Die Bevölkerungsentwicklung in Westfalen: Vorausberechnung bis 2040

17.08.2016 Peter Wittkampf

Inhalt

Der Landesbetrieb Information und Technik IT.NRW hat im August 2015 eine Modellrechnung zur Einwohnerentwicklung aller Städte, Gemeinden und Kreise Nordrhein-Westfalens bis zum Jahr 2040 vorgelegt.

Eine solche Vorausberechnung ist naturgemäß schwierig und die Ergebnisse mit gewissen Vorbehalten zu betrachten, denn weder das generative Verhalten noch die wirtschaftliche Entwicklung, weder die politischen oder sozialen Rahmenbedingungen noch die Migrationsgewinne, z.B. aus dem Ausland, weder die zukünftige Lebensqualität in den Teilregionen noch die raumrelevanten technischen Entwicklungen lassen sich mit Sicherheit vorhersagen. Dennoch können bestimmte Tendenzen als Grundlage dienen für rechtzeitige landes- und regionalplanerische, städtebauliche, sozialpolitische, ökonomische oder infrastrukturelle Überlegungen und Entscheidungen.

Abb. 1: Bevölkerungsentwicklung insgesamt als Bilanz aus Geborenen und Gestorbenen sowie Wanderungsbilanz 2014–2040 (Quelle: www.it.nrw.de)

Die Bevölkerungsentwicklung insgesamt

Wenn man die Fakten und Tendenzen einerseits des natürlichen Wachstums auswertet, also des Verhältnisses von Geburten- und Sterberate, andererseits des Saldos aus Zu- und Fortgezogenen, so erlauben die entsprechenden Zahlen – unter Berücksichtigung weiterer Aspekte – eine ungefähre Vorausberechnung der Bevölkerungsentwicklung. Für Westfalen-Lippe ergibt die aktuelle Modellrechnung von IT.NRW für den Zeitraum vom 01.01.2014 bis zum 01.01.2040 einen Rückgang der Gesamtbevölkerung von 393.100 Personen. Das entspräche im Vergleich zu 2014 einem Minus von 4,8%.

Die vorausberechnete Entwicklung ist allerdings in den einzelnen Teilräumen unterschiedlich. In manchen Kreisen Süd- und Ostwestfalens, in denen einige strukturelle Probleme Sorgen bereiten, ist von deutlich stärkeren Rückgangsquoten auszugehen. Sie betragen laut Vorausberechnung z.B. im Kreis Höxter und im Hochsauerlandkreis -16%, im Märkischen Kreis sogar -19%. In den Zentren einer auch in absehbarer Zukunft modernen Wirtschaft und in den großen Städten sind die Rückgangsquoten dagegen deutlich moderater, teilweise kann sogar von einem Bevölkerungsanstieg ausgegangen werden. Letzteres betrifft Dortmund, Bielefeld, die Kreise Gütersloh und Paderborn sowie die Stadt Münster, die mit einem prognostizierten Bevölkerungswachstum von 16,6% bis 2040 eine Sonderstellung innerhalb von Westfalen einnimmt (Abb. 1).

Die Altersgruppe der 0 bis <19-Jährigen

In Münster lag in den letzten Jahren die Zahl der Zugezogenen deutlich über der der Fortgezogenen, im Jahr 2010 beispielsweise um 26%, wobei es sich oft um junge Menschen handelte. Ihre Kinder haben entscheidend dazu beigetragen, dass die Anzahl der Schülerinnen und Schüler an Münsters weiterführenden Schulen beispielsweise im Schuljahr 2013/14 um 11,7% höher lag als im Schuljahr 1990/91. IT.NRW beziffert daher in der Vorausberechnung bis 2040 die Wachstumsrate speziell bei den Kindern und Jugendlichen bis unter 19 Jahren für Münster mit plus 18,2%. Während in Westfalen-Lippe sonst nur für Dortmund in dieser Altersgruppe ein leichtes Plus vorausberechnet wird, werden überall sonst Negativwerte erwartet, die etwa im Hochsauerlandkreis oder im Kreis Höxter sogar mehr als -30% betragen dürften. Da dort gegenwärtig vor allem auch jüngere Menschen in nennenswerter Zahl abwandern, z.B. weil sie anderswo auf bessere Ausbildungs- oder Arbeitsmöglichkeiten hoffen, sind bei den Familiengründungen und Geburtenzahlen eher Rückgänge als Zuwächse zu erwarten, sodass der Anteil der Kinder und Jugendlichen im Jahr 2040 noch einmal deutlich niedriger sein wird als 2014.

