Lichtverschmutzung in Westfalen

08.02.2022 Peter Wittkampf

Kategorie: Naturraum

Schlagworte: Westfalen · Umweltverschmutzung · Lichtemission

Inhalt

Was ist Lichtverschmutzung?

Durch die steigende Zahl künstlicher Lichtquellen werden auch in Westfalen die Nächte in den bodennahen Luftschichten immer heller. Vor allem in Städten ist dies der Fall: Über ihnen und in ihrer Umgebung bilden sich "Lichtkuppeln". Eine Stadt mit 30.000 Einwohnern hellt z.B. im Durchschnitt den Himmel in einem Radius von ca. 25 km auf. Verschiedene Lichtemissionen durch Schaufenster, Autoscheinwerfer, Leuchtreklamen, Kirmes, abendliche Großveranstaltungen in Stadien usw. tragen hierzu bei. Technisch veraltete Straßenlaternen, z.B. sog. Natriumdampflampen, strahlen außerdem viel Licht zur Seite und sogar nach oben ab. Dies gilt auch für hell beleuchtete Industriebauwerke sowie für angestrahlte kulturell oder touristisch interessante Gebäude. Licht verbreitet sich dabei in alle Richtungen, auch nach oben, z.B. durch die Fenster von Hochhäusern, in denen Menschen wohnen oder arbeiten.

So notwendig und wichtig eine gute Beleuchtung z.B. für die Sicherheit der Menschen ist, so problematisch kann andererseits auch eine immer weiter fortschreitende Aufhellung der Nächte für den Menschen sowie für die Umwelt werden, speziell auch für viele Pflanzen- und Tierarten. Ständiges Licht, ohne wirklich dunkle Nächte, wird zunehmend als Problem wahrgenommen und mit dem Begriff "Lichtverschmutzung" (engl.: light pollution) beschrieben.

Probleme durch Lichtverschmutzung

Bedauerlich ist es, wenn die Menschen immer weniger die Möglichkeit haben, am nächtlichen Himmel etwa die Milchstraße oder die über 6.000 theoretisch mit bloßem Auge erkennbaren Sterne zu sehen – und stattdessen z.T. nur noch wenige Dutzend Sterne wahrnehmen können. Gravierender sind aber wohl die Auswirkungen auf den natürlichen Tag-Nacht-Rhythmus, die zu Schlaf- und hormonellen Störungen – und damit letztlich zu weiteren gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen können.

Wie dem Menschen, so kann das Fehlen von Dunkelheit auch zahlreichen Tierarten Probleme bereiten, und zwar nicht nur den nachtaktiven: Die Lebensräume für lichtempfindliche Arten werden reduziert. Stress, Veränderungen der visuellen Wahrnehmung sowie der Möglichkeiten der Nahrungssuche, des saisonalen Verhaltens und der Räuber-Beute-Interaktion können erhebliche Auswirkungen auf Tierpopulationen haben. Letzteres gilt etwa für Beeinträchtigungen der Reproduktionsbedingungen, der Immunabwehr, der Orientierung etc. Besonders betroffen sind bestimmte Insektenarten – und im Zusammenhang damit auch Nahrungsketten und Pflanzenbestäuber. Außerordentlich viele Insekten sterben z.B. an Straßenlaternen und anderen Lichtflächen. Erhebliche Probleme ergeben sich außerdem für manche Arten von Fledermäusen und Zugvögeln sowie für bestimmte Singvogel-, Fisch-, Amphibien- und Nagetierarten.

Bei den Pflanzen sind im Zusammenhang mit der Lichteinwirkung u.a. Aktivitäten ihrer Atemöffnungen (Stomata) und der – für die Photosynthese zuständigen – Chloroplasten von Bedeutung. Vor allem langwelliges Licht spielt eine wichtige Rolle. Veränderungen der natürlichen Licht-Dunkelheit-Verteilung können beispielsweise zu verfrühter Knospenbildung und damit zu erhöhter Frostanfälligkeit führen.

Abb.1 (li.): Lichtintensitäten in Westfalen im Jahr 2019 und Abb. 2: Durchschnittliche Lichtintensität in den Kreisen und kreisfreien Städten Westfalens im Jahr 2019 (Quellen: verändert nach LANUV NRW 2021, S. 20, Abb. 9; ebd., S. 22f.)

Messungen und Messergebnisse aus Westfalen

Lichtmessungen am Erdboden erfassen immer nur einen kleinen Ausschnitt der Erdoberfläche. Besser geeignet sind Messungen durch Satelliten, die inzwischen sehr genaue Daten liefern. Vor allem vom NASA-Satelliten Suomi NPP kommen mit Hilfe des Messinstruments VIIRS (Visible Infrared Imaging Radiometer Suite) seit 2012 in hoher Auflösung sehr detaillierte Messdaten über die Lichtverhältnisse. Angegeben werden die dabei gemessenen Lichtintensitäten mit der radiometrischen Strahlungsstärke (nW/cm2 sr) (LANUV NRW 2021, S. 8).

Die Messdaten des Jahres 2019 wurden zu einer "Lichtkarte" (Abb. 1) verarbeitet, in der man die Lichtverteilung in Westfalen gut erkennen und z.T. sogar lokale Besonderheiten wahrnehmen kann. Sehr deutlich ist hier zu sehen, dass es Teilregionen mit relativ dunklen Nächten gibt, die kaum durch künstliche Lichtquellen "verschmutzt" sind (graue bzw. blaue Bereiche). Sie liegen vorwiegend im Rothaargebirge und in den östlichen Teilen Ostwestfalens bzw. des Weserberglandes. Waldreichtum sowie das Fehlen größerer Städte und bedeutender Hauptverkehrsachsen sind hier die wichtigsten Gründe. Umgekehrt konzentrieren sich gelb oder sogar rot gekennzeichnete Bereiche vor allem in den großen Städten – vor allem des Ruhrgebietes. Handel, Verkehr, Industrie, Gewerbe, Kultur- und Freizeitangebote haben dort hochrangige Schwerpunktbereiche.

Bei genauem Hinsehen erkennt man aber auf dieser Karte auch wichtige Verkehrsachsen. Dort hinterlassen nicht nur die Autoscheinwerfer, sondern auch die an diesen Achsen angesiedelten Unternehmen deutliche "Lichtspuren", die als helle Bänder erscheinen. Ein Beispiel ist die Trasse der (noch nicht komplett fertig gestellten) A 46 – sowohl zwischen Hagen, Iserlohn und Hemer als auch zwischen Arnsberg und Meschede. Auch etwa die B 239 zwischen Herford, Lage und Detmold sowie die B 54 zwischen Siegen und Kreuztal lassen sich eindeutig identifizieren.

Sogar singuläre Lichtquellen in ansonsten nicht durch starke Lichtverschmutzung geprägten Regionen sind erkennbar, z.B. eine Gärtnerei in Borken-Burlo, nahe an der Grenze zu den Niederlanden. Dort wird sehr viel Licht durch die Gewächshäuser emittiert.

Tab. 1: Anteile von Boden- nutzungen an der Gesamtfläche ausgewählter Städte bzw. Kreise Westfalens (Quelle: IT.NRW, Kommunalprofile 2020)

Umrechnungsverfahren erlauben die Angaben von gemessenen Lichtintensitäten auch für die Flächen der einzelnen Kreise und kreisfreien Städte. Für 2019 ergeben sich dabei die in Abbildung 2 dargestellten Mittelwerte. Einen Mittelwert bis 1 (nW/cm2 sr) weisen hierbei in Westfalen die Kreise Coesfeld, Höxter, Lippe, Olpe und der Hochsauerlandkreis auf. Den niedrigs­ten Durchschnittswert in ganz NRW hat mit 0,6 der Kreis Höxter, wo die Stadt Höxter mit lediglich rd. 28.000 Einwohnern die größte Kommune ist. Umgekehrt haben Gelsenkirchen und Herne – noch vor Dortmund und Bochum – Werte von mehr als 14 (LANUV NRW 2021, S. 22 f.).

Dortmund und Bochum sind die bevölkerungsreichsten Städte Westfalens. Dass hier in den City-Bereichen und bei vielen Einrichtungen des Verkehrs, der Wirtschaft, der Kultur usw. etliche Areale nachts stark beleuchtet sind, ist nicht verwunderlich.

Im Fall von Gelsenkirchen und Herne ist die dort jeweils vorhandene Industriestruktur von entscheidender Bedeutung. Kraftwerke, Raffinerien und Anlagen der Chemieindustrie, in denen die Sicherheit eine besonders hohe Priorität hat, sind jeweils sowohl in der Fläche als auch in der Vertikalen hell beleuchtet. Beide Städte sind durch solche Anlagen geprägt.

Von Bedeutung ist zum Verständnis der Abbildung 2 außerdem das jeweilige Verhältnis von Wohn-, Industrie- und Gewerbeflächen einerseits und der Vegetations- und Gewässerfläche andererseits. Wenn große Teile eines Territoriums durch Wald oder Landwirtschaftsfläche eingenommen werden, während es nur verhältnismäßig wenig Siedlungs-, Gewerbe- und Industriefläche gibt, fallen naturgemäß die Durchschnittswerte der Helligkeit pro Kreis- bzw. Stadtfläche geringer aus. Tabelle 1 stellt die Anteile dieser Bodennutzungen der jeweiligen Gesamtfläche der Städte bzw. Kreise gegenüber.

Vorhaben zur Reduzierung der Lichtverschmutzung

Ob und wie in Zukunft die nächtliche Lichtintensität, vor allem in den Städten, reduziert werden soll, hängt von den Vorgaben der Gesetzgeber ab. Am 18.08.2021 hat der Bundestag ein Gesetz verabschiedet, das die Ergänzung des Bundesnaturschutzgesetzes um den neuen § 41 a vorschreibt, in dem es um den "Schutz von Tieren und Pflanzen vor nachteiligen Auswirkungen von Beleuchtungen" geht. NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser appellierte am 06.10.2021 an alle, sich aktiv um "weniger Lichtverschmutzung" zu bemühen (www.umwelt.nrw.de/presse/...).

Seit 2020 bereits findet jährlich im September die Aktion "Earth Night" statt. Bundesweit beteiligen sich seither immer mehr Städte wie auch Unternehmen daran und verzichten für eine Nacht auf einen Teil ihrer Beleuchtung, um ein Zeichen zu setzen und die Lichtverschmutzung we­nigstens temporär etwas zu reduzieren. Im Jahr 2021 haben sich aus Westfalen u.a. die Stadt Dortmund sowie die Bezirksregierung Münster an der Aktion beteiligt.

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Weiterführende Literatur/Quellen

  • LANUV NRW Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (Hg.) (2018): Künstliche Außenbeleuchtung. Tipps zur Vermeidung und Verminderung störender Lichtimmissionen. Recklinghausen (= LANUV-Info 42/2018) (https://www.lanuv.nrw.de/fileadmin/lanuvpubl/1_infoblaetter/LANUV_Info42_Lichtverschmutzung_2017_WEB-gesichert.pdf)
  • LANUV NRW Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (Hg.) (2021): Lichtverschmutzung in Nordrhein-Westfalen – eine erste Bestandsaufnahme. Recklinghausen (= LANUV-Fachbericht 113/2021) (https://www.lanuv.nrw.de/fileadmin/lanuvpubl/3_fachberichte/30113.pdf)
  • Michel, S. (2021): Gesetzentwurf: Es werde weniger Licht! (www1.wde.de/wissen/lichtverschmutzung-124.html)
  • Schroer, S. und F. Hölker (2018): Lichtverschmutzung – Ausmaß, gesellschaftliche und ökologische Auswirkungen sowie Handlungsansätze. Berlin/Potsdam
    (https://gfzpublik.gfz-potsdam.de/rest/items/item_5006408_5/component/file_5006416/content)
  • https://de.wikipedia.org/wiki/Lichtverschmutzung
  • https://www.earth-night.info
  • https://www.it.nrw/kommunalprofile-82197
  • https://www.lightpollutionmap.info
  • https://www.paten-der-nacht.de/folgen-lichtverschmutzung
  • https://www.umwelt.nrw.de/presse/detail/lichtverschmutzung-vermeiden-natuerlichen-nachthimmel-und-insektenvielfalt-bewahren-1633507140

Erstveröffentlichung 2022