei (chemisches Elementsymbol Pb) und Quecksilber (chemisches Elementsymbol Hg), sind natürliche Bestandteile der Ausgangsgesteine und somit in allen Böden enthalten (geogene Schwermetalle). Unbelastete Böden enthalten ca. 2–60 mg Pb kg-1 und 0,05–0,5 mg Hg kg-1. Die Gehalte anthropogener, durch weiträumig transportierte Luftverunreinigungen in Ökosysteme eingetragener Schwermetalle liegen weit höher. Ihre Anreicherung in Flechten, Moosen, Nadeln, in den Jahresringen von Bäumen sowie in Eis und Schnee belegen die anthropogene Herkunft. Quelle der Schwermetall-Emission sind zahlreiche industrielle Prozesse, Autoverkehr (bis Einführung bleifreien Benzins) sowie der Energiesektor. Letzterem kommt im Kontext der Energiewende eine aktuelle umweltpolitische Bedeutung zu, insofern die Verbrennung von Kohle viel Hg freisetzen kann.

Anreicherung in Waldböden

Seit langem ist die Anreicherung von Schwermetallen in Waldböden bekannt. Unter Fichte reichert sich infolge höherer Filterleistung von Nadelbaumkronen mehr an als unter Buche. Eine erste systematische Untersuchung nordwestdeutscher Mittelgebirge ergab einen Anstieg der Schwermetall-Gehalte seit den 1960er Jahren. Bereits in dieser Untersuchung zählt der Teutoburger Wald zu den Hauptbelastungsgebieten. Vergleichende Analysen nordrhein-westfälischer Waldböden Ende der 1980er Jahre bestätigten dies mit Gehalten von mehr als 300 mg Pb kg-1 in der Humusauflage. Die Gesamtvorräte im Ah-Horizont lagen mit 40,7 kg Pb ha-1 deutlich über dem Mittel von acht industriefernen Wuchsgebieten (29,4 kg Pb ha-1). Die Untersuchungen ergaben drei Trends der Schwermetall-Anreicherung: (1) Hohe Anreicherung in der Humusauflage im Vergleich zum Mineralboden, (2) höhenabhängige Anreicherung mit höchsten Werten an Oberhängen und in Kammlagen und (3) höhere Schwermetall-Gehalte an den Luvseiten der Gebirge im Vergleich zu Lee.

Abb. 1: Podsolprofil in Kammlage des Riesenbecker Osning/Teuto- burger Wald mit zugehörigem Pb-Tiefenprofil des Gesamtgehal- tes und des mobilisierbaren, pflanzenverfügbaren Gehaltes (Foto und Diagramm: B. Schneider)

Aktuelle Pb- und Hg-Gehalte im Ibbenbürener Raum

Blei- und Quecksilberanalysen von Waldböden des nordwestlichen Teutoburger Waldes (2012/2013) sowie Daten der Bodenzustandserhebung (BZE) aus dem Ibbenbürener Raum ergaben hohe Pb- und Hg-Gehalte. Mit wenigen Ausnahmen liegen die Pb-Gesamtgehalte von 19 Bodenprofilen aus dem Osning in den Oh-Horizonten noch immer über 300 mg Pb kg-1, obwohl seit der letzten Bestandsaufnahme über 20 Jahre vergangen sind und mit "Verdünnungen" durch weniger schwermetallhaltiges Blatt-und Nadelmaterial zu rechnen ist wie auch mit Verlagerungen von Schwermetallen in tiefere Bodenhorizonte. Die Vorsorgewerte (Bundesbodenschutzverordnung sowie Prüess 1994) für den Gesamtgehalt (Pbtotal) wie auch den mobilisierbaren, pflanzenverfügbaren Gehalt (als Pbmobil bezeichnet) sind insbesondere in den Auflagehorizonten deutlich überschritten. Die Tiefenprofile beider Pb-Fraktionen (Abb. 1) zeigen zudem den für anthropogene Schwermetalle charakteristischen Konzentrationsgradienten: höchste Werte in den Oh-Horizonten, deutlicher Abfall im Mineralboden. Die Anreicherung in der Humusauflage erklärt sich u.a. durch die starke Bindung von Blei an die organische Substanz.

