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Presse-Infos | Soziales

Mitteilung vom 27.08.10

Rede von Herrn Gebhard, anlässlich der Eröffnung der Ausstellung ¿Wege der Migration¿ im LWL-Industriemuseum Zeche Hannover

Es gilt das gesprochene Wort
Achtung Redaktionen: Freigabe ab 29.08.2010, 11 Uhr


Grußwort des Vorsitzenden der Landschaftsversammlung im Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL), Herrn Dieter Gebhard, anlässlich der Eröffnung der Ausstellung ¿Wege der Migration¿ am 29.08.2010, um 11 Uhr in dem LWL-Industriemuseum Zeche Hannover


Sehr geehrte Damen und Herren,
herzlich willkommen auf der Zeche Hannover.
Als Vorsitzender der Landschaftsversammlung Westfalen-Lippe begrüße ich Sie im Namen des LWL herzlich zur Eröffnung der Ausstellung ¿Wege der Migration¿,
einer Ausstellung, die sich mit einem Thema auseinandersetzt, welches untrennbarer mit unserer globalisierten Gesellschaft von heute verbunden ist.

¿Zuwanderung und Migration¿, ein Thema, das uns alle betrifft. Sei es als Mensch, der selbst zugewandert ist, sei es als Angehöriger einer Familie, die bereits vor Jahren oder Jahrzehnten nach Deutschland gekommen ist oder sei es als Bürger, der täglich Menschen mit Migrationshintergrund begegnet.

Meine Damen und Herren,
gerade das Ruhrgebiet hat eine lange und wechselvolle Erfahrung mit Zuwanderung. Seit über 150 Jahren kommen Menschen in die Region, um hier zu leben und zu arbeiten. Die Aussicht auf Arbeit zog Hunderttausende ins Revier. Bereits im 19. Jahrhundert, in besonderem Maße aber in den Jahren des Wirtschaftswunders nach dem 2. Weltkrieg wurden Menschen mit großen Versprechungen in das Ruhrgebiet gelockt und planmäßig als ¿Gastarbeiter¿ angeworben. Viele von ihnen wollten eigentlich nur für kurze Zeit bleiben, um ausreichend Geld für eine eigene Existenz in der Heimat zu verdienen. Manche blieben jedoch mit ihren Familien ihr Leben lang.

Diese Ausgangslage,
meine Damen und Herren,
änderte sich mit der Wirtschaftskrise 1973. Schlagartig versiegte der fast unstillbare Bedarf nach immer mehr und immer billigeren Arbeitskräften. Mit steigenden Arbeitslosenzahlen verfestigte sich stattdessen das Gefühl:
¿Das Boot ist voll¿.

Ihren schrecklichen Höhepunkt fanden die nunmehr plötzlich herrschende Konkurrenzangst und Ausländerfeindlichkeit Anfang der zurückliegenden 90er Jahre. Die Anschläge von Rostock, Mölln und Solingen sind uns allen noch in trauriger Erinnerung.
Solingen - das ist nicht weit entfernt vom Ruhrgebiet. Und hier demonstrierten viele engagierte Bürger - mit und ohne Migrationshintergrund- gegen Fremdenfeindlichkeit und für Toleranz.

Die Anschläge gaben Anlass, das lange Zeit selbstverständliche, nun aber erschütterte Mit- oder Nebeneinander der Menschen in der Region zu hinterfragen. Auch das Selbstverständnis der Bundesrepublik Deutschland, die sich lange Zeit dagegen verschlossen hatte, ein Einwanderungsland zu sein, stand auf dem Prüfstand. Denn die Vorstellung, dass die Menschen nach einem Rückgang der Konjunktur wieder gehen würden, wurde durch die Realität widerlegt.



Unter den Vorzeichen eines geeinten Europas,
meine Damen und Herren,
wurden die Fragen der Zuwanderung und Einbürgerung mit dem Zuwanderungsgesetz von 2004 gesetzlich neu geregelt. Festgeschrieben sind seitdem auch Maßnahmen, die Neuzuwanderern Orientierung geben und das Einleben sowie die Teilhabe an der Gesellschaft erleichtern sollen. Aber was ist mit den Menschen, die hier schon seit vielen Jahren leben?

In unser aller Alltag wird es auch zukünftig darum gehen, die Formen des Zusammenlebens von Menschen mit unterschiedlichen kulturellen Erfahrungen und Bedürfnissen auszutarieren und verträglich zu gestalten. Dies ist angesichts des Struktur- sowie demografischen Wandels in der Region und unter den Vorzeichen einer anhaltenden wirtschaftlichen Krise eine große Herausforderung.
Meine Damen und Herren,
das Ruhrgebiet hat in seiner Geschichte langjährige und vielfältige Erfahrungen mit dem Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Herkunft gemacht. Hier im Revier hat sich im Laufe der Zeit aufgrund des Miteinanders vieler Menschen auf begrenztem Raum und vor allem auch aufgrund des Zusammenhalts der vielen Bergmänner eine besondere Art des gemeinsamen Umgangs entwickelt:

Offen, direkt und im Grunde solidarisch.

Das zeigen auch die neusten soziologischen Forschungsarbeiten, die den Menschen im Revier mehr Offenheit und Integrationsfähigkeit zuschreiben, als den Menschen in anderen Regionen Deutschlands.

Meine sehr verehrten Damen und Herren,
der Schlüssel zur Gestaltung eines toleranten Miteinanders scheint aber nicht nur in der Offenheit für Neues zu liegen, sondern auch in der Kenntnis der Geschichte von Zuwanderung und Migration. Daher widmet sich das LWL-Industriemuseum Zeche Hannover dieser Geschichte bereits seit Jahren.

Die 1858 gebaute Zeche steht symbolisch für die ehemals führende Industriebranche der Region, die eine Vielzahl von Menschen verschiedener Herkunft ins Land geführt hat. Als Landesmuseum für Industriekultur beleuchtet das Museum die Bedingungen und spezifischen Formen des Zusammenlebens in der Zuwanderungsgesellschaft.

Drei erfolgreiche Großausstellungen, ein Internetportal, ein reichhaltiges Veranstaltungsprogramm und die interkulturelle Programmwoche ¿Pottpüree¿ haben immer wieder den Themenschwerpunkt der Museumsarbeit betont. In den letzten Jahren hat sich die Zeche Hannover so zu einem kompetenten Haus der Migrationsgeschichte entwickelt.

Mit der Ausstellung ¿Wege der Migration¿,
meine sehr verehrten Damen und Herren,

wird nun dieser Themenbereich erstmals dauerhaft auf dem Museumsgelände den Besucherinnen und Besuchern näher gebracht. Das geschieht in Form eines Rundgangs und mit einfachen Mitteln. Nichts desto trotzt ist es aber ein wichtiger Schritt in der Entwicklung des Museums zu einem Ort der Begegnung, zu einem Forum für Migration in Nordrhein-Westfalen.
Die Planungen für einen weiteren Museumsausbau laufen bereits. Denn ein solcher Ort der Verständigung, der Anerkennung, der Teilhabe und des Miteinanders ist gerade heute besonders wichtig.

Meine Damen und Herren,
zum Abschluss möchte ich dem Museumsteam unter der Leitung von Dietmar Osses für ihre intensive Arbeit meinen Dank aussprechen. Uns allen wünsche ich noch einen angenehmen Vormittag und viel Freude beim Besuch der Ausstellung. Ich bedanke mich für ihre Aufmerksamkeit.

Ihnen und der Ausstellung ein herzliches Glückauf!


presse@lwl.org



Der LWL im Überblick:
Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen sowie zwei Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.





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