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Presse-Infos | Der LWL

Mitteilung vom 15.11.06

¿Kriegskinder¿: Ein neuer LWL-Bildband regt zur Diskussion an

¿Es verging Zeit, bis ich in Schüben begriff und mir zögerlich eingestand, dass ich unwissend oder genauer,
nicht wissen wollend Anteil an einem Verbrechen hatte,
das mit den Jahren nicht kleiner wurde,
an dem ich immer noch kranke.¿
Aus: Günter Grass: Beim Häuten der Zwiebel

Lippstadt (lwl).
Sie waren Flakhelfer und Schülersoldaten, sie waren Mädchen und Jungen in Jungvolk, Hitlerjugend und im Bund Deutscher Mädel, sie waren Flüchtlinge und ausgebombte, vaterlose Kinder: Die Generation der Kriegskinder. Ihr widmet das LWL-Medienzentrum für Westfalen jetzt den Bildband ¿Kriegskinder. Zwischen Hitlerjugend und Nachkriegsalltag¿, den der LWL gemeinsam mit dem Stadtarchiv Lippstadt am Mittwoch (15.11.) in Lippstadt vorstellte.

¿Im Mittelpunkt dieses Buches stehen Fotografien von Kindern und Jugendlichen zwischen Hitlerjugend und Nachkriegsalltag, wie es im Titel heißt. Die Bilder zeigen höchst facettenreich die Erfahrungswelten dieser Generation der heute 60 bis 80-Jährigen: Die politische Vereinnahmung durch die nationalsozialistische Ideologie, den Zusammenbruch 1945 und schließlich den schweren Neuanfang danach¿, so LWL-Kulturdezernent Prof. Dr. Karl Teppe bei der Buchpräsentation in Lippstadt.

¿Das Buch präsentiert Bilder, die irgendwie belasten. Denn sie bilden nicht nur Zeitgeschichte ab, sie erzählen Geschichten, die Erfahrungsberichte sind. Dabei sprechen sie nicht nur Zeitzeugen an, die traumatische Kriegs- und Nachkriegserfahrungen haben, sondern auch diejenigen, denen die Zeit in der Hitlerjugend oder im Bund Deutscher Mädel bis heute positiv im Gedächtnis haften geblieben ist. Viele von ihnen wagen es erst heute im Gespräch mit ihren Enkeln und Urenkeln über die Zeit zu sprechen¿, resümiert Mitherausgeberin Prof. Dr. Barbara Stambolis und hofft, dass der Bildband zur Diskussion anregt und zu einem Geschichtsverständnis beiträgt, das nicht pauschal, sondern nuanciert urteilt.

Dabei sollen fünf Aufsätze helfen, die als Lese- und Wahrnehmungshilfe gedacht sind. Sie nähern sich dem Thema Kriegskinder aus unterschiedlichen Blickwinkeln: Der Psychoanalytiker und Gerontologe Hartmut Radebold fragt beispielsweise, inwiefern uns der Anblick der Bilder weinen lässt und weshalb sie uns betroffen oder auch zornig machen. Er fragt, ob die Erwachsenen damals nicht wussten, was sie den Kindern und Jugendlichen antaten. ¿Die Beiträge regen dazu an, sich mit den Bildern auseinander zu setzen. Wir hoffen, dass sich die Betrachter Zeit nehmen. Sie können die Bilder unmittelbar wirken lassen, im Zusammenhang mit eigenen Erinnerungen oder auch als historische Quellen lesen, in denen Details über Lebensverhältnisse und Problemfelder der Zeit zu entdecken sind.¿ So beschreibt Dr. Volker Jakob, Referatsleiter des Bild-, Film- und Tonarchivs im LWL-Medienzentrum für Westfalen, in dessen Publikationsreihe dieser Bildband erscheint, die Absicht der Herausgeber, die es ganz besonders freut, dass die Jury des ¿Deutschen Fotobuchpreises 2006/2007¿ den Bildband aus zahlreichen Neuerscheinungen für eine Wanderausstellung der besten deutschen Fotobücher ausgewählt hat.

Die Fotos stammen aus der Sammlung Nies. Der 1918 in Lippstadt geborene Walter Nies hat seit Mitte der 1930er Jahre Menschen in Westfalen fotografiert. In den Jahren 1942 bis 1945 war er für die Bann-Bildstelle der Hitlerjugend in Lippstadt, ab 1943 auch für die Bildstellte der HJ Westfalen-Süd in Bochum tätig. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges fotografierte Nies für die ¿Katholische Osthilfe¿, die Hilfsorganisation für Flüchtlinge im Erzbistum Paderborn. ¿Obwohl Nies nicht als Fotograf ausgebildet wurde, gelangen ihm unzählige hochprofessionelle und zugleich zeit- sowie fotogeschichtlich außerordentlich wichtige Aufnahmen¿, urteilt Jakob über Nies¿ Werk, das der Autodidakt dem Stadtarchiv Lippstadt zur Verfügung gestellt hