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Presse-Infos | Kultur

Mitteilung vom 02.02.10

Militärische Nutzung und biologische Vielfalt
Erste Publikation zu Tieren, Pflanzen und Pilzen des Truppenübungsplatzes Haltern-Borkenberge

Haltern (lwl). Mehr als 2700 Tier-, Pflanzen- und Pilzarten, davon über 400 Arten auf den Roten Listen Nordrhein-Westfalens und Deutschlands ¿ das ist das Ergebnis einer bisher einmaligen Untersuchung zur Biologischen Vielfalt auf dem aktiv genutzten Truppenübungsplatz Borkenberge bei Haltern.

Das Mosaik aus Heiden, Sandtrockenrasen und Vorwaldstadien bietet seltenen Tieren, Pilzen und Pflanzen einen idealen Lebensraum. Hier können sie sich in aller Abgeschiedenheit und Naturbe-lassenheit ausbreiten. Selten betritt ein Mensch den Truppenübungsplatz des britischen Militärs.

Auf Initiative des Naturschutzzentrums Kreis Coesfeld e. V. und insbesondere von Karsten Hannig öffnete der Truppenübungsplatz Borkenberge (Kreise Coesfeld und Recklinghausen) ausnahmsweise seine Schranken. In Kooperation mit der Bundesanstalt für Immobilenaufgaben und dem britischen Militär sowie mit dem Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) konnten zum ersten Mal in NRW 21 namhafte Wissenschaftler die Tier- und Pflanzenwelt eines noch genutzten Truppenübungsplatzes untersuchen.

Sie machten bemerkenswerte Funde, die bundesweit Beachtung finden. Im Rahmen der Abhandlungen, einer Schriftenreihe des LWL-Museums für Naturkunde in Münster, ist jetzt darüber das Buch ¿Die Tiere, Pflanzen und Pilze des Truppenübungsplatzes Haltern-Borkenberge¿ entstanden.
Der Truppenübungsplatz gehört mit seinen Heiden, Sandtrockenrasen und Mooren zu den wertvollsten Naturlandschaften Nordrhein-Westfalens. Bedingt durch die seit 1873 andauernde Nutzung als Schieß- bzw. militärischer Übungsplatz konnte sich hier ein großflächiger Ausschnitt einer halboffenen Heide- und Moorlandschaft erhalten, wie sie für die vorindustrielle Kulturlandschaft des Münsterlandes einst charakteristisch war. In der etwa 1.800 Hektar großen hügeligen Sandlandschaft der Borkenberge finden zahlreiche gefährdete Arten einen wichtigen Rückzugsraum.

Bisher lag keine umfassende Beschreibung der Biologischen Vielfalt dieses Gebietes vor. Diesem Umstand wurde mit dem nun vorliegenden Buch Rechnung getragen. Die 21 Autoren stammen aus unterschiedlichen Disziplinen.

Was aber ist die Ursache dafür, dass zahlreiche hoch gefährdete Arten und Lebensräume auf militärischen Übungsplätzen wie den Borkenbergen vertreten, außerhalb dieser jedoch nahezu ver-schwunden sind? Ein wesentlicher Grund ist - neben dem Vorhandensein großflächiger, ungedüngter Lebensräume - die militärische Nutzung. Sie schafft durch das Befahren mit Kettenfahrzeugen ein Netz offener Sandwege und trägt durch gezielte Pflegemaßnahmen sowie spontane Brände zur Offenhaltung der Heideflächen bei.

Hiervon profitieren zahlreiche Arten früher Sukzessionsstadien wie Heidelerche, Kreuzkröte, Zauneidechse, Rostbinde, Heidelaufkäfer, Knorpelmiere, Hirschsprung oder Zierliche Glanzleuchteralge. Diese Arten leben dort nicht trotz, sondern auf Grund der militärischen Nutzung. Daneben bieten die von dem militärischen Übungsbetrieb weitgehend unbeeinflussten Moore im Randbereich der Borkenberge sehr selten gewordenen Spezialisten wie Moorameise, Arktische Smaragdlibelle, Kreuzotter, Gageleule, Krickente oder Moorlilie geeignete Lebensräume.

Im Rahmen des vorliegenden Buches wird in 22 Einzelbeiträgen die herausragende Bedeutung der militärisch genutzten Borkenberge für den Naturschutz hervorgehoben. Auf über 550 Seiten wird der ansonsten oftmals inflationär benutzte Begriff Biodiversität (Biologische Vielfalt) ¿mit Leben gefüllt¿. So konnten in den Borkenbergen beispielsweise etwa 30 Prozent aller Spinnenarten, über 40 Prozent aller Amphibien-, Säugetier-, Laufkäfer- und Ameisenarten, etwa 50 Prozent aller Brutvogel- und Heuschreckenarten, mehr als 60 Prozent der Libellenarten und über 70 Prozent aller Reptilienarten Nordrhein-Westfalens und zahlreiche geschützte Biotoptypen nachgewiesen werden (vgl. HANNIG et al. 2009).

Die Borkenberge sind mittlerweile als FFH- (Fauna-Flora-Habitat-) und EU-Vogelschutzgebiet ausgewiesen und liefern somit einen wichtigen Beitrag zum Europaweiten Schutzgebietsnetz NATURA 2000. Die Arten- und Lebensraumvielfalt belegt die große naturschutzfachliche Bedeutung, die militärische Übungsplätze wie die Borkenberge innerhalb einer ansonsten oftmals artenarmen ¿Normallandschaft¿ besitzen.

An der Arbeit über die Borkenberge haben neben den vier Herausgebern (KARSTEN HANNIG, MATTHIAS OLTHOFF, KERSTIN WITTJEN & THOMAS ZIMMERMANN) folgende Personen mitgearbeitet: CHRISTIAN BÜNING, PETER DECKER, CHRISTIAN FEURING, FREDI KASPAREK, HAJO KOBIALKA, Dr. PATRICK LEOPOLD, Dr. MICHAEL J. RAUPACH, KLAAS REIßMANN, Dr. ARMIN ROSE, PETER SCHÄFER, Dr. CARSTEN SCHMIDT, Dr. CHRISTIAN SCHMIDT, Prof. em. Dr. EBERHARD SCHMIDT, ANNETTE SCHULTE, KLAUS SIEPE, HOLGER SONNENBURG und Dr. HEINRICH TERLUTTER.

Angaben zum Buch
HANNIG, K., OLTHOFF, M., WITTJEN, K. & T. ZIMMERMANN (Hrsg.) (2009): Die Tiere, Pflanzen und Pilze des Truppenübungsplatzes Haltern-Borkenberge. Abhandlungen aus dem LWL-Museum für Naturkunde 71 (3). Münster. 556 S.

Bezugsmöglichkeit
LWL-Museum für Naturkunde, Sentruper Str. 285, 48161 Münster, Telefon: 0251 591-05
Preis: 24,80 Euro (gebunden), 19,80 Euro (Paperback-Ausgabe)

Vorschau:
Tagung ¿Truppenübungsplätzen und Biodiversität¿
Am 1. März 2010 findet ab 9 Uhr eine ganztägige, öffentliche Tagung zur ¿Biologischen Vielfalt und Naturschutz auf militärischen Übungsplätzen¿ im LWL-Museum für Naturkunde in Münster statt. Unter anderem werden die Autoren der Publikation zum Truppenübungsplatz Haltern-Borkenberge anwesend sein und mit zahlreichen Fotos über das Gebiet berichten. Der Tagungsbeitrag beträgt 15 Euro. Anmeldung: Westfälischer Naturwissenschaftlicher Verein, Sentruper Str. 285, 48161 Münster.

Pressekontakt:
Bianca Fialla, LWL-Naturkundemuseum, Telefon: 0251 591-6066 und Frank Tafertshofer, LWL-Pressestelle, Telefon: 0251 591-235
presse@lwl.org



Der LWL im Überblick:
Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen sowie zwei Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.



Foto zur Mitteilung
Dr. Bernd Tenbergen vom LWL-Museum für Naturkunde Münster überreicht Oberstleutnant Shaw die Publikation über die Tiere und Pflanzen des Truppenübungs- platzes.
Foto: LWL/Oblonczyk


Foto zur Mitteilung
Die Herausgeber des Buches (Karsten Hannig (3.v. li. und folgende), Matthias Olthoff, Thomas Zimmermann und Kerstin Wittjen sowie Dr. Bernd Tenbergen vom LWL-Museum für Naturkunde (5.v.re.) , präsentierten Oberstleutnant Robert Shaw (3.v.re.) und Major Peter Read (re.) die Publikation zum Truppenübungsplatz Borkenberge.
Foto: LWL/Oblonczyk


Foto zur Mitteilung
Neu erschienen ist ein Buch über die Tier- und Pflanzenwelt des Truppenübungsplatzes Haltern-Borkenberge.
Foto: LWL/Oblonczyk


Foto zur Mitteilung
Ein Mosaik aus Heiden, Sandtrockenrasen, rohbodenreichen Fahrwegen und Vorwaldstadien bietet zahlreichen gefährdeten Tieren- und Pflanzenarten Lebensraum.
Foto: Olthoff, Coesfeld


Foto zur Mitteilung
Der Moorfrosch konnte in den Borkenbergen aktuell mit mehr als tausend Laichballen angetroffen werden.
Foto: Olthoff, Coesfeld


Foto zur Mitteilung
Auf Initiative des Naturschutzzentrums Kreis Coesfeld e. V. ist der Kontakt zum britischen Militär aufgenommen worden.
Logo: Naturschutzzentrum Kreis Coesfeld e.V.



Die gezeigten Fotos stehen im Presseforum des Landschaftsverbandes zum Download bereit.



Das Presseforum des Landschaftsverbandes im Internet: https://www.lwl.org/pressemitteilungen