Sparkassen Münsterland Giro – die Radsport-Elite und ''Jedermann'' zu Gast im Münsterland

01.01.2010 Friederike Wegmann

Inhalt

Stärkung der Region Münsterland, Identitätsförderung, kreisübergreifende Zu­sammenarbeit, regionales Event, Vermarktung der Fahrradregion Münsterland - all diese Schlagworte beschreiben Zieldimensionen des internationalen Radsport-Events "Sparkassen Müns­terland Giro" (kurz: Giro), der nicht nur der Zuschauerunterhaltung dienen, sondern ein Teil des Images "Münsterland" werden soll.
 

Abb. 1: Verlauf der vier Rennstrecken des Sparkassen Münsterland Giro am 3. Oktober 2008 (Quelle: www.sparkassen-muensterland-giro.de)

Historie und Konzeption

Ausgangspunkt für die Etablierung des Giro war im Jahr 2002 der Giro d'Italia, da der Journalist Dick Heuvelmann vorschlug, durch dieses etablierte Radrennen einige Gründungsländer der Europäischen Währungsunion miteinander zu verbinden. Daraus resultierend verlief die erste Etappe des Giro d'Italia 2002 von Groningen nach Münster. Diese Etappe wurde im Vorfeld (2000 und 2001) bereits zweimal als Rennen durchgeführt und diente somit der Probe und Vorbereitung für den Giro d'Italia. Im Jahr 2004 fand das Rennen Groningen-Münster zum letzten Mal statt, da Groningen das Geld für eine Durchführung nicht bereitstellen konnte. Die ge­plante Umkehrung der Strecke (Müns­ter-Groningen) wäre mit einer Verdopplung der finanziellen Belastungen für die niederländische Stadt verbunden, da der Zielort aufgrund des höheren logistischen Aufwands zwei Drittel der Ge­samtkosten zu tragen hat. Ab 2006 stellten sich die zwölf Sparkassen im Müns­terland als Hauptsponsoren zur Verfügung und handelten einen Vierjahresvertrag aus.

Um für Fahrer und Zuschauer be­sonders attraktive Rennen zu organisieren, beschloss man, jährlich wechselnd nur einen Münsterland-Kreis als Gastgeberregion zu nutzen, mehrere Rundkurse einzubauen, die Strecke je mitten durch die Ortszentren zu führen und mindestens eine Steigungsetappe zu integrieren. So enden zwar alle Rennen in Münster, doch startete man 2006 im Kreis Coesfeld, während 2007 der Kreis Steinfurt, 2008 der Kreis Borken und 2009 der Kreis Warendorf im Fokus standen. Im Jahr 2010 rückte der Kreis Coesfeld erneut in den Mittelpunkt. Der Termin ist aufgrund der günstigen Bedingungen für Besucheranreise und benötigte Straßensperrungen auf den jeweils 3. Oktober (Feiertag) eines Jahres festgelegt.

Der Giro war anfangs als eine große Schleife durch das gesamte Münsterland geplant, doch wurde dieser Plan aufgrund des hohen logistischen Aufwands sowie der nur in geringen Zahlen teilnehmenden Zuschauer verworfen.

Abb. 2: Fabian Wegmann (Foto: Radsportbezirk Nordwestfalen)

''Jedermann'' auf dem Kurs der Profis

Neben dem Rennen der Radprofis finden noch die Nachwuchsrennen (U15 und U17) im Innenstadtbereich Münsters und das Amateurrennen statt. Darüber hinaus sprechen vor allem die drei Jedermann-Rennen eine breite Masse der Aktiven an. Im Jahr 2010 nahmen rd. 4.000 Hobby-Radler daran teil, die zwischen verschiedenen Streckenlängen wählen konnten (55, 90 und 125 km). Zur Anmeldung ist neben einem Startgeld die Volljährigkeit nachzuweisen. Der besondere Reiz der Jedermann-Rennen liegt darin, dass sich die Strecken teilweise mit dem Kurs der professionellen Radrennfahrer überschneiden. Für mehr Sicherheit sorgt bei den Jedermann-Rennen die Straßenwahl im Detail, da vor allem im Start- und Zielbereich die Straßenquerschnitte breit genug sein müssen, um die Sturzgefahr einzudämmen.

Die durchschnittlich 200 professionellen Fahrer und ihre Teams werden mit Hilfe des Cycling Service in den Niederlanden, einer Agentur für Radrennen, ausgesucht oder durch persönliche Absprachen mit den Teammanagern eingeladen. Die Organisatoren des Sparkassen Münsterland Giro legen Wert darauf, dass auch Spitzenteams wie Team Columbia (ehemals Team T-Mobile), Team Milram oder Team Gerolsteiner (bis 2008) an dem Rennen teilnehmen. Außerdem sollten nach Möglichkeit die Lokalmatadoren Linus Gerdemann und Fabian Wegmann (Abb.2) gemeldet sein.

