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Presse-Infos | Kultur

Mitteilung vom 29.11.11

Eine unglaubliche Rettung
Neue LWL-DVD erzählt, wie Anna Scheipers ihren Bruder vor der Gaskammer bewahrte

Münster (lwl). Zeitzeugen der Verbrechen in den nationalsozialistischen Konzentrationslagern sind sehr selten geworden. Der katholische Priester Hermann Scheipers, 1913 im münsterländischen Ochtrup (Kreis Steinfurt) geboren, gehört zu jenen, die die menschenverachtende Brutalität des nationalsozialistischen Terrorsystems am eigenen Leibe zu spüren bekamen. Wie er mit Hilfe seiner couragierten Schwester Anna überlebte, schildert ein Film, den der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) jetzt auf Anregung des Mitglieds der LWL-Landschaftsversammlung Benno Hörst aus Ochtrup und mit Unterstützung des Geschichtsorts Villa ten Hompel (Münster) sowie des Bistums Münster erstmals auf DVD herausbringt.

Mit Blick auf die weit über Deutschland hinaus reichende Aufmerksamkeit, die Pfarrer Scheipers inzwischen findet, enthält das Medium außer einer deutschen auch eine englische und polnische Fassung von ¿Dir gehört mein Leben¿. Hinzu kommen vier vom Geschichtsort Villa ten Hompel bereitgestellte Interviewsequenzen, in denen Prälat Scheipers ausführlich über seine Erfahrungen unter dem NS-Regime berichtet, sowie ein ROM-Teil mit zehn Text- und Bildquellen für die historische Bildungsarbeit.

Am Freitag, 2. Dezember, 19 Uhr wird die neue DVD in Münster (Plenarsaal des LWL-Landeshauses, Freiherrr-vom-Stein-Platz, Münster) erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt. Der Eintritt ist frei. Die DVD kann direkt beim LWL-Medienzentrum (Telefon: 0251 591-3902, medienzentrum@lwl.org) oder über den Buchhandel erworben werden.

Hintergrund:
KZ Dachau im Juli 1942: Pfarrer Hermann Scheipers, seit fast zwei Jahren wegen Seelsorge an polnischen Zwangsarbeitern als ¿Staatsfeind¿ inhaftiert, bricht auf dem Appellplatz zusammen und wird in den sogenannten ¿Invalidenblock¿ eingeliefert. Das scheint sein Todesurteil zu sein, denn vor hier werden die Gefangenen wöchentlich in die Vergasungsanstalt Hartheim abtransportiert.

Doch das Unglaubliche geschieht: Auf einen verschlüsselten Hilferuf ihres Bruders hin dringt Hermanns Zwillingsschwester Anna bis ins SS-Reichssicherheitshauptamt in Berlin vor. Dort behauptet sie kühn, das ganze Münsterland sei wegen der Ermordung von Geistlichen im KZ Dachau in Aufruhr. Ihr selbstbewusstes Auftreten verunsichert den zuständigen Gestapo-Beamten so sehr, dass er die Rückverlegung von Pfarrer Scheipers ins ¿normale¿ Lager anordnet. Durch ihre mutige Intervention rettet Anna nicht nur ihrem Bruder, sondern wahrscheinlich mehreren hundert in Dachau eingekerkerten Geistlichen das Leben.

Die Szene bildet die Schlüsselsequenz einer Filmbiographie, die der Münchener Regisseur David Menzhausen schon 2002/03 gedreht hat. Menzhausen begleitete die Zwillinge von ihrem Geburtsort Ochtrup über Dachau bis nach Sachsen, wo Hermann Scheipers seit 1937 als Pfarrer wirkte. Nach dem Zweiten Weltkrieg kehrte er nach Sachsen zurück und geriet dort bald auch mit den neuen, ¿roten¿ Machthabern in Konflikt. Nicht weniger als 15 Spitzel setzte die Stasi auf den aufrechten Westfalen an, der bis 1983 als Pfarrer in Schirgiswalde nahe der tschechischen Grenze tätig blieb. Seine Schwester hielt ihm auch jetzt über den ¿eisernen Vorhang¿ hinweg die Treue.

¿Mit Mut, Charme und großem Gottvertrauen haben die Zwillinge Anna Schweppe, geb. Scheipers, und Hermann Scheipers ihr Leben lang gegen Intoleranz, Diskriminierung und staatliche Willkür gekämpft¿, so der Leiter des LWL-Medienzentrums für Westfalen, Dr. Markus Köster. Ihre doppelte Lebensgeschichte beleuchte exemplarisch wichtige Kapitel der politischen, gesellschaftlichen und kirchlichen Zeitgeschichte Deutschlands zwischen 1933 und 1989. ¿Die seltene Begabung der beiden, auch vor der Kamera ihre Natürlichkeit, ihren Charme und ihre Schlagfertigkeit nicht zu verlieren, machen die Produktion zu einem ganz und gar außergewöhnlichen Zeitdokument¿, urteilt Köster.

Heute lebt Prälat Hermann Scheipers wieder in Ochtrup, seine Schwester Anna Schweppe ist 2007 gestorben. 2010 ist nach ihr in Münster-Sudmühle eine Straße benannt worden.

Pressekontakt:
Markus Fischer, LWL-Pressestelle, Telefon: 0251 591-235
presse@lwl.org



Der LWL im Überblick:
Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen sowie zwei Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.



Foto zur Mitteilung
Mit Unterstützung des Geschichtsorts Villa ten Hompel sowie des Bistums Münster bringt das LWL-Medienzentrum die DVD ¿Dir gehört mein Leben. Die Geschichte von Anna und Hermann Scheipers" heraus.
Foto: LWL


Foto zur Mitteilung
Prälat Hermann Scheipers, der letzte Überlebende des ¿Priesterblocks" im KZ Dachau, berichtet auf der DVD von seinen Erfahrungen.
Foto: Hermann-Josef Pape


Foto zur Mitteilung
Anna und Hermann Scheipers 2002 bei der Verleihung des Verdienstordens der Bun-desrepublik Deutschland (Verdienstkreuz am Bande).
Foto: LWL/Sagurna



Die gezeigten Fotos stehen im Presseforum des Landschaftsverbandes zum Download bereit.



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