Die großen Städte ziehen dagegen Zuwanderer an, insbesondere dann, wenn es sich um große Hochschulstandorte handelt. Daher werden sich die Anteile der Kinder und Jugendlichen z.B. in Bielefeld nur moderat verändern (Abb. 2).

Abb. 2: Anteile der >65-Jährigen 2040 und die Entwicklung der Bevölkerungsanteile der <19-Jährigen sowie der >65-Jährigen 2014–2040 (Quelle: www.it.nrw.de)

Die Altersgruppe 65+

Die Quoten der Altersgruppe derjenigen, die 65 Jahre oder älter sind, steigen dagegen überall deutlich an. Die Steigerungsraten sind dabei vor allem im Münsterland sowie in den Kreisen Gütersloh und Paderborn auffallend hoch. Im westlichen Münsterland beispielsweise, wo die Mittelstandswirtschaft floriert und die Arbeitslosenquoten niedrig sind (s. Beitrag Wittkampf), wanderten etwa seit den 1980er Jahren relativ viele Menschen zu, weil sie dort Arbeit fanden und eine neue Existenz aufbauen konnten. Allein im Zeitraum von 1988 bis 1997 erhöhte sich die Einwohnerzahl z.B. des Kreises Coesfeld um 16,4%. Zum Vergleich: Im gleichen Zeitraum waren es z.B. in Dortmund + 2,3%, in Hagen + 0,8%, im Kreis Paderborn sogar + 21,1%. Die damals Zugewanderten werden im Jahr 2040 im Rentenalter sein, daher verwundern die relativ hohen Steigerungsraten in dieser Altersgruppe im westlichen Münsterland oder im Kreis Paderborn kaum.

Im Jahr 2040 wird der Anteil der "Generation 65 +" in 16 der 27 Kreise und kreisfreien Städte in Westfalen-Lippe bei über 30% der jeweiligen Bevölkerung liegen. Der Kreis Höxter und der Hochsauerlandkreis werden dabei sogar Quoten von 35,7% bzw. 35% aufweisen. Den niedrigsten Prozentanteil hat – mit 23,1% – Münster zu erwarten (Abb. 2).

Geburten- und Sterberaten

U.a. von der gegenwärtigen und der für die nächsten Jahre zu erwartenden Altersstruktur der Bevölkerung hängt speziell auch das Verhältnis der Geburten- und Sterberaten in den einzelnen Teilräumen ab. Innerhalb von Westfalen-Lippe wird lediglich in der Stadt Münster auch im Jahr 2040 ein Überschuss der Geborenen gegenüber den Gestorbenen erwartet. In einigen Kreisen Südwestfalens sowie in den Kreisen Höxter und Recklinghausen wird dagegen 2040 die Anzahl der Geborenen deutlich unter der Zahl der Verstorbenen liegen. Ähnliches gilt auch für die Ruhrgebietsstädte Bottrop, Gelsenkirchen, Hagen und Herne. Eine ungünstige Altersstruktur ist in diesen Teilräumen als eine der wesentlichen Ursachen anzusehen.

Wanderungsgewinne und -verluste

Einen positiven Wanderungssaldo, also einen Überschuss der Zugezogenen gegenüber den Fortgezogenen, weisen bis zum Jahr 2040 sehr viele Kreise und kreisfreie Städte Westfalens auf (Abb. 1). Relativ hoch liegt dieses Plus bei den großen Zentren Dortmund und Münster, aber auch für Herne und den Kreis Gütersloh wurden deutlich positive Werte er rechnet. Dabei spielen nicht nur die großstädtischen Angebote eine Rolle, sondern auch die weitere Entwicklung der Zuziehenden aus dem Ausland. In Herne beispielsweise war 2011 die Zahl der zuwandernden Ausländer ca. doppelt so hoch wie die der zuwandernden Deutschen.

Die dortigen demographischen Herausforderungen bzw. strukturellen Probleme könnten also zu einer Vergrößerung der regionalen Disparitäten innerhalb von Westfalen-Lippe führen.

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Weiterführende Literatur/Quellen

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Erstveröffentlichung 2016