Der Luv-Lee-Effekt ist weniger deutlich als die höhenbezogene Anreicherung. Lee- und luvseitige Anreicherungen im Oh-Horizont erreichen vergleichbar hohe Pb-Konzentrationen. Ein Unterhangprofil (90 m ü. NN) akkumuliert im Of-Horizont 12,5 mg, das Kammlagenprofil (140 m ü. NN, Abb. 1) 48,7 mg Pb kg-1, in den Oh1/Oh2-Horizonten 429,4 vs. 715,1 mg Pb kg-1. Ein BZE-Punkt unterstreicht diesen Trend: Auf der südlichen Osning-Fußfläche, also am Nordrand der Westfälischen Bucht, liegt in 53 m ü. NN der BZE-Punkt 238 mit 169 mg Pb kg-1 im Oh-Horizont.

Quecksilbergehalte der Böden wurden in den früheren Arbeiten nicht untersucht. Die aktuellen Daten lassen horizont-, höhen- und expositionsbezogene Anreicherungen erkennen (Tab. 1). Die Bindungsstärke von Hg an organische Substanz ist ebenfalls hoch. Auffällig sind die extrem hohen Hg-Gehalte auf dem luvseitigen Schafberg bei Ibbenbüren mit 2,33 mg Hg kg-1 in der Humusauflage und 0,99 mg Hg kg-1 im humosen Mineralboden. Zum Vergleich: Der mittlere Hg-Gehalt nordrhein-westfälischer Waldböden (0–5 cm Tiefe) liegt bei 0,19 mg Hg kg-1.

Tab. 1: Quecksilber-Gesamtgehalte in Waldböden des ibbenbürener Raumes (*Quelle: LANUV NRW 2014)

Belastungsregion Ibbenbürener Raum

Pb- und Hg-Emissionen sind nach Angabe des Umweltbundesamtes rückläufig. Es ist aber keineswegs klar, dass Emissionsminderung auch zur Verringerung der Anreicherung führt. Die Fortsetzung eines Monitorings, das dies klären könnte, ist von den politischen Entscheidungsträgern abgelehnt worden. Für den Ibbenbürener Raum bleibt das Fazit des Waldzustandsberichtes NRW 2013: Die Wälder um Ibbenbüren zählen zu den 10% der Einzelflächen mit den höchsten Schwermetall-Messwerten des Bundeslandes. Möglicherweise überlagern sich hier zwei Effekte: Der Teutoburger Wald ist mit seiner herzynischen Streichrichtung NW-SO die erste Barriere für Luftmassen aus dem Ballungsraum Rhein-Ruhr. Nahtransporte aus Linien- und Punktquellen (Autobahn, Steinkohlekraftwerk, Blockheizkraftwerk und Hausbrand mit Jahrzehnte andauernder Kohleverbrennung) verstärken den Schwermetall-Eintrag des Ferntransportes. So liegt der BZE-Punkt 240 mit den extremen Hg-Werten (Tab. 1) in der Abluftfahne eines Blockheizkraftwerks.

Die hohe Schwermetallbelastung der Waldböden wird generell als landschaftsökologische Hypothek angesehen, könnten doch bei entsprechend niedrigen ph-Werten die Schwermetalle in Lösung gehen. Die pH-Werte der Osning-Böden sind extrem niedrig. Für Blei ist längst eingetreten, was befürchtet wird: die Auswaschung des Schwermetalls in das Quellwasser. Hg konnte in den Quellwässern des Osnings noch nicht nachgewiesen werden, was angesichts der hohen Bindungsstärke dieses Schwermetalls an die organische Substanz der Böden allerdings auch nicht überraschend ist.

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Weiterführende Literatur/Quellen

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Erstveröffentlichung 2016