Gründerzeitküchenschränke, Gelsenkirchener Barock und moderne Designersessel: Seit 150 Jahren ist Westfalen die Möbelregion Deutschlands. Fast alle großen Hersteller von Küchen-, Schlaf- und Wohnzimmermöbeln haben hier ihren Sitz.
Die Ausstellung „In Serie – 150 Jahre Möbelindustrie in Westfalen“ erzählt am Beispiel von sechs Firmen die Geschichte der Möbelindustrie in der Region. Sie verbindet diese Geschichte mit den sich verändernden Wohnverhältnissen ihrer Kunden im Ruhrgebiet und zeigt die Verbindungen zwischen Möbeldesign und Textilmode auf.
Viele Möbelfabriken sind noch im Familienbesitz und haben sich zwischen 1890 und 1960 aus kleinen Tischlereien und Schreinereien entwickelt. Die Entstehung der Möbelindustrie in der Region von Beckum, Warendorf, Oelde, Rheda-Wiedenbrück über Enger, Spenge, Herford bis nach Lage, Lemgo und Steinheim ging einher mit dem Niedergang des vorindustriellen Leinengewerbes Mitte des 19. Jahrhunderts und dem wachsenden Bedarf an Wohnmöbeln in den Industrielandschaften des Ruhrgebiets, Berlins und Sachsens.
Die zunehmende Verstädterung und die steigenden Einkommen veränderten die Einrichtungsgewohnheiten der Menschen. Um den neuen Bedarf in den Ballungsräumen zu decken, erweiterten viele Tischlereien ihre Produktionsstätten und gingen schließlich zur Serienfertigung von Möbeln über.
In Herford liegt die Wiege der Möbel-Serienfertigung in der Region: Der erste industriell fertigende Betrieb war die 1861 gegründete Möbelfabrik Kopka. Gustav Kopka produzierte einfache Küchenschränke für Wohnküchen in den Industriezentren Deutschlands. Anfang des 20. Jahrhunderts spezialisierten sich die westfälischen Hersteller: Im Münsterland saßen die Schlaf- und Wohnzimmerhersteller.
Im Raum Enger, Spenge und Herford hatten sich die Küchenmöbelfirmen angesiedelt und in Lippe spezialisierten sich viele Betriebe schon früh auf sogenannte Wertmöbel im „altdeutschen Stil“. Die Kunden waren die Arbeiter in der aufstrebenden Industrie des Ruhrgebietes- Sie besaßen Anfang des 19. Jahrhunderts erstmals genügend Kapital, um auch in die Anschaffung von Möbeln zu investieren. Meist waren es Wohnküchenschränke, Schlafzimmermöbel und einfache Sofas, die sie von den Herstellern im übrigen Westfalen erwarben.
Das Wirtschaftswunder nach dem Zweiten Weltkrieg ließ aus den vielen mittelständischen Betrieben große Unternehmen werden: Der rasche Wiederaufbau der zerstörten Städte und der Bedarf an preiswerten Möbeln für die neu errichteten Wohnungen sorgten bis Anfang der 1970er-Jahre für einen scheinbar nicht enden wollenden wirtschaftlichen Aufschwung.
Doch die Blütephase der Möbelindustrie hielt nicht ewig an: Mitte 1970er-Jahre war der Absatzmarkt gesättigt und die Nachfrage sank. Viele namhafte Firmen sind in den letzten Jahrzehnten vom Markt verschwunden. Westfalen ist allerdings immer noch das größte Zentrum der Möbelindustrie in Deutschland. Namen wie Cor, Nobilia oder Hülsta zählen in ihren Produktionsbereichen zu den europäischen Marktführern.
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Hier geht es zu einem Hörfunkbeitrag in der WDR-Sendung Resonanzen.
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