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Presse-Infos | Kultur

Mitteilung vom 19.08.08

Socken für den Westen
Strumpfformer erzählt im LWL-Ziegelei Museum Lage vom Neubeginn der Strumpfindustrie

Lage (lwl). Ein abstraktes Kunstwerk? Ein neumodischer Trockenständer für Socken? Auf den ersten Blick wirft der Strumpfformer der Strumpfstrickerei ¿Ruka¿ in Sprockhövel (Ennepe-Ruhr-Kreis) durch sein skurriles Aussehen bei den Betrachtern viele Fragen auf. Das auffällige Ausstellungsstück ist eines der zahlreichen Objekte, die der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) derzeit in der Sonderausstellung ¿Aufbau West. Neubeginn zwischen Vertreibung und Wirtschaftswunder¿ in seinem Ziegeleimuseum in Lage zeigt. Im Mittelpunkt der Schau stehen die Leistungen und Erfahrungen der Flüchtlinge und Vertriebenen aus dem Osten, die nach 1945 mit Arbeitskraft, Know-how und Unternehmergeist zum Wiederaufbau hierzulande beitrugen.

Einen Neuanfang im Westen wagte auch Karl Rüger. Seine Strumpfstrickerei im sächsischen Kaufungen gehörte ¿ anders als die ¿Großen¿ der Branche wie Kunert oder Elbeo ¿ zu den zahlreichen kleinen Familienbetrieben. Der Betrieb wurde durch die DDR-Regierung enteignet, Rüger selbst interniert. Nach seiner Entlassung kam der Geschäftsmann durch private Beziehungen nach Sprockhövel und begann dort 1950 in einer Steinbaracke mit der Produktion von rundgestrickten Strümpfen. Firmenname des Betriebes wurde ¿Ruka¿: Ru für Rüger und Ka in Erinnerung an den Heimatort Kaufungen.

Mit der Umsiedlung seines Familienbetriebes in den Westen war Rüger in der Strumpfindustrie kein Einzelfall: ¿Ursprünglich konzentrierte sich die gesamte deutsche Feinstrumpfbranche in Sachsen und im Sudentenland, so dass hier über 98 Prozent der gewirkten Nahtstrümpfe produziert wurden. Von Demontage und Enteignung bedroht, gingen die meisten Strumpffabrikanten aber nach 1945 in den Westen und nutzten hier ihre Chance¿, so Textilfachmann Dr. Arnold Lassotta vom LWL-Industriemuseum. Durch diese Entwicklung gab es in Westdeutschland nahezu alle Produktionsarten, die vor dem Krieg noch über ganz Deutschland verteilt waren.

Auch Hanna, Karl Rügers Tochter, floh aus der DDR nach Westdeutschland. Zunächst in Augsburg bei der Neugründung des Strumpf-Riesens ¿Elbeo¿ beschäftigt, folgte sie schließlich ihrem Vater nach Sprockhövel und stieg hier mit in das Familienunternehmen ein. Später waren bei ¿Ruka¿ zwölf Rundstrick-Maschinen in Betrieb, auf denen monatlich ca. 10.000 Paar Socken hergestellt wurden. Um die Strümpfe nach der Produktion zu glätten und verpacken zu können, wurden die Socken abschließend über einen Strumpfformer gestülpt. Aluminium-Schablonen bildeten dabei die verschiedenen Sockengrößen und -längen nach. Elektrisch beheizt, brachten sie die Strümpfe wie bei einem ¿Bügelvorgang¿ in die entsprechende Form.

¿Ruka¿ produzierte in Sprockhövel bis zum Tod des Firmengründers 1972. Im Jahr 1999 erhielt das LWL-Industriemuseum einen Strumpfformer des Unternehmens für seine Sammlung und dokumentierte die Betriebsgeschichte der Familie Rüger. Besucher der Ziegelei Lage können das geschichtsträchtige Exponat noch bis 21. September in der Sonderausstellung ¿Aufbau West¿ sehen.

Wegen des großen Besucherzuspruchs zeigt das Museum am kommenden Sonntag, 24. August, als besondere Attraktion erneut die Wirkmaschine ¿Hänsel¿ in Aktion. Hänsel häkelt Borten und Bordüren, mit denen die aus dem Erzgebirge stammende Firma Dietzsch in den 1950er Jahren in Wuppertal das dortige Produktionsspektrum an Bändern und Schmucktextilien erweiterte. Um 11 Uhr bietet das LWL-Museum außerdem eine kostenlose Führung durch die Ausstellung an.

Aufbau West ¿ Neubeginn zwischen Vertreibung und Wirtschaftswunder
bis 21.09.2008
LWL-Industriemuseum
Ziegeleimuseum in Lage
Sprikernheide 77 I 32791 Lage
Geöffnet Di ¿ So 10 ¿ 18 Uhr

Pressekontakt:
Christiane Spänhoff, LWL-Industriemuseum, Telefon: 0231 6961-127 und Markus Fischer, LWL-Pressestelle, Telefon: 0251 591-235
presse@lwl.org



Der LWL im Überblick:
Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen sowie zwei Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.



Foto zur Mitteilung
Mitarbeiterinnen des LWL-Industriemuseums beim Transport des Strumpfformers.
Foto: LWL



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