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Presse-Infos | Kultur

Mitteilung vom 26.04.12

Zwischen Zeche und Zwangsarbeit
Exponatgespräch mit Ansichtskarten im LWL-Industriemuseum Zeche Zollern

Dortmund (lwl). ¿Zwischen Zeche und Zwangsarbeit¿ heißt ein Exponatgespräch, zu dem der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) am Samstag, 28. April, um 15 Uhr in sein Dortmunder Industriemuseum Zeche Zollern einlädt. Dr. Thomas Parent, stellvertretender Direktor des LWL-Industriemuseums, stellt interessierten Besuchern besondere historische Ansichtskarten vor. Das rund einstündige Gespräch in der Reihe ¿Museumswissenschaftler präsentieren unbekannte Dinge der Alltagskultur¿ findet in der Waschkaue der Zeche statt.

Zechenkarten sind bei Sammlern hochbegehrt. ¿Sie sind deutlich seltener als zum Beispiel Ansichtskarten von der Villa Hügel oder vom Kaiserdenkmal auf der Hohensyburg¿, weiß Parent, der die Spezialsammlung des LWL-Industriemuseums aufgebaut hat und betreut. Das LWL-Industriemuseum besitzt inzwischen rund 40.000 historische Postkarten, darunter 2000 Zechenkarten.

Parent zeigt zum Beispiel Bildkarten der Musterzechen Scharnhorst (Dortmund), Waltrop und Jacobi (Oberhausen). Letztere wurde zeitweilig als das ¿Versailles des Ruhrgebiets¿ gefeiert. Auf einer Bildkarte aus Hamm bildet die Zeche Radbod den Hintergrund für den Trauerzug zur Beerdigung von Opfern einer Schlagwetter-Katastrophe. Eine Duisburger Karte von ca. 1910 zeigt, wie halbwüchsige Jungen vor dem Zechenpanorama von ¿Deutscher Kaiser¿ Fußball spielen - eine sehr frühe Bilddarstellung des heute so populären Reviersports.

Neu in der Sammlung sind auch mehre Karten der Zeche Zollern I/III in Dortmund-Kirchlinde. Sie dokumentieren eindrucksvoll, wie radikal dieses Bergwerk um 1910 modernisiert wurde. Zwei Post-karten der Zeche Zollern II/IV rücken den Ehrenhof in den Blickpunkt. Von der Jugendstil-Maschinenhalle gibt es hingegen keine historische Ansichtskarte. ¿Sie war von der Straße aus nicht zu sehen, weil andere Zechenbauten sie verdeckten. Also war sie als Kartenmotiv offenbar nicht interessant¿, erklärt der Historiker.

Ein zweiter Schwerpunkt des Gesprächs ist das Thema ¿Zwangsarbeit¿ und nimmt dabei Bezug auf die internationale Wanderausstelllung, die aktuell im LWL-Industriemuseum gezeigt wird. Aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs gibt es zu diesem Thema keine Postkarten, wohl aber aus dem Ersten Weltkrieg. Das LWL-Industriemuseum besitzt mehr als 50 Karten aus einem Kriegsgefangenlager in Münster. Abgebildet sind nicht nur die Wohnbaracken und der Appellplatz, sondern auch Internierte beim Fußballspiel, beim Kartenspiel oder beim Gottesdienst in der katholischen Lager-Kapelle. Parent: ¿Solche Karten sollten offenbar eine gute Behandlung der Gefangenen propagandistisch unterstreichen.¿ Die Münsteraner Kartenserie von 1916 zeigt auch Gefangenen-Porträts der unterschiedlichsten Nationalität: neben Franzosen, Engländern und Belgiern vor allem Algerier, Schwarzafrikaner und Inder. ¿Die Europäischen Großmächte rekrutierten damals auch in ihren außereuropäischen Kolonien. Auf den nordfranzösischen Schlachtfeldern kamen viele dieser Soldaten zu Tode oder gerieten in deutsche Gefangenschaft¿, erklärt der Wissenschaftler.

Schon im Ersten Weltkrieg wurden viele Kriegsgefangene zur Zwangsarbeit verpflichtet. Auch Zechengesellschaften aus dem Ruhrgebiet forderten in Münster entsprechende Kontingente an. Eine Ansichtskarte aus Hervest-Dorsten zeigt Zwangsarbeiter vor dem Zechenpanorama von Fürst Leopold. Karten aus Essen-Katernberg, Bochum-Weitmar und Hamm bilden die Wachtmannschaften von lokalen Zwangsarbeiterlagern ab. Beim Bochumer Wachtkommando der Zeche General haben die Soldaten auch ihre Frauen und Kinder mit aufs Foto genommen. Nach den Worten Parents handelte sich dabei offenbar um frontuntaugliche Invalide, die in der Nähe des Bergwerks wohnten.

Das Expertengespräch über historische Ansichtskarten beginnt um 15 Uhr. Besucher zahlen lediglich den Museumseintritt (Erwachsene 5 Euro), der auch zum Eintritt in die Sonderausstellung ¿Zwangsarbeit. Die Deutschen, die Zwangsarbeiter und der Krieg¿ berechtigt.

Pressekontakt:
Markus Fischer, LWL-Pressestelle, Telefon: 0251 591-235 und Christiane Spänhoff, LWL-Industriemuseum, Telefon: 0231 6961-127
presse@lwl.org



Der LWL im Überblick:
Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen sowie zwei Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.



Foto zur Mitteilung
Fußball-Jungs um 1910 vor dem Panorama der Duisburger Zeche ¿Deutscher Kaiser¿.
Repro: LWL


Foto zur Mitteilung
Zeche Zollern I in Dortmund-Kirchlinde um 1910.
Repro: LWL


Foto zur Mitteilung
Wachtkommando des Zwangsarbeiterlagers der Bochumer Zeche General aus der Zeit des Ersten Weltkriegs.
Repro: LWL



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