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Stahlwerk: Einleitung des Gußvorganges: Kokillen unter dem Ausflusstrichter der Gießpfanne, ca. 1920 / Foto: ©LWL-Medienzentrum für Westfalen/001 Slg. Historische Landeskunde_1/01_3574







Christine Kersting / Angeliki Sepidou

Arbeiter


Die Folgen der ständigen Kriegssituation machten sich auf Seiten der westfälischen Bevölkerung in der Arbeiterschaft bemerkbar: Proteste und Unruhen nahmen im Laufe der ersten zwei Kriegsjahre deutlich zu. Bereits 1916 kam es zu kleineren Unruhen in Städten wie Recklinghausen, Gelsenkirchen und Dortmund. Die anfängliche Kriegseuphorie mündete nun in Desillusionierung und Ernüchterung. Die Kartoffelmissernte im Herbst 1916 und der darauffolgende sogenannte "Hungerwinter" 1916/1917 ließen eine Entspannung der Situation an der Heimatfront nicht zu. Zwei Drittel der Einwohner der deutschen Großstädte waren unmittelbar von der Lebensmittelknappheit betroffen. Mangelerscheinungen, Unternäherung und Epidemien waren die Folge dieser desolaten Lage.

Neben der eigenen misslichen Lage blieb die deutsche Bevölkerung von der russischen Februarrevolution 1917 nicht unberührt. So kam es schon im Frühjahr 1917 zu größeren Streiks, wie zum Beispiel einem Hungerstreik der Berliner Metallarbeiter in den Rüstungsfabriken.

Auch auf den Ruhrbergbau griffen diese Streiks über, wie die ausgewählten Quellen zeigen. Charakteristische Gründe für einen Protest stellten Versorgungsengpässe, Rations- sowie Lohnkürzungen und zu lange Arbeitszeiten dar. Zwar wurden Lebensmittelkarten eingeführt, die eine gerechte Rationsverteilung garantieren sollten. Doch dieses System wurde der Versorgung nicht gerecht, da nur unzureichend Lebensmittel zu Verfügung standen. Massive Beschränkungen bestimmten den Alltag an der "Heimatfront". Stundenlanges Anstehen noch vor Schichtbeginn war Teil des Alltages geworden.

Zunehmend ging es nicht nur um den unmittelbaren Zustand des Hungers, sondern auch um politische Fragen und Forderungen, die besonders von der Sozialdemokratie vertreten wurden. Da innerhalb der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) Uneinigkeit über die Haltung zum Weltkrieg bestand, spalteten sich die Unabhängige SPD (USPD) und der Spartakusbund von der Mutterpartei ab. Der marxistische Spartakusbund unter Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg ging später in der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) auf. Nach der Novemberrevolution 1918 und der Ausrufung der Weimarer Republik unter Führung der SPD kam es im Januar 1919 in Berlin zu einem Aufstand, in dessen Verlauf Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg ermordet wurden.

In der Folge kam es auch im Ruhrgebiet verstärkt zu Ausständen und gewaltsamen Unruhen wie den hier geschilderten in Buer, bei denen u.a. die Neubesetzung des Arbeiter- und Soldatenrats in der Stadt angestrebt wurde. Am 09.01.1919 regte der Essener Arbeiter- und Soldatenrat aus Vertretern der SPD, KPD und USPD die Sozialisierung des Bergbaus, d.h. die Verstaatlichung im Sinne des Sozialismus, an. Diese Forderung wurde von allen Arbeiter- und Soldatenräten des Ruhrgebiets am 13.01. beschlossen, woraufhin die Streiks im Ruhrgebiet zunächst endeten. Die Streikbewegung dauerte insgesamt noch das ganze Frühjahr hindurch an, konnte ihre Forderungen nach einer Umwälzung der Besitzverhältnisse im Bergbau aber nicht durchsetzen. Trotzdem gilt die Sozialisierungsbewegung als "Höhepunkt der politischen Geschichte der Ruhrbergleute"[1].








Der Erste Weltkrieg in Westfalen - Ausgewählte Archivquellen




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Anmerkungen
[1] Brüggemeier, Franz-Josef: Leben vor Ort. Ruhrbergleute und Ruhrbergbau 1889-1919, München 1983, S. 249f.
 
 
Literatur
  • Brüggemeier, Franz-Josef: Leben vor Ort. Ruhrbergleute und Ruhrbergbau 1889-1919, München 1983.
  • Grevelhörster, Ludger: Der Erste Weltkrieg und das Ende des Kaiserreiches. Geschichte und Wirkung, Münster 2004.
  • Oertzen, Peter von: Die großen Streiks der Ruhrbergarbeiterschaft im Frühjahr 1919. Ein Beitrag zur Diskussion über die revolutionäre Entstehungsphase der Weimarer Republik, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 6 (1958), S. 231-262.