Die Wohnraumversorgung einkommensschwächerer Haushalte in Münster

23.11.2015 Kathrin Fennhoff

Inhalt

"Mangelware Sozialwohnungen" (Die Welt 2013). "Bezahlbare Unterkünfte werden knapp, deshalb wollen deutsche Großstädte den sozialen Wohnungsbau wiederbeleben" (Der Spiegel, H. 49/2012).

Die zahlreichen Presseartikel der jüngsten Zeit verdeutlichen den sich zuspitzenden Bedarf nach preiswerten Wohnungen in deutschen Städten. Hintergrund dafür bildet das Auslaufen von Mietpreisbindungen sog. Sozialwohnungen, eben solcher Wohnungen, die explizit zur Versorgung einkommensschwächerer Haushalte dienen (NRW.BANK 2013).

Die Nachfrage nach preiswerten Wohnungen kulminiert gerade in den Städten und Regionen in Deutschland, die – im Gegensatz zu anderen Regionen mit Bevölkerungsrückgängen und damit verbundenen Leerständen – ein Bevölkerungswachstum und somit eine hohe Nachfrage nach Wohnraum aufweisen.

Abb. 1: Entwicklung preisgebundener Mietwohnungen in Münster 2004–2013 (Quelle: eigene Darstellung nach NRW.BANK 2015)

Entwicklung des sozialen Wohnungsbaus

Der soziale Wohnungsbau hatte in der Vergangenheit eine unterschiedlich große Bedeutung. Nach dem Zweiten Weltkrieg – ein Großteil des Wohnraums war zerstört – entwickelte sich der soziale Wohnungsbau zu einem "Instrument zur angemessenen Unterbringung von möglichst vielen Menschen" (Wagner 1991, S. 5) und galt als Stabilisierung des Wohnungsmarktes, womit der Wohnungsnot der Nachkriegszeit entgegengesteuert werden konnte. Darüber hinaus prägte diese Wohnraumförderung die Stadtentwicklung der 1950er und 1960er Jahre und wurde sogar als "Schrittmacher" und "Indikator" (ebd.) des Städtewachstums angesehen. So war bis 1960 ein Anteil von 60% des neu errichteten Wohnraums öffentlich gefördert (Heinz/Kiehle 2000, S. 677).

Ab Mitte der 1960er Jahre wurde die Wohnungsnot durch die Kriegszerstörungen als weitestgehend beendet angesehen. Nach der anfänglich hohen Bautätigkeit im sozialen Wohnungsbau sank die Anzahl der jährlich errichteten öffentlich geförderten Wohnungen.

Hinzu traten seit Beginn der 1970er Jahre die ersten Mängel des sozialen Wohnungsbaus auf; durch die sog. "Fehlbelegungen" (Häußermann/Siebel 2000, S. 154), d.h. der Belegung mit Haushalten, deren Einkommen zu hoch war, wurden die Wohnungen für die tatsächlich Berechtigten blockiert. Die insgesamt geringe Bautätigkeit und der Anstieg an Zuwanderern aus den ehemaligen Ostblock-Staaten führten Ende der 1980er Jahre zu Wohnungsengpässen, die in eine "neue Wohnungsnot" mündeten. Daraufhin verstärkte der Staat sein Engagement in der Wohnungsbauförderung. Mit dem "Gesetz über die soziale Wohnraumförderung" wurde im Jahr 2002 die gesetzliche Grundlage des sozialen Wohnungsbaus (II. WoBauG) aus dem Jahr 1956 geändert. Der soziale Wohnungsbau wurde damit zur "sozialen Wohnraumförderung" weiterentwickelt. Im Unterschied zu dem vorangegangenen II. WoBauG sollte das neue Gesetz zielgerichteter auf die Haushalte ausgerichtet sein, "die sich am Markt nicht angemessen mit Wohnraum versorgen können und auf Unterstützung angewiesen sind" (§ 1 Abs. 2 WoFG). Seitdem ist allerdings ein weiterer Rückgang preisgebundener Wohnungen deutschlandweit festzustellen. Hauptgrund dafür sind die derzeit zinsgünstigen Kredite auf dem freien Markt, sodass die Darlehen der NRW.BANK für Investoren nicht attraktiv genug sind. Zudem müssen nach der Errichtung einer Sozialwohnung weitere Regelungen berücksichtigt werden, u.a. Mietobergrenzen.

Abb. 2: Neubauvorhaben der Wohn+Stadtbau GmbH an der Meesenstiege (Foto: K. Fennhoff 2015)

Aktuelle Trends auf dem Wohnungsmarkt in Münster

Der Rückgang preisgebundener Mietwohnungen in den letzten Jahren wird am Beispiel der Stadt Münster sehr deutlich.

Charakteristisch für den Wohnungsmarkt in Münster sind zudem die wachsende Einwohnerzahl und eine zu geringe Bautätigkeit. So ist der Wohnungsbestand zwar zwischen 2004 und 2013 sowohl im Einfamilienhaus- als auch im Mehrfamilienhausbereich gestiegen; im Durchschnitt wurden seit 2004 jährlich rd. 1.200 Wohnungen in Münster fertiggestellt. Damit wird allerdings die von der Stadt geforderte jährliche Baufertigstellung von 1.500 Wohnungen nicht erreicht und trägt somit nicht genügend zur Entlastung des Wohnungsmarktes bei (Stadt Münster 2014). Dies wird besonders an der Entwicklung der Mietpreise frei finanzierter Wohnungen deutlich, die sich seit einigen Jahren erheblich erhöhen (s. Beitrag Wittkampf), was auf einen entsprechenden Wohnungsmangel hinweist (Stadt Münster 2013a). Aufgrund der insgesamt steigenden Mietpreise in Münster ist ein ausreichendes Angebot von preisgebundenen Wohnungen von besonderer Bedeutung. Allerdings hat sich dieser Bestand im Zeitraum von 2004 bis 2013 von 12.176 Wohnungen auf 8.439 Wohnungen und damit um 3.737 Wohnungen reduziert (Abb. 1). Dass der Bedarf damit nicht gedeckt wird, zeigt die Anzahl der Wohnungssuchenden, die Ende 2013 bei 2.962 Haushalten lag (NRW.BANK 2015). Die Gründe liegen in den auslaufenden Mietpreisbindungen und einer zu geringen Bautätigkeit in diesem Segment. Laut Prognosen der NRW.BANK wird sich der öffentlich geförderte Mietwohnungsbestand in Münster auch zukünftig weiter reduzieren.

Abbildung 3 zeigt, dass der Rückgang mietpreisgebundener Wohnungen ein westfalenweiter Trend ist. Für die zu versorgenden Haushalte mit niedrigem Einkommen wird es insbesondere in den Kommunen problematisch, die bereits heute angespannte Wohnungsmärkte aufweisen und auch zukünftig hinsichtlich ihrer Haushalte weiter wachsen werden; dies betrifft vor allem die Stadt Münster. Auch zukünftig wird hier ein Bevölkerungswachstum vorhergesagt und damit ein anhaltender Bedarf nach Wohnraum. Die Anzahl der Haushalte stieg in dem Zeitraum von 2011 bis 2013 an (von 160.291 auf 162.500), und auch die Entwicklung der Haushaltsgrößen zeigt Tendenzen zu einer Verkleinerung der Haushalte auf (Stadt Münster 2014) (s. Beitrag Wittkampf).

Abb. 3: Veränderungen des preisgebundenen Mietwohnungsbestandes in den Kreisen/kreisfreien Städten Westfalens (Bezugsjahr 2012) (Quelle: NRW.BANK 2013)

Lösungsansätze für das preiswerte Wohnungssegment in Münster

Welche Möglichkeiten hat die Stadt Münster im Rahmen der ihr zur Verfügung stehenden Instrumente, um ausreichend Wohnraum für alle Bevölkerungsgruppen bereitzustellen?

Die Grundlage für das städtische Handeln am Wohnungsmarkt in Münster bildet seit 2011 das Kommunale Handlungskonzept Wohnen (Stadt Münster 2011; 2014b). In dem Konzept wurden verschiedene Ziele der zukünftigen Wohnungspolitik abgesteckt. Als eines der wichtigsten Ziele gilt der Wohnungsneubau in allen Preissegmenten (ebd. 2013b). Die Stadt sieht darin eine maßgebende Möglichkeit, um auf das steigende Mietniveau in Münster zu reagieren und die Wohnungsengpässe zu überwinden. Daneben wurden Maßnahmen und Strategien entwickelt, mit der die Bautätigkeit von öffentlich geförderten Wohnungen forciert wird. So orientiert sich die Vergabe von städtischen Grundstücken nicht mehr ausschließlich an den Höchstbietenden, sondern an verschiedenen Vorgaben wie die Errichtung öffentlich geförderten Wohnraums (ebd. 2015). Auf städtischen Grundstücken hat sich die Stadt verpflichtet, dass 60% der entstehenden Nettowohnfläche zur Errichtung geförderten Mietwohnraums dienen soll ("Sozialgerechte Bodennutzung"; ebd. 2014). Unterstützung erhält Münster auch vom Land NRW, das der Stadt bis 2017 einen jährlichen Betrag von 25 Mio. Euro bereitstellt, der für den Bau von sozialem Wohnraum eingesetzt werden muss (WN, 27.08.2014).

Ein wichtiger Partner zur Entwicklung preisgebundener Wohnungen für die Stadt ist das kommunale Wohnungsunternehmen Wohn+Stadtbau GmbH, das gegenwärtig im Rahmen ihrer Möglichkeiten neue Sozialwohnungen errichtet (Abb. 2). Die Stadt Münster hat damit Handlungsbedarf erkannt und versucht mit verschiedenen Maßnahmen Einfluss auf den Wohnungsmarkt zu nehmen. Die Wohnraumversorgung hängt aber nicht nur von der Stadt ab, sondern auch von den Handlungsstrategien aller Wohnungsanbieter; derzeit fehlen dem sozialen Wohnungsbau allerdings weitere engagierte Investoren.

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Weiterführende Literatur/Quellen

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Erstveröffentlichung 2014, Aktualisierung 2015