Landtagswahl NRW 2012 – die ''Wahl des Jahres''

01.01.2012 Heinz Heineberg

Inhalt

Die Landtagswahl am 13.05.2012 im bevölkerungsreichsten Bundesland (13,2 Mio. Wahlberechtigte) galt als die wichtigste Wählerentscheidung vor der Bundestagswahl 2013. Zum ersten Mal in der Geschichte Nordrhein-Westfalens war es eine vorgezogene Wahl, die erforderlich wurde, da die seit 22 Monaten regierende rot-grüne Minderheitsregierung unter der SPD-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft Mitte März am Ende war.
 

Abb. 1: Ergebnisse der Landtagswahlen in NRW 1950–2012 (Quellen: Die Welt, 18.05.2006; www.wahlergebnisse.nrw.de/landtagswahlen/2012/index.php)

Der Wahlkampf und seine Spitzenkandidaten

In einem kurzen "Turbowahlkampf" von nur 60 Tagen standen sich insbesondere zwei große Parteien mit der SPD-Spitzenkandidatin Hannelore Kraft und dem CDU-Bundesumweltminister (seit 2010 zugleich Landesvorsitzender der CDU) Norbert Röttgen gegenüber. Röttgen musste sich im Wahlkampf vor allem auch gegenüber BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN be­haupten, die unter ihrer Spitzenkandidatin und bisherigen Schulministerin Sylvia Löhrmann – gemeinsam mit der SPD – für die Fortsetzung der rot-grünen Regierung eintrat. Zu den herausragenden Be­sonderheiten zählte nicht zuletzt die neue "Protest-Wählerpartei" die PIR­ATEN (s. Beitrag Rohleder), die bereits bei den vorangegangenen Landtagswahlen in Berlin, im Saarland und in Schleswig-Holstein jeweils ganz deutlich die 5%-Hürde übersprungen hatte. Schließlich war auch das Abschneiden der FDP von Bedeutung, kämpfte sie doch aufgrund schlechter Umfragen und mit ihren katastrophalen Wahlergebnissen zuvor in Berlin (nur 1,8% Zweitstimmen) und im Saarland (le­diglich 1,2%) sogar bundesweit ge­gen den "politischen Untergang". Der zum Spitzenkandidaten gewählte ehemalige Bundes-FDP-Generalsekretär Christian Lindner wurde zum großen Hoffnungsträger der NRW-FDP. Für die Partei DIE LINKE wurde ein Wahlergebnis unterhalb von 5% prognostiziert.

Abbn. 2–4: Landtagswahl in NRW 2010, Zweitstimmenanteile von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und die PIRATEN (Quelle: www.wahlergebnisse.nrw.de/landtagswahlen/2012/index.php)
Der Wahlkampf des CDU-Herausforderers Norbert Röttgen war durch eine Reihe gravierender Schwächen gekennzeichnet. Dazu zählten inhaltliche Kurswechsel wie etwa der "Schwenk, die Landtagswahl zu einer Abstimmung über Merkels Europapolitik zu machen" (H. R. Riemenschneider, 09.05.2012), oder sein unklares Be­kenntnis zum Verbleib in NRW. Röttgen wurde bereits zwei Wochen vor der Wahl in einem Leitartikel der "Welt am Sonntag" als "Mister Chancenlos" tituliert (Stoldt 2012b). Hannelore Kraft konnte da­gegen "als bodenständige Landesmutter" (Die Welt, 16.04.2012) punkten.

Abb. 5: Landtagswahl in NRW 2012, Mehrheiten von SPD und CDU (Zweitstimmenanteile) (Quelle: www.wahlergebnisse.nrw.de/landtagswahlen/2012/index.php)

Wahlausgang am 13.05.2012

"SPD triumphiert in NRW – Debakel für CDU. Mehrheit für Rot-Grün / FDP legt zu / Piraten drin / Linkspartei draußen / Röttgen tritt zurück" lautete die treffende Schlagzeile am Tag nach der Wahl in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Die SPD erzielte 39,1% der Zweitstimmen und konnte damit gegenüber 2010 4,6% hinzugewinnen (vgl. Abb. 1 und die Sitzverteilung im neuen NRW-Landtag in Abb. 6), während die CDU mit lediglich 26,3% (ein Minus von 8,3%) das schlechteste Wahlergebnis seit Bestehen des Landes NRW erzielte. Die persönliche Konsequenz für Norbert Röttgen war nicht nur, dass er sich selbst für das schlechte Ab­schneiden der CDU verantwortlich zeigte und die Führung des Landesverbandes abgab, sondern sogar sein Ministeramt in der Bundesregierung verlor.

Da die GRÜNEN auf 11,3% der Zweitstimmen kamen (ein leichter Verlust von 0,8%), blieben sie die drittstärkste Kraft und gewährleisteten somit das Weiterregieren der rot-grünen Koalition. Die FDP kam überraschenderweise – wohl dank ihres neuen Spitzenkandidaten – auf 8,6% (ein Plus von 1,9%); die PIRATEN zogen mit 7,8% erstmals in den NRW-Landtag. Demgegenüber verfehlte die Linkspartei mit nur 2,5% eindeutig ihr Wahlziel. Andere kleinere Parteien kamen auf insgesamt lediglich 0,4% der Erst- und 4,3% der Zweitstimmen (z. B. die NPD mit nur 0,5% Zweitstimmen).

Wählerstimmenverteilungen

Die Wahlbeteiligung war mit 59,6% ähnlich niedrig wie 2010 (59,3%). Die SPD gewann wie bei den beiden Landtagswahlen zuvor (s. Beiträge Heineberg 2007 u. 2010 vor allem im be­völkerungsreichen Ruhrgebiet hohe Stimmenanteile, insbesondere in dessen Kernraum, wo die Partei allein in 11 Wahlkreisen die absolute Mehrheit errang (Abb. 5). Hoch waren die Wähleranteile der SPD auch in den traditionell industriell ausgerichteten Nachbarkreisen im Südosten des Reviers sowie in Ostwestfalen-Lippe, zudem in südlichen und südwestlichen Wahlkreisen NRWs.

Abb. 6: Sitzverteilung im NRW-Landtag nach der Landtagswahl 2012 (Quelle: H. Zinnkann 2012)

Die CDU konnte sich demgegenüber (auch bei den Erststimmen) in einer Reihe großenteils eher ländlich und/oder mittelständig geprägter Landesteile Westfalens (z. B. im Münsterland, im Paderborner Land oder etwa im Hochsauerland) behaupten; allerdings hat auch hier die SPD im Vergleich zu 2010 eine größere Zahl vermeintlich sicherer "CDU-Wahlkreise", insbesondere auch bezüglich der Direktmandate (Erststimmen), als stärkste Partei "eingenommen" (vgl. Abb. 5 mit Heineberg 2010, Abb. 5), z. B. in der Stadt Münster. Die CDU konnte sowohl in Westfalen als auch im Rheinland in keinem Wahlkreis mehr die absolute Mehrheit bei den Zweitstimmen erringen. "Laut Forschungsgruppe Wahlen wechselten die CDU-Wähler von 2010 v. a. zu FDP und SPD, nur zwei Drittel blieben der Partei treu" (Weiss 2012).

Wie z. B. im Jahre 2010 erzielte am 13.05.2012 BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die höchsten Wähleranteile wiederum in Großstädten, insbesondere in Universitätsstädten wie Müns­ter, Bielefeld, Düsseldorf, Köln, Bonn und Aachen (Abb. 2). Die FDP konnte vor allem im Ruhrgebiet kaum Stimmen gewinnen, wohl jedoch in zahlreichen rheinischen Wahlkreisen sowie innerhalb Westfalens vorrangig im Westen, Osten und Süden mit beispielsweise relativ hohem Anteil im nördlichen Wahlkreis I der Stadt Müns­ter (Abb. 3). Regional recht unterschiedlich waren die Wählerstimmengewinne der PIRATEN (Abb. 4), die vor allem im Rheinland, im westfälischen Ruhrgebiet und in einer Reihe von Nachbarwahlkreisen sowie in Ostwestfalen-Lippe deutlich punkten konnten.

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Weiterführende Literatur/Quellen

Erstveröffentlichung 2012