AMT / FUNKTION

GEBIETMünster, Regierungsbezirk
AMT / FUNKTIONRegierungspräsident/in (RP)


REIHENFOLGE1    Nachfolger/in >
ANTRITT1803-12-01
ENDE1804-10-27
NAME  Stein, vom und zum | Karl


GEBURT DATUM1757-10-25
GEBURT ORTNassau a. d. Lahn
TOD DATUM1831-06-29
TOD ORTCappenberg, Schloss [Selm-Cappenberg]


BIOGRAFIE
Der dritte Sohn eines kurmainzischen Höflings und Geheimrates studierte 1773-1777 in der damaligen Elite-Universität Göttingen Rechts- und Staatswissenschaften und absolvierte dann ein Praktikum am Reichskammergericht zu Wetzlar. Nach längerer Bildungsreise folgte gegen die Familientradition 1780 der Eintritt in den preußischen Staatsdienst, wo Stein unter Protektion durch seinen Verwandten, den Minister Heinitz, eine Fachausbildung in der Bergverwaltung erhielt. 1782 Oberbergrat, wurde er 1784 als Chef des Bergamtes zuständig für die technische Entwicklung des Ruhrbergbaus; eine Studienreise nach England 1787 blieb ohne den gewünschten Erfolg, da er als Industriespion verschrien, keine Baupläne für Dampfmaschinen mitbrachte. Als tüchtiger Beamter 1793 Kammerdirektor in Hamm und Kleve, wurde er ebendort 1795 Kammerpräsident und 1796 als Oberkammerpräsident Chef der Verwaltung in den preußischen Westprovinzen, wo er sein erfolgreiche Politik der Wirtschaftsförderung fortsetzte: mit dem Chausseenbau, der Reform der indirekten Steuern u.a.

1802-1804 Chef der Kriegs- und Domänenkammer Münster, betrieb er die Integration der 1802 preußisch gewordenen früheren Fürstbistümer Münster und Paderborn sowie der Abteien Essen, Elten und Werden. Dagegen legte er Anfang 1804 Protest gegen die Mediatisierung seiner reichsritterschaftlichen Besitzungen durch den Herzog von Nassau ein: der preußische Beamte erwies sich schon hier als ein Reichspatriot, der gegen die deutschen Klein- und Mittelstaaten für den Reichsadel mehr von Österreich und Preußen erhoffte, die allein die Nation gegen das napoleonischen Frankreich zu schützen vermochten. Im November 1804 als Finanzminister nach Berlin berufen, wo er die Aufhebung der Binnenzölle und vorsichtige Steuerreformen betrieb und erstmals Papiergeld in Preußen ("Tresorscheine“) einführte. Anfang 1807 entlassen wegen seiner Weigerung, ohne eine Strukturveränderung der Regierung weitere Aufgaben zu übernehmen.

Im Frühjahr 1807 verfaßte er für einen Schwager des Königs Friedrich Wilhelm III. die "Nassauer Denkschrift“ zur Reform Preußens, daraufhin im Oktober 1807 Wiedereintritt in die preußische Regierung als leitender Minister. Er begann weitreichende Reformen, um die Regierung in Berlin durch die Bildung von fünf Fachministerien (Ressortprinzip statt des gemischten Fach- und Territorialprinzips) zu vereinheitlichen und um die bisher als Untertanen behandelten Einwohner als Staatsbürger in die Staatsverwaltung einzubinden und zu höheren Lasten (u.a. Wehrpflicht) zu ermutigen: die Bauernbefreiung auf den Adelsgütern und die Aufhebung von Einschränkungen beim Verkauf von Grund und Boden machte diesen zur Ware, die Städteordnung etablierte eine kommunale Selbstverwaltung, die es im damaligen Preußen so gut wie nicht gab. Durch Mobilisierung staatsbürgerlichen Gemeinsinns - zunächst auf kommunaler Ebene - sollte ein Wiedererstarken des Staates ermöglicht werden.

Als Gegner Napoleons im November 1808 auf französischen Druck hin entlassen und von Napoleon geächtet; floh er nach Österreich. 1812 trat er in russische Dienste als Berater des Zaren und organisierte den Widerstand gegen die in Rußland einmarschierten Franzosen. 1813 wurde er einer der Initiatoren und Vorkämpfer des Befreiungskrieges gegen Napoleon und wirkte als Chef der provisorischen Verwaltung in den von den Franzosen zurückeroberten deutschen Rheinbundstaaten. 1814/1815 Teilnahme am Wiener Kongreß als Berater des Zaren, ohne daß sich seine Ideen zur Gründung eines deutschen Nationalstaates verwirklichen ließen.

Daher kehrte Stein 1815 ins Privatleben zurück; 1816 erwarb er die Domäne Cappenberg in der Provinz Westfalen im Tausch gegen sein Gut Birnbaum in der Provinz Posen. Beratende Tätigkeit bei der Einführung der provinzialständischen Verfassung, auf den ersten drei Landtagen 1826, 1828 und 1830 Landtagsmarschall (Vorsitzender der Provinzialstände). Daneben Engagement für die Erforschung der Geschichte des deutschen Mittelalters, 1819 in Frankfurt Gründung der "Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde“, die seit 1826 das monumentale Quellenwerk "Monumenta Germaniae historica“ herausgibt.

Geprägt von hohen religiösen und moralischen Idealen, dem ethisch-sittlichen Pflicht- und Freiheitsbegriff des Philosophen Kant und der Nationalökonomie des Adam Smith, war sein politisches Denken bestimmt von dem Geschichts- und Nationalbewußtsein eines Reichsritters, von Montesquieus Staatslehre sowie von den Erfahrungen landständischer Beteiligungsrechte in den preußischen Westprovinzen und britischem "self-government“. Stein, zugleich Modernisierer und Konservativer, verkörpert wie kaum ein anderer Politiker seiner Zeit die Ambivalenz der Modernisierungsprozesse um 1800.


Literatur

G. Dethlefs, Der Freiherr vom Stein und Cappenberg, Münster 2001; Gerhard Ritter, Freiherr vom Stein. Eine politische Biographie, 3. Aufl. Stuttgart 1981; Hanns Hubert Hofmann in: Bosl / Franz / Hofmann, Biographisches Wörterbuch zur deutschen Geschichte, Bd. 3, Augsburg 1995, Sp. 2754-2760.

Gerd Dethlefs
AUFNAHMEDATUM2004-10-05


DATUM AUFNAHME2003-10-10
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