Spitzenköche in Westfalen
von Rudolf Grothues
Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit rund 17.000 Beschäftigten
für die 8,3 Millionen Menschen in der Region Westfalen-Lippe. Er betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser
und 18 Museen und ist außerdem einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung.
Mehr über die Arbeit und Aufgaben des LWL erfahren Sie hier:
von Rudolf Grothues
In Deutschland wurden in der aktuellen Ausgabe des "Guide Michelin 2020" 309 Sterne-Restaurants ausgezeichnet, so viele wie nie zuvor. Darunter sind zehn 3-Sterne-Häuser, die höchste Klassifizierung, 43 2-Sterne-Häuser und 256 Restaurants mit einem Stern.
Die Küche in Deutschland hat sich in den letzten drei Jahrzehnten sehr dynamisch entwickelt. Während vor rd. 30 Jahren gehobene Gastronomie fast ausschließlich mit französischer Küche in Verbindung gebracht wurde, haben bis heute vor allem junge Gastronomen eine eigene Identität mit heimischen Produkten entwickelt – modern und raffiniert interpretiert. Dabei finden auch immer mehr vegetarische und vegane Gerichte den Weg in die Spitzengastronomie. So wurde 2020 das erste rein vegane Restaurant mit einem Stern ausgezeichnet (in Frankfurt a.M.). Insgesamt ist heute die Präsentation und das Ambiente wesentlich lockerer und legerer.
Die Verteilung der Restaurants auf die deutschen Bundesländer zeigt einige Auffälligkeiten (Tab. 1): Während der Durchschnitt in Deutschland bei 3,6 Restaurants je 1 Mio. Einwohnern liegt, weisen Baden-Württemberg (6,9), Rheinland-Pfalz (6,7) und die Stadtstaaten Hamburg (6,2) und Berlin (6,0) deutlich überdurchschnittliche Werte auf. Die Gründe dafür sind überaus vielschichtig und nicht so einfach zu ergründen: Einerseits beeinflusst sicher vor allem die französische aber auch mediterrane Küche den Südwesten Deutschlands. Außerdem fällt auf, dass in Baden-Württemberg die hohe Konzentration von Sternerestaurants in Zusammenhang steht mit dem Meisterkoch Harald Schubert in Baiersbronn-Tonbach. Seit über 25 Jahren trägt er drei Sterne und hat in der Zeit zahlreiche Köche ausgebildet, die zusammen mittlerweile rd. 70 der 309 Sterne im Guide Michelin besitzen. In einer 2005 angefertigten Studie kommen rd. 35% aller Spitzenköche aus Baden-Württemberg (Huter/Eichhorn 2005).
Nordrhein-Westfalen liegt mit 2,9 Sterne-Restaurants je 1 Mio. Einwohnern etwas unter dem Durchschnitt, der Landesteil Westfalen allerdings schneidet mit einem Wert von 1,1 deutlich schlechter ab. Noch weniger Sterneköche gibt es nur in Thüringen und Sachsen-Anhalt, wohl wegen der jahrzehntelangen Abschottung von hochwertigen und frischen Lebensmitteln sowie fehlender Offenheit, Neugierde und internationaler Einflüsse (Huter/Eichhorn 2005), sowie in Bremen, wo es kein einziges Sterne-Restaurant gibt.
Insgesamt zeigt sich bundesweit ein Südwest-Nordost-Gefälle. Grundsätzlich sind dabei vor allem große Städte, Metropolen und touristisch geprägte Regionen bevorzugt (Hotelübernachtungen), da dort die Anzahl "zahlungskräftiger" Gäste höher ist, allerdings scheint es keinen Zusammenhang zwischen Pro-Kopf-Einkommen und Spitzengastronomie zu geben (Huter/Eichhorn 2005). Wichtiger ist scheinbar die geographische Nähe zu Frankreich bzw. Italien. Aber Genuss will auch gelernt sein. So erfreuen sich die Menschen im Süden und Westen der Republik eher an einem kulinarischen Genuss als die im Norden und Osten.
In Westfalen wurden 2020 neun Restaurants in die "Sternenklasse" aufgenommen, darunter eines mit zwei Sternen: Wie bisher wird das Restaurant "Rosin" von TV-Koch Frank Rosin in Dorsten-Wulfen mit zwei Sternen am besten bewertet. Unweit, in der Dorstener Innenstadt, residiert der ebenfalls bekannte WDR-Koch Björn Freitag mit seinem Restaurant "Goldener Anker" mit einem Stern. Ebenfalls mit einem Stern ausgezeichnet sind die Restaurants "Palmgarden" in Dortmund, "Balthasar" in Paderborn, "Reuter" in Rheda-Wiedenbrück, die "Ratsstuben" im Ratshotel in Haltern am See und die "Hofstube" im Hotel Deimann in Schmallenberg.
Zwei Restaurants aus Münster dürfen sich erstmals mit einem Michelin-Stern schmücken: das "Cœur D‘Artichaut" am Alten Fischmarkt und das "Ferment" im Stadtteil Roxel. 2018 bzw. 2019 geschlossen wurden die beiden westfälischen Sternerestaurants "Gourmet 1895" in Münster und die "Westfälische Stube" in Hörstel.
In Westfalen insgesamt 20-mal vergeben (davon zweimal in Sprockhövel) wurde die im Vergleich zu den Sternen etwas abgestufte Auszeichnung "Bib Gourmand", die für ein gutes Preis-Leistungsverhältnis steht.
Die ausgezeichneten Häuser verteilen sich in Westfalen relativ gleichmäßig, wobei es durchaus eine gewisse Konzentration in Ostwestfalen-Lippe gibt, während das südliche Westfalen eher unterrepräsentiert ist (Abb. 1). Es scheint keinen Zusammenhang zu geben zwischen der Größe einer Stadt und der Existenz eines Sterne-Restaurants. Insgesamt finden sich die ausgezeichneten Restaurants sogar eher in mittelgroßen Städten.
• | Die Glocke vom 15.11.2017: Rekord: 300 Restaurants mit Sternen ausgezeichnet. |
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• | GUIDE MICHELIN (2020): Deutschland. Hg. v. Michelin Travel Partner. Boulogne Billancourt (Frankreich) |
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• | Huter, J. u. L. Eichhorn (2005): Spitzengastronomie in Deutschland. In: Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg, 11/2005. Stuttgart, S. 3–13 |
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• | SZ Süddeutsche Zeitung vom 12.11.2015: Das sind Deutschlands beste Restaurants. |
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• | WN Westfälische Nachrichten vom 15.01.2018: Kaiserhof schließt Sternerestaurant "Gourmet 1895". |
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• | https://guide.michelin.com |
Erstveröffentlichung 2018, Aktualisierung 2020