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Presse-Infos | Kultur

Mitteilung vom 07.12.17

LWL-Archäologen forschen erstmals im Kriegsgefangenenlager Stalag 326 in Schloß Holte-Stukenbrock

Gütersloh (lwl). Wegen Bauarbeiten haben Archäologen in Schloß Holte-Stukenbrock (Kreis Gütersloh) zum ersten Mal das ehemalige Kriegsgefangenenlager Stalag 326 aus dem Zweiten Weltkrieg untersucht. Dabei stießen sie auf Funde, die von der bewegten Geschichte des Ortes zeugen, wie der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) berichtet.

Als die Ausgräber den Oberboden vorsichtig abgetragen hatten, fanden sie zwei zunächst unscheinbar aussehende Objekte: eine Bierflasche und einen Teelöffel. Anhand der Aufschrift auf der Glasflasche ließ sich der ursprüngliche Inhalt eindeutig identifizieren: Es handelte sich um das in Frankreich damals sehr beliebte Bier der Marke "La Meuse". "Die Bierflasche zeugt von der ungleichen Behandlung der Kriegsgefangenen und zeigt, dass die im Nationalsozialismus vorherrschende Rassenideologie auch im Kriegsgefangenenlager fortgeführt wurde", erklärt LWL-Archäologe Dr. Sven Spiong.

Die archäologische Untersuchung liegt genau in dem Bereich, wo 110 französische Kriegsgefangene ab 1941 untergebracht waren. In einem speziell eingerichteten Lager gab es einen Theatersaal, eine Kapelle, eine Bücherei und eine eigene Krankenbaracke mit französischen Ärzten. "Anhand der archäologischen Funde zeigt sich jetzt, dass sich die französischen Kriegsgefangenen sogar heimisches Bier beschaffen konnten", so Spiong, Leiter der Außenstelle Bielefeld der LWL-Archäologie für Westfalen.

Ganz anders erging es den über überwiegend russischen Kriegsgefangenen, die zur selben Zeit im Lager lebten: Sie fristeten ihr Dasein unter menschenunwürdigen Bedingungen. Unter dem Oberkommando der Wehrmacht starb ein Großteil von ihnen an Hunger und Erschöpfung. Die Zahl der Opfer wird auf bis zu 65.000 geschätzt.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs zog das evangelische Johanneswerk in das ehemalige Kriegsgefangenenlager ein. Bis 1970 beherbergte es Flüchtlinge und Vertriebene. "Der Fund eines Löffels mit der Aufschrift "Johanneswerk" zeigt, dass die Flüchtlinge dort, nachdem sie alles verloren hatten, mit dem Nötigsten versorgt wurden", erklärt Spiong. "Der Löffel steht quasi für die enorme Herausforderung bei der Integration der Flüchtlinge aus dem Osten im anfangs so schwachen Nachkriegsdeutschland." Heute befindet sich im ehemaligen Kriegsgefangenenlager die gleichnamige Dokumentationsstätte.

Für Grabungsleiter Eberhardt Kettlitz steht fest: "Wo auch immer im ehemaligen Kriegsgefangenenlager heute der Spaten oder die Baggerschaufel in den Boden eingreift, sind Funde zu erwarten, die vom Alltag und Leid der Vergangenheit zeugen." Daher sind im Zuge weiterer Baumaßnahmen archäologische Untersuchungen geplant.

Pressekontakt:
Frank Tafertshofer, LWL-Pressestelle, Telefon: 0251 591-235 und Nils Wolpert, LWL-Archäologie für Westfalen, Telefon: 0251 591-8901
presse@lwl.org



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Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen sowie zwei Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.



Foto zur Mitteilung
LWL-Archäologen stießen bei Untersuchungen im Kriegsgefangenenlager u.a. auf diesen Fund: Löffel vom Johanneswerk.
Foto: Goldschmidt Archäologie und Denkmalpflege/ E. Kettlitz

Foto zur Mitteilung
Weiteres Fund-Highlight: Bierflasche der Marke "La Meuse" aus dem französischen Teil des Kriegsgefangenenlagers.
Foto: Goldschmidt Archäologie und Denkmalpflege/ E. Kettlitz


Die gezeigten Fotos stehen im Presseforum des Landschaftsverbandes zum Download bereit.



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