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Bernd Hey

Der Präses

 
 
 
"Der Präses (lat.: "Vorsitzender") ist der leitende Geistliche der Evangelischen Kirche von Westfalen. Er leitet die Landessynode (die ihn auch auf acht Jahre wählt), er führt den Vorsitz in der Kirchenleitung und im Kollegium des Landeskirchenamtes. Er vertritt die westfälische Kirche innerhalb der EKD, in der Ökumene und in der Öffentlichkeit. Sein Stellvertreter ist der 'Theologische Vizepräsident'." (Website EKVW)

Mit dem Bischofsgesetz hob die Generalsynode der altpreußischen Landeskirche im September 1933 das Amt der Generalsuperintendenten auf und ersetzte sie durch Bischöfe. Das schien zunächst nicht weiter umstürzend, war doch der Bischofstitel immer wieder für die Generalsuperintendenten im Gespräch gewesen. Der Streit entzündete sich mehr an den Personen und Aktivitäten der neubestimmten Bischöfe, vor allem in Rheinland und Westfalen, die aber auch grundsätzlich gegen die Einführung des Bischofsamtes protestierten. Folgerichtig versuchte die Mehrheit der Bekennenden Kirche (BK) in der westfälischen Provinzialsynode vom Dezember 1933 nun den von ihr gewählten Präses an die Spitze der Provinzialkirchenregierung zu setzen, scheiterte aber an der Verweigerung der deutschchristlichen (DC) Mitglieder. Zwar konnte sich 1934 kurzfristig der westfälische DC-Bischof Adler mit dem von ihm ernannten neuen Provinzialkirchenrat an die Macht bringen, doch mit der Rücknah ne der, unrechtmäßigen und kirchenordnungswidrigen Verordnungen des Reichsbischofs; auf die er sich gestützt hatte, brach sein Regime schon im November 1934 wieder zusammen. Präses Karl Koch, der Führer der westfälischen BK, übernahm wieder mit dem alten Provinzialkirchenrat die Führung der Kirchenprovinz, restituierte aber nun nicht mehr den Generalsuperintendenten, sondern übernahm 1936 auch dessen Funktion der geistlichen Leitung für die bekenntnisgebundenen und "neutralen" Pfarrer und Gemeinden in Westfalen. Sein Partner und Kontrahent in der nun gleichsam gedoppelten Geistlichen Leitung war für die DC der Münsteraner Pfarrer Walter Fiebig. Daneben behauptete das Konsistorium unter seinem Präsidenten Dr. Thümmel eine ernstzunehmende starke Position. Der 1933 entmachtete Generalsuperintendent Weirich verblieb trotz Protestes im zwangsweisen Ruhestand.

Der Zusammenbruch des NS-Staates gab 1945 dem Präses die Möglichkeit, sein Amt zu dem die Neuordnung bestimmenden zu machen. Das Konsistorium erkannte ihn als Inhaber des einzigen noch verfassungs- und kirchenordnungsmäßigen leitenden Amtes an, Koch bildete eine erste provisorische Kirchenleitung und unterstellte sich das Konsistorium (24. April und 13. Juni 1945). Gleichzeitig lösten sich Westfalen und Rheinland aus dem alten Verband der EKdAPU und machten sich zu selbständigen Landeskirchen, die schon auf der Konferenz in Treysa Ende August 1945 praktisch anerkannt wurden. Die ersten Provinzialsynoden nach dem Krieg im Juli und Oktober 1946 bestätigten diesen zwar nicht unumstrittenen, aber auch vom Bruderrat der westfälischen BK mitgetragenen Kurs. Das Kirchengesetz über die Leitung der Ev. Kirche von Westfalen vom 24. Juli/24. Oktober 1946 beschrieb die Aufgaben von Kirchenleitung und Landeskirchenamt, die nun an die Stelle von Provinzialkirchenrat und Konsistorium traten, und bestellte den Präses der Synode zum Vorsitzenden der Kirchenleitung und [S. 9] des Landeskirchenamtes. Es übertrug ihm zugleich die Rechte und Aufgaben des bisherigen Generalsuperintendenten; der letzte Inhaber dieses Amtes, Weirich, erhielt das Amt eines Archidiakonus. Präses Koch besaß ab 1947 dessen Amtskreuz, das vorher auch Bischof Adler getragen hatte. Die erste westfälische Landessynode vom November 1948 regelte umfassend Stellung und Befugnisse von Landessynode, Kirchenleitung und Landeskirchenamt, an deren Spitze jeweils der Präses stand, änderte aber ebenso wie die erst am 1. Dezember 1953 beschlossene neue Kirchenordnung nichts Grundsätzliches mehr: Die neue Landeskirche behielt die einheitliche Spitze im Präsesamt, erst im Amt des juristischen Vizepräsidenten lebte das des alten Konsistorialpräsidenten - wenn auch in veränderter Form - wieder auf. Der letzte Konsistorialpräsident Dr. Thümmel wurde denn auch der erste juristische Vizepräsident.

Auszug aus der Einleitung von Bernd Hey in:  "Drei Kutscher auf einem Bock", Bielefeld 1996, S. 8f.