Sportliche Bedeutung und mediale Aufmerksamkeit des Giro

Der Stellenwert des Münsterland Giro aus sportlicher Perspektive ist beachtlich. Bereits durch die Rennen "Groningen - Münster" hat sich die Organisation einen Namen beim Weltverband UCI (Union Cycliste Internationale) gemacht. Das Rennen ist der dritthöchsten Kategorie zugeordnet und kann demnach hinter den Rennen "Vattenfall Cyclassics", "Rund um den Henninger Turm" und "Rund um Köln" genannt werden. Es zählt zu den Top-Sechs Eintagesrennen in Deutschland und ist nicht nur bei den durchschnittlich über 100.000 Zuschauern an der Strecke sehr beliebt. Die Fahrer schätzen das Rennen einerseits wegen des Termins, da einige Fahrer dies als Saisonabschluss nutzen, während andere sich für die Lombardei-Rundfahrt (Mitte Oktober) vorbereiten. Andererseits wird die Streckenführung mit der Rundkursstruktur bevorzugt, da die Fahrer sich so die Strecke schneller einprägen.

Trotz der seit 2006 neu entfachten Doping-Diskussion stehen die Sponsoren geschlossen hinter dem Rennen; es soll sogar neue Interessenten geben. Das größte Problem besteht in der (noch) fehlenden Live-Übertragung im Fernsehen. Dies ist aber aufgrund der Doping-Affären ein generelles Problem und lässt sich nicht nur auf den Giro allein beziehen. Eine TV-Übertragung würde die Region und das Rennen noch einmal wesentlich - auch über regionale Grenzen hinaus - bekannter machen.

Regionalbewusstsein und Identitätsbildung

Das Rennen ist nicht nur ein bedeutendes Sportevent, sondern ein Ereignis für die lokale Bevölkerung im Münsterland - eine Art Volksfest am 3. Oktober, denn in jedem Ort, der an der Strecke liegt, wird ein eigenes Rahmenprogramm angeboten.

In Münster als Zielort mit der höchs­ten Aufmerksamkeit wird der große, zentral gelegene Hindenburgplatz als Event- und Messegelände deklariert. Ein Programmhöhepunkt für 8-13-jährige Kinder ist das "Fette-Reifen-Rennen": Hierbei fahren sie eine Runde auf dem Innenstadtparcours Münster, kurz bevor die Profis die Stadt erreichen, so dass sie die Zuschauerkulisse in vollem Umfang genießen können. Laut Rainer Bergmann vom Sportamt Münster gibt es "so ein Angebot nicht einmal bei der Deutschland-Tour".

Die Kosten für das gesamte Sportevent belaufen sich auf etwa 450.000 €. Zwei Drittel werden durch die  Sponsoren, die Stadt Münster und die Kreise übernommen; das fehlende Drittel wird durch die Startgelder der "Jedermann"-Teilnehmer erzielt.

Start und Zieleinlauf in attraktiver und zeitlich enger Abfolge

Um die Aufmerksamkeit der Zuschauer an den Strecken zu binden und zu belohnen, werden in zeitlich enger Abfolge die nach Distanz und Dauer unterschiedlichen Rennen eng in­einander geschachtelt: Im Jahr 2008 etwa startete um 9.00 Uhr das längste Jedermann-Rennen (140 km) in Münster. Nur zehn Minuten später begannen die Hochschulmeisterschaften der Herren über die gleiche Distanz. Um 9.40 Uhr erfolgte der Start des zweiten Jedermann-Rennens über 110 km. Etwa fünf Minuten später begann das ca. halbstündige Nachwuchsrennen (U15). Das kürzeste Je dermann-Rennen (70 km) startete um 10.20 Uhr, gefolgt vom zweiten halbstündigen Nachwuchs-Rennen (U17) um 10.30 Uhr. Kurz danach fiel der Startschuss für die Hochschulmeisterschaft der Frauen über 70 km.

Zwischen 11.55 Uhr und 13.50 Uhr wurden die "Jedermänner" wieder in Münster erwartet. Die Fahrer können aufgrund eines Chips an ihrem Rennrad unterschieden werden. Wenn also Fahrer aus verschiedenen Rennen zeitgleich ankommen, kann man sie dem jeweiligen Renntyp zuordnen.

Um 12.30 Uhr schließlich wurde das Profirennen in Bocholt freigegeben. Um 14.00 Uhr starteten die Amateurrennradfahrer; sie fuhren ca. 90 Minuten. Um 15.45 Uhr konnten die Kinder beim "Fette-Reifen-Rennen" in Münster ihr Talent unter Beweis stellen, bevor dann die Profis um ca. 16.40 Uhr zum ersten Mal die Zieldurchfahrt am Hindenburgplatz in Münster erreichten. Nach den Schlussrunden auf dem Innenstadt-Parcours kamen schließlich die Profifahrer gegen 17 Uhr ins Ziel.

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Weiterführende Literatur/Quellen

Erstveröffentlichung 2009, Aktualisierung 2010