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Presse-Infos | Kultur

Mitteilung vom 25.07.12

LWL-Stadtarchäologen sichern in der ersten Marktsiedlung 2000 Jahre Geschichte

Paderborn (lwl). Es ist nicht einfach nur eine Baustelle, die an der Westernstraße 15 den Paderborner Boden öffnet. Hier bietet sich insbesondere für die LWL-Archäologen der Stadtarchäologie Paderborn aktuell ein Blick in mehr als 2000 Jahre Stadtgeschichte. Vor ihnen liegt im wahrsten Sinne ein Schaufenster auf die erste Paderborner Marktsiedlung ¿ und ein wichtiges Puzzlestück für die Stadtforschung. Hier können auch alle historisch interessierten Besucher Einblick in gleich mehrere Kapitel der eigenen Stadtgeschichte nehmen ¿ bei kostenlosen öffentlichen Führungen mit den Wissenschaftlern.

In den untersten Bodenschichten der Baustelle, wo ein Geschäftshaus entstehen soll, sind die Archäologen auf die Spuren der ersten Siedler im späteren Paderborner Stadtgebiet gestoßen. ¿Wir konnten die Überreste einer über 2000 Jahre alten Siedlung dokumentieren und sichern¿, beschreibt Dr. Sven Spiong, Stadtarchäologe beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) die überraschenden archäologischen Einblicke. ¿Die Bauern dieser Siedlung nutzten einst die fruchtbaren Böden am Hang zur Paderquelle, um hier Getreide und andere Feldfrüchte anzubauen.¿

Mehrere Jahrhunderte lang blieben die Menschen dieser Stelle anschließend fern. Spätestens um 1000 n. Chr. kehrten jedoch die Siedler zurück. Denn inzwischen hatte sich seit der Zeit Karls des Großen westlich der ehemaligen Domburg eine Marktsiedlung gebildet. Solche Marktsiedlungen entwickelten sich seit der Zeit um 800 in den norddeutschen Bischofsstädten. Die ehemalige Marktkirche St. Pankratius auf dem heutigen Marienplatz war bis zu ihrem Abriss 1784 noch der Mittelpunkt dieser Siedlung, die in der Mitte des 12. Jahrhundert in das neue Stadtgebiet einbezogen wurde.

Die Spuren dieser frühesten Stadtbildungsphase beeindrucken auch die Fachleute. So ist Grabungsleiterin Eva Manz besonders fasziniert von den bis zu einen Meter mächtigen mittelalterlichen Fundamenten eines Steingebäudes aus der Frühzeit der Stadt im späten 12. und 13. Jahrhundert. ¿Zu dieser Zeit gab es bereits die Stadtmauer und das Stadtgebiet war in Grundstücke eingeteilt, deren Grenzen zum Teil bis heute überdauert haben¿, erklärt sie die Fundsituation. ¿Mit den mächtigen Mauern und dem imposanten Bauwerk haben die Eigentümer dieses Hauses gezeigt, dass sie ihr Gewerbe im Marktviertel verstanden und erfolgreich wirtschafteten¿, so die Archäologin weiter.

Das Grundstück, das vom Grabungsteam um Eva Manz jetzt untersucht wird, war schon damals über eine kleine Seitengasse südlich der Westernstraße zu erreichen. Zunächst stand hier ein unterkellertes Fachwerkhaus, das noch im 12. Jahrhundert einem prächtigeren Neubau weichen musste. Neben diesem Haus errichteten die Eigentümer im 13. Jahrhundert mindestens zwei teilweise unterkellerte Nebengebäude als Ställe oder Schuppen. Außerdem legten die Archäologen Fundamente von mindestens drei Öfen frei, die für gewerbliche Zwecke genutzt wurden. Ein Brunnen sorgte dafür, dass die Bewohner damals mit dem täglich benötigten frischen Trinkwasser versorgt waren.

Bis zum 4. August untersucht das neunköpfige Grabungsteam noch das 400 Quadratmeter große Areal. Es wird dabei vom künftigen Nutzer, der Firma Vockeroth GmbH, finanziell unterstützt. Nach Abschluss der archäologischen Untersuchungen entsteht schließlich das Geschäftshaus, das sich damit in eine jahrhundertealte Bau- und Geschäftstradition an dieser Stelle einreiht.

Wer sich über die ersten Grabungsergebnisse aus erster Hand informieren und die Stadtgeschichte selbst in Augenschein nehmen will, kann das am 26. Juli und am 1. August tun. Dann lädt die Stadtarchäologie Paderborn jeweils um 18 Uhr zu kostenlosen öffentlichen Führungen über die Ausgrabung ein. Treffpunkt ist die Seitengasse zwischen der Westernstraße 7 und 13.

Pressekontakt:
Markus Fischer, LWL-Pressestelle, Telefon: 0251 591-235 und Katja Burgemeister, LWL-Archäologie für Westfalen, Telefon: 0251 591-8921.
presse@lwl.org



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Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen sowie zwei Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.



Foto zur Mitteilung
Eindrucksvoll sind die baulichen Spuren aus der Paderborner Marktsiedlung mit den Grundmauern des mächtigen Steingebäudes sowie einem Ofenfundament und einem Brunnen im Vorderrund. Im Hintergrund ist ein vollständig erhaltener feuerfester Speicher aus dem Mittelalter zu sehen.
Foto. LWL/Spiong


Foto zur Mitteilung
Grabungsleiterin Eva Manz zeigt die Spuren einer mittelalterlichen Latrine, die im Bodenprofil unter einem heute noch genutzen Haus an der Westernstraße zu sehen sind - das Gebäude war früher ein feuerfester Speicher.
Foto: LWL/Burgemeister


Foto zur Mitteilung
Kleine aber feine Funde konnten die Archäologen bisher auch von den ersten Paderbornern sichern, die vor rund 2000 Jahren auf der Fläche der späteren Marktsiedlung lebten. Stadtarchäologe Dr. Sven Spiong präsentiert Spinnwirtel und Keramikscherben dort, wo sie gefunden wurden und immer noch ausgegraben wird.
Foto: LWL/Burgemeister


Foto zur Mitteilung
Dr. Sven Spiong präsentiert einen Spinnwirtel, mit dem die ersten Bewohner der späteren Marktsiedlung vor vielen hundert Jahren gesponnen haben.
Foto: LWL/Burgemeister



Die gezeigten Fotos stehen im Presseforum des Landschaftsverbandes zum Download bereit.



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