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Statue eines Ritters im Paradies (Vorhalle) des St. Paulus-Doms zu Münster, z. T. als Darstellung des Gottfried von Cappenberg interpretiert, um 1230/1240 / Foto: Jutta Brüdern, Braunschweig









Wolfgang Bockhorst

2. Februar 1121 -
Münster brennt!
Der Brand des Paulusdoms 1121 und die Gründung des Stifts Cappenberg

Am 02.02.1121 brannte der Paulus-Dom in Münster vollständig aus und wurde weitgehend zerstört. Die gesamte umliegende befestigte Siedlung bis auf die St. Lambertikirche wurde ebenfalls ein Raub der Flammen. Die Kölner Königschronik schreibt hierzu: "Herzog Lothar und Graf Hermann von Winzenburg kamen in großer Zahl und stark bewaffnet nach Münster, um Bischof Dietrich wieder einzusetzen. Bei dieser Wiedereinsetzung ging durch mangelnde Vorsicht der herrlich erbaute Dom des hl. Paulus mit beinahe der ganzen Burg dort in Flammen auf. Der genannte Herzog führte fast alle Verteidiger der Burg, Edle und Ministeriale, als Gefangene fort.“ In einem etwas späteren Zusatz zu dieser Chronik werden auf Seiten des Herzogs Lothar auch die Grafen Gottfried und Otto von Cappenberg genannt.
 
 

Hintergründe des Konflikts

Will man diesen Vorgang verstehen, muss man tiefer in die Geschichte des Deutschen Reichs und Sachsens eindringen, denn letztlich geht es hier um eine Auseinandersetzung zwischen dem deutschen Kaiser, damals Heinrich V., und dem sächsischen Herzog Lothar von Süpplingenburg vor dem Hintergrund des Investiturstreits zwischen Kaiser und Papst.

1106 war Lothar nach dem Aussterben der Herzöge aus dem Haus der Billunger von Heinrich V. zum Herzog von Sachsen erhoben worden. Damit verbunden war die Erwartung des Königs, die Querelen, die seit Jahrzehnten zwischen den Sachsen und dem Königtum schwelten, aus der Welt zu schaffen. Das Gegenteil war jedoch der Fall. Der neue Herzog benutzte vielmehr die alten Gegensätze, um sich den nötigen Anhang und mehr Handlungsspielraum gegenüber dem König zu verschaffen. Hinzu traten die Streitigkeiten zwischen Papst und Kaiser um die Investitur der Bischöfe, die ja einerseits kirchliche Würdenträger, andererseits weltliche Fürsten waren. Seit 1112 war Heinrich V. im päpstlichen Bann, der seine Stellung im Reich unsicher machte und seinen Gegnern eine Legitimation zum feindlichen Handeln gab.

Die andauernden Auseinandersetzungen zwischen Heinrich V. und den Sachsen eskalierten in der Schlacht am Welfesholz bei Mansfeld am 11.02.1115, in der die Sachsen die Truppen des Kaisers vernichtend schlugen. Insbesondere im östlichen Sachsen hatte Heinrich V. nun jeglichen Einfluss verloren. Herzog Lothar regierte hier unangefochten und versuchte nun auch die Westfalen, die teilweise eigene Positionen in diesem Streit einnahmen, stärker in sein sächsisches Herzogtum einzubinden.

Als 1118 Bischof Burchard von Münster auf der Rückreise von Konstantinopel, wohin er als kaiserlicher Gesandter gezogen war, verstarb, vermochte es Herzog Lothar als seinen Nachfolger bei der Wahl seinen nahen Verwandten Dietrich von Winzenburg durchzusetzen. Dietrich war zu dieser Zeit ein erklärter Feind des gebannten Kaisers und trat hierdurch auch in Gegensatz zum Adel des Münsterlandes, der eher zum Kaiser hielt. Dies wurde zu Weihnachten 1119 deutlich, als die Münsteraner Heinrich V. in ihre Mauern einließen, während ihr Bischof zu seinen Verwandten ins östliche Sachsen fliehen musste.
 
 
 
 
 
 

Der Brand des münsterschen Doms

Diesen erfolgreichen Versuch des Kaisers, seinen Einfluss in Westfalen zu verstärken, konnte und mochte Herzog Lothar nicht hinnehmen, zumal mit Bischof Dietrich ein Vetter von ihm aus Münster vertrieben worden war. Mit einem starken Heer zog er im Winter 1120/1121 nach Westfalen, wo am 02.02.1121 die um den Dom zu Münster errichtete befestigte Siedlung eingenommen wurde. Ob Dom und Siedlung infolge der kriegerischen Handlungen in Flammen aufgingen oder, wie die Quelle meint, durch Unachtsamkeit, lässt sich nicht mehr eindeutig entscheiden. Einerseits ist mit wohl erheblicher Widerstand durch die Bewohner der Siedlung, Adelige und Ministerialen, geleistet worden, die ja auch vom Herzog Lothar als Gefangene abgeführt wurden, andererseits können gerade im Winter leicht Feuersbrünste mit teilweise verheerenden Folgen ausbrechen.

Dass aber der Brand des Doms nicht beabsichtigt war, ja die Angreifer deswegen sogar ernstlich betroffen waren, zeigen die Stiftungen, die sie für die Wiederherstellung und Einrichtung des Gotteshauses machten. Schließlich gehörte die Zerstörung von Kirchen zu den Kapitalverbrechen.

Bei dem Dom handelte es sich um den gerade erst 1090 unter Bischof Erpho geweihten Bau, der durch seine Maße, die in der Breite dem heutigen Dom entsprachen, und Ausstattung die Zeitgenossen beeindruckt haben muss. In ganz Westfalen gab es zu dieser Zeit keinen größeren und prächtigeren Bau.

Nachdem Münster eingenommen und Bischof Dietrich wieder als Bischof eingesetzt worden war, zog der Herzog mit seinen Mannen weiter nach Dülmen, wo die Besatzung der dortigen Burg zur Übergabe gezwungen wurde. Damit war ein weiteres Widerstandsnest beseitigt und der Bischof fest installiert. In der Folgezeit hat der Bischof aber doch Fühlung mit Kaiser Heinrich V. aufgenommen und ist etwa ein Jahr später bei ihm in Aachen gewesen, wo ein Ausgleich hergestellt werden konnte.
 
 
 

Folgen

 
 
 
Die wichtigen Folgen des Ereignisses vom 02.02.1121 vollzogen sich aber nicht auf der Reichsebene, sondern im Süden des Münsterlandes in Cappenberg.

Nach der Kölner Königschronik waren an der Eroberung von Münster 1121 im Gefolge Herzog Lothars von Sachsen auch die Grafen Gottfried und Otto von Cappenberg beteiligt, die zu dieser Zeit noch sehr jung gewesen sein müssen. Der Brand des Doms muss zumindest den Grafen Gottfried tief getroffen, ja verstört haben und als ein persönlich frommer Mensch, der Schuld auf sich geladen hatte, hat er aus dieser Katastrophe folgenschwere Konsequenzen gezogen, wie die Kölner Königschronik in einem Zusatz vermerkt. "Darauf haben die Grafen von Cappenberg, die als die Urheber dieser Untat galten, von Reue ergriffen dem weltlichen Leben entsagt, die Burg Cappenberg in ein Kloster umgewandelt und dem heiligen Apostel Paulus 105 reich begüterte Ministerialen geschenkt.“

Gottfried, der wenige Jahre zuvor Jutta von Arnsberg, die Erbtochter des Grafen Friedrich von Arnsberg, geheiratet hatte und im Besitz des Arnsberger Erbes der mächtigste Graf in Westfalen gewesen wäre, trennte sich von seiner Frau, wandelte im Frühjahr 1122 seine Burg Cappenberg in ein Kloster des gerade neu gegründeten Prämonstratenserordens um und trat mit seinem Bruder Otto in dieses neue Kloster ein. Er verließ das Leben eines mächtigen Adeligen und verzichtete auf allen seinen Besitz, der die Grundlage der Klöster Cappenberg, Varlar, Ilbenstadt in der Wetterau und Oberndorf bei Wesel bildete. Seine Dienstmannschaft übergab er als Entschädigung dem heiligen Paulus, d. h. dem Dom zu Münster als der Hauptkirche des Bistums.
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Statue eines Ritters im Paradies (Vorhalle) des St. Paulus-Doms zu Münster, z. T. als Darstellung des Gottfried von Cappenberg interpretiert, um 1230/1240
 
 
Noch 1122 nahm Gottfried Verhandlungen mit Kaiser Heinrich V. auf, um von ihm seine Stiftung Cappenberg bestätigen zu lassen. Dieser, der zur gleichen Zeit im Wormser Konkordat den Investiturstreit mit dem Papst durch einen Kompromiss beilegen konnte, vermochte sich einem so frommen Anliegen nicht verschließen und stellte Anfang 1123 eine Urkunde aus, in der er das Kloster Cappenberg in seinen Schutz nahm. In dieser Urkunde wird nun auch von einem Majestätsverbrechen gesprochen, das der Kaiser den Cappenberger Grafen verzeiht. Leider wird nicht gesagt, um was für ein Verbrechen es sich handelte. Die Vermutung, dass es um die Erhebung gegen den Kaiser und konkret um den Brand des Domes und die Zerstörung von Münster ging, hat aber einiges für sich.

Der Eintritt der Grafen von Cappenberg in das von ihnen gegründete Kloster Cappenberg hinterließ im Münsterland eine Machtlücke, in die der Bischof auch dank der von den Cappenbergern übernommenen Ministerialen einrücken konnte. Im beginnenden Ringen um die Bildung eines Territoriums im Münsterland war ein wichtiger Konkurrent ausgefallen. Die Machtposition des Bischofs schob sich nun im Süden bis zur Lippe vor.

Neben der Gründung des Klosters Cappenberg hat der Brand von 1121 für die landesgeschichtliche Forschung des Münsterlandes noch eine höchst unerfreuliche Konsequenz erbracht, müssen wir doch davon ausgehen, dass infolge der Zerstörung von Dom und Domburg die ältere schriftliche Überlieferung der Bischöfe und des Bistums verloren gegangen ist. Viele Fragen, die wir zur Frühgeschichte des Bistums haben, lassen sich nicht mehr lösen, da die Urkunden, die darüber Auskunft geben könnten, 1121 untergingen.

Der Dom selbst, der ausgebrannt, aber nicht ganz zerstört worden war, ist von Bischof Egbert (1127-1132) wiederhergestellt worden. Von ihm berichtet die münstersche Bischofschronik, dass er das Bleidach erneuert habe und auch die Glasfenster wieder habe einsetzen lassen. Reste dieses Domes, der ein Jahrhundert später durch den jetzigen Bau ersetzt wurde, sind bei archäologischen Ausgrabungen entdeckt worden.
 
 
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Literatur
  • W. Bockhorst, Die Grafen von Cappenberg und die Anfänge des Stifts Cappenberg, in: Studien zum Prämonstratenserorden, hg. v. I. Crusius und H. Flachenecker, Göttingen 2003, S. 57-74.
  • Chronica regia Coloniensis, hg. v. G. Waitz, Hannover 1880.
  • W. Kohl, Das Bistum Münster 7,3. Die Diözese, Berlin 2003 (Germania Sacra N. F. 37,3) (hier S. 156-190 über die Bischöfe Burchard und Dietrich).
  • U. Lobbedey/H. Scholz/S. Vestring-Buchholz, Der Dom zu Münster 793-1945-1993, Bd. 1 Der Bau, Bonn 1993.
  • H.-J. Weiers, Studien zur Geschichte des Bistums Münster im Mittelalter, Köln 1984.
 
 


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