Grundwasserneubildung im nördlichen Westfalen

14.12.2017 Johannes Meßer

Inhalt

Westfalen ist von großer wasserwirtschaftlicher Bedeutung. Der hohe Wasserbedarf des Ruhrgebietes wird aus den Einzugsgebieten der Lippe, der Ruhr und dem Rhein über Grundwasserentnahmen, Fluss- und Talsperrenwasser sowie Uferfiltrat gedeckt (s. Abb. 1 im Beitrag Wieneke). Durch den Export von Wasser über die Einzugsgebietsgrenzen der Flüsse wird der Wasserhaushalt beeinflusst.

Die hydrogeologischen und klimatischen Verhältnisse in Westfalen sind sehr heterogen. Unterschiedlich durchlässige Poren- und Kluftgrundwasserleiter sowie Karstgrundwasserleiter führen zu einem differenzierten Bild des Wasserhaushaltes mit entsprechenden Auswirkungen auf die hydrologischen Verhältnisse, z.B. die Engmaschigkeit des Gewässernetzes und die Wasserführung der Gewässer.

Angaben zur Grundwasserneubildung werden benötigt, um Eingriffe in den Wasserhaushalt beurteilen bzw. Veränderungen prognostizieren zu können. Beispielhafte Fragestellungen sind die Auswirkungen einer Grundwasserentnahme auf das Grundwasserangebot, landschaftlicher Veränderungen (z.B. Anlage von Baggerseen und Steinbrüchen) auf den grundwasserbürtigen Abfluss eines Vorfluters sowie klimatischer Veränderungen auf den Wasserhaushalt.

Wasserkreislauf

Wasser durchläuft einen Zyklus von Prozessen, den Wasserkreislauf. Das Wasser kann im Wasserkreislauf in gasförmigem (Dampf), flüssigem und festem (Eis und Schnee) Aggregatzustand auftreten. Innerhalb des Wasserkreislaufs bzw. der Teilwasserkreisläufe wird Wasser horizontal und vertikal transportiert, wobei die Aggregatzustände wechseln können. Die im Wasserkreislauf ablaufenden Prozesse sind u.a. Niederschlag, Evaporation, Transpiration, Interzeption, Oberflächenabfluss, Infiltration bzw. Versickerung und unterirdischer Abfluss.

Die mit den Prozessen verbundenen Wassermengen werden in der Wasserbilanz erfasst. Die Summe aller Teilmengen muss gleich Null sein, da aus dem geschlossenen Wasserkreislauf kein Wasser verloren geht. Bei der Betrachtung von Einzeljahren ist die Vorratsänderung und bei Betrachtung von Teilbereichen sind die Zuflüsse aus und Abflüsse in Nachbarbereiche zu berücksichtigen. Dem Teilkreislauf zur Nutzung entnommenes Wasser wird ihm oder einem anderen wieder zugeführt. Der Wasserhaushalt eines Bilanzraumes wird mit der allgemeinen Wasserhaushalts-Gleichung beschrieben.

Abb. 1: Berücksichtigte Parameter und Verfahrensgang zur Berech- nung der Grundwasserneubildung (Quelle: Meßer 2010)

Berechnungsverfahren

Für die flächendifferenzierte Berechnung der Grundwasserneubildung kommt nur die Ermittlung aus der Wasserhaushalts-Gleichung in Betracht. Zur Bearbeitung des Hydrologischen Atlas von Deutschland (HAD) wurde ein Verfahrensvergleich durchgeführt und die Ergebnisse mit Auswertungen von Abflussmessungen verglichen (Neumann 2004). Im Rahmen der Entwicklung und Anwendung eines makroskaligen Verfahrens kommt Neumann (2004) dabei zu dem Schluss, dass der Ansatz von Meßer, bezogen auf Trendverlauf und Korrelation, die beste Anpassung aller geprüften Modellversionen zeigt.

Auf der Basis der Wasserhaushalts-Gleichung wurde die flächendifferenzierte langjährig mittlere Neubildung des Grundwassers und die der anderen Wasserhaushaltsgrößen nach Meßer (2013) für Westfalen ermittelt. In Abbildung 1 sind die benötigten Eingangsdaten bzw. die verwendeten Grundlagen (eckige Rahmen) und die berechneten Größen (gerundete Rahmen) sowie die Beziehungen zueinander angegeben. Durch eine Verschneidung mit z.B. Teileinzugsgebieten kann die berechnete Grundwasserneubildung weiterverarbeitet werden. Die Grundwasserneubildung ist u.a. abhängig vom Niederschlag und anderen Klimagrößen, Bodeneigenschaften und Flurabständen, Flächennutzung und Befestigungsgrad sowie Geländeneigung und Exposition. Bei gleichen Böden nimmt die Grundwasserneubildung in der folgenden Richtung ab: Acker > Grünland > Mischvegetation > Laubwald > Nadelwald.

Abb. 2: Grundwasserneubildung in den Kreisen des nördlichen Westfalens (Quelle: Meßer 2010)
Kasten 1: Bedeutung der Lippe für die Wasserwirtschaft

Grundwasserneubildung im nördlichen Westfalen

Die sich aus der Verschneidung der dargestellten Daten und dem beschriebenen Berechnungsverfahren ergebende Grundwasserneubildung für das nördliche Westfalen ist in Abbildung 2 dargestellt.

Die Karte zeigt hohe Grundwasserneubildungsraten von über 250 mm/a und z.T. bis über 400 mm/a im Gebiet der Paderborner Hochfläche, dem Verbreitungsgebiet der Sennesande (s. Beitrag Seraphim), im Teutoburger Wald, Hellweg-Ost und in Teilen der Boker Heide. Hier sind hoch durchlässige Böden verbreitet, die eine geringe Verdunstung und einen geringen Direktabfluss bewirken. Ebenfalls beachtliche Grundwasserneubildungsraten von über 200 mm/a ergeben sich im Kernmünsterland zwischen dem Einzugsgebiet der Werse im Osten, dem Altenberger Höhenzug im Norden bis zum Verbreitungsgebiet der Halterner Sande im Südwesten. Im Westmünsterland sind die Grundwasserneubildungsraten mit 100–150mm/a auffällig gering, da hier die Tone und Schluffe des Tertiärs oberflächennah anstehen und einen hohen Direktabfluss bewirken. Vom mittleren Einzugsgebiet der Emscher über das Einzugsgebiet der Seseke und den Hellweg bis nach Lippstadt erstreckt sich eine Zone geringer Grundwasserneubildungsraten von 50–150 mm/a. Hier dominieren bindige Böden, kombiniert mit geringen Flurabständen bzw. hohen Befestigungsgraden (im Ruhrgebiet). Ähnlich niedrig ist die Grundwasserneubildungsrate in den Triasgebieten östlich des Eggegebirges und des Teutoburger Waldes. Verantwortlich sind hier die überwiegend hohen Hangneigungen im Bereich von Kluftgrundwasserleitern, die einen hohen Direktabfluss zur Folge haben. Ein weiterer Bereich relativ geringer Grundwasserneubildungsraten von überwiegend 100–150 mm/a erstreckt sich in Abschnitten der Emsniederung, da hier geringe Flurabstände vorherrschen.

Die Verteilung der Grundwasserneubildung im nördlichen Westfalen zeigt also ein nach den hydrogeologischen Verhältnissen und der Niederschlagsverteilung plausibles Bild.

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Weiterführende Literatur/Quellen

Erstveröffentlichung 2016