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Presse-Infos | Soziales

Mitteilung vom 08.02.12

Mit Rotation zum Erfolg
In Hagen arbeiten bei Springtec, Schrimpf & Schöneberg Menschen mit und ohne Behinderung zusammen

Hagen-Hohenlimburg (lwl). Bei Knut Schuster war es der Vater, der ihm klarmachte, dass Menschen mit Behinderungen ebenso große Chancen wie nichtbehinderte Menschen haben sollten. Schon, weil sein Vater an einer offenen Tuberkulose litt und eine Wirbelsäulenverkrümmung sowie eine dementsprechende Körperhaltung hatte. ¿Wenn die anderen Kinder mir mal sagten, dass er sich aber komisch bewegen würde, habe ich immer nur geantwortet, dass er genauso ein Papa wie alle anderen ist¿, erinnert sich der 41-Jährige, der in Hagen-Hohenlimburg die Geschäfte der ¿Springtec Group, Schrimpf und Schöneberg¿ führt. Deshalb, so sagt er heute, ist es für ihn auch selbstverständlich, dass in seinem Unternehmen, das Federn aus Stahldraht und andere Stanz- und Biegeteile für die Auto-, Luftfahrt-, Elektrotechnik- und Sanitärindustrie herstellt, Menschen mit Handicaps arbeiten. Springtec ist eines von 85 Integrationsunternehmen, die sich am 22. März bei der LWL-Messe der Integrationsunternehmen in der Halle Münsterland in Münster präsentieren.

Der Kollege
Sascha Thiele ist einer der 16 Mitarbeiter mit Behinderung, die in der Integrationsabteilung des Unternehmens einen festen Arbeitsplatz haben. In der Halle, in der der 32-Jährige tätig ist, spucken Dutzende Maschinen im Sekundentakt Federn aus, dreifach, fünffach, zehnfach gedreht, abgewinkelt, gestanzt, zwischen einigen Millimetern und mehreren Zentimetern groß. Thiele stellt sie mit geübtem Griff in ausgebohrte Löcher eines runden Stahltellers, der sich unaufhörlich dreht. In der Maschine fährt ein Schleifteller über die Federn und nivelliert sie, so dass sie an beiden Seiten eben werden. Penibel achtet er darauf, dass alle Löcher besetzt sind und die Federn gerade stehen.

Sascha Thiele hat die Sonderschule besucht und dann im Integrationsunternehmen ¿Prointegration¿ ¿ ebenfalls in Hagen-Hohenlimburg ¿ eine Lehre zum Gärtner gemacht. Danach hat er mehrfach den Arbeitgeber gewechselt. ¿Das hat oft nicht gepasst¿, sagt Thiele, der ¿langsamer lernt als andere¿, wie er selbst sagt. Er scheint lange für jede Antwort zu überlegen, wirkt schüchtern. Bei Springtec gilt Thiele als ¿zuverlässig und sehr akkurat¿. Einen Führerschein hat er auch. Den hatte er schon im ersten Job gemacht. Thiele ist integriert, ¿komplett¿, wie Knut Schuster stolz erzählt. Die Männer und Frauen mit psychischen oder körperlichen Behinderungen sind ein selbstverständlicher Teil der 70-köpfigen Belegschaft am Standort geworden. ¿Am Anfang haben sich die Kollegen zwar erst einmal beäugt¿, erinnert sich der dreifache Vater Schuster an die Gründung der Integrationsabteilung 2009, die der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) sowie das NRW-Landesprogramm ¿Integration unternehmen!¿ investiv förderten. ¿Mit der Gewohnheit aber fielen alle Schranken¿, erzählt er. ¿Heute haben sich Fahrgemeinschaften gebildet, hilft einer mit Lkw-Führerschein dem behinderten Kollegen beim Umzug, verbringen Mitarbeiter mit und ohne Behinderung die Mittagspause gemeinsam.¿

Die Betreuerin
Den Kontakt zu Springtec verdankt Sascha Thiele einer Betreuerin, die ihn schon während der Lehre begleitet hatte. ¿Sie hat mir von der Arbeit hier erzählt und ist mit mir auch zum Vorstellungsgespräch gegangen. Der Job hier gefällt mir gut¿, sagt Thiele. Mehr Geld verdiene er auch. Er fühle sich wohl im Team und mit seinen Chefs. Das klingt nach einem gelungenen Start, bedeutet aber auch viel Arbeit, macht Knut Schuster klar. Für die 16 Kollegen mit Behinderung ist in der Verwaltung vor allem Monika Gloerfeld zuständig. ¿Bei manchen weiß ich zum Beispiel, dass es ihnen sehr gut tut, wenn ich sie alle paar Tage anspreche und nach ihrem Wohlbefinden frage¿, berichtet die 59-Jährige, die Industriekauffrau gelernt hat und später Mutter-Kind-Kuren organisierte. ¿Ich bin deswegen öfter als üblich auch mal in der Produktion unterwegs, unterhalte mich mit den Kollegen und schaffe so eine angenehme Atmosphäre.¿

Sascha Thiele führt die Betreuerin Monika Gloerfeld gerne als Beispiel an. ¿Da zeigt sich, was es ausmacht, wenn ein Mitarbeiter an der richtigen Stelle eingesetzt wird und ihm seine Arbeit zusagt.¿ Sie freut sich, wenn Arbeit und Mensch zueinander passen. ¿Bei unseren Mitarbeitern mit Behinderung ist der Krankenstand zwar leicht höher als bei den nichtbehinderten¿, sagt sie verständnisvoll, ¿weil viele Kollegen nun mal eine angeschlagene Gesundheit haben.¿ Sascha Thiele aber hat in zwei Jahren kein einziges Mal gefehlt. Den gehandicapten Kollegen bedeute die Arbeit viel, ergänzt sein Chef. ¿Wenn die Leute erst einmal bei uns anfangen, dann bleiben sie auch¿, sagt Knut Schuster, der ein drei- bis vierwöchiges Praktikum vor die Festeinstellung setzt. ¿Beide Seiten müssen sehen, ob sie zueinander passen. Wir sind ein Wirtschaftsunternehmen, das im harten Wettbewerb steht. Da können wir es uns nicht erlauben, dass unsere Mitarbeiter ständig wechseln.¿

Der Unternehmer
Die Entscheidung für die Integrationsabteilung bei Springtec sei auch aus unternehmerischen Gründen gefallen ¿ ¿die Alternative wären Arbeitsplätze im Ausland gewesen, die aber wohl nicht die Qualität hervorgebracht hätten, die wir benötigen.¿ Dass sie eine Integrationsabteilung gegründet haben, bereuen Schuster und sein Mitgeschäftsführer Jürgen Hammermeister nicht. Ein Grund für das Gelingen: Das Unternehmen arbeitet seit mehr als 15 Jahren mit den Iserlohner Werkstätten für Menschen mit Behinderung zusammen. 2003 richtete die Springtec-Group in den eigenen Hallen Außenarbeitsplätze der Werkstatt ein, aus denen auch mit Hilfe des vom LWL bezahlten Integrationsfachdienstes Hagen die Integrationsabteilung erwachsen ist.

Wobei die Inklusion in der Springtec-Group sogar noch weiter geht. ¿Wir lassen unsere Mitarbeiter mit und ohne Behinderung in den Abteilungen an den gleichen Maschinen rotieren¿, sagt Schuster. ¿Auf diese Weise wächst das Team noch besser zusammen.¿

Hintergrund
In 113 Integrationsunternehmen in Westfalen-Lippe arbeiten Menschen mit und ohne Behinderung zusammen. Die Firmen sorgen für Inklusion im Arbeitsleben, müssen sich auf dem freien Markt beweisen ¿ und sind im Schnitt um die Hälfte kostengünstiger als die Plätze in den Werkstätten für Menschen mit Behinderungen. 85 dieser Firmen, die der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) bei ihrer Arbeit unterstützt, präsentieren sich am 22. März bei der LWL-Messe der Integrationsunternehmen in der Halle Münsterland in Münster. Unter dem Motto ¿Unternehmen tun Gutes! ¿ inklusiv arbeiten¿ zeigen die Aussteller, was sie leisten. Die Integrationsbetriebe arbeiten in Industrie, Handwerk und Handel ¿ mit einer erstaunlichen Vielfalt an Produkten und Dienstleistungen. Supermärkte, Gartenbaubetriebe, Hotels, Cafés, Radstationen und ein Golfplatz werden von Belegschaften betrieben, in denen Menschen mit Behinderungen arbeiten. Und sogar eine Brauerei. Workshops, Vorträge und Gesprächsrunden ergänzen die Leistungsschau. Dort können sich auch interessierte Industrie-Unternehmen, Handwerksbetriebe und Gründer informieren, wie sie Arbeitsplätze für Menschen mit einem Handicap schaffen können und wer ihnen dabei hilft. Die Messe steht allen Interessierten von 9 bis 18 Uhr offen, der Eintritt ist frei.

Pressekontakt:
Markus Fischer, LWL-Pressestelle, Telefon: 0251 591-235
presse@lwl.org



Der LWL im Überblick:
Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen sowie zwei Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.



Foto zur Mitteilung
Sascha Thiele stellt die Federn in den Teller der Schleifmaschine.
Foto: LWL/Arendt


Foto zur Mitteilung
"Der Job gefällt mir gut¿, sagt Sasche Thiele.
Foto: LWL/Arendt


Foto zur Mitteilung
Geschäftsführer Knut Schuster (r.) hat die Entscheidung eine Integrationsabteilung einzurichten aus wirtschaftlichen Gründen gefällt, Monika Gloerfeld kümmert sich in der Verwaltung um die Mitarbeiter mit Behinderung. Foto: LWL/Arendt


Die gezeigten Fotos stehen im Presseforum des Landschaftsverbandes zum Download bereit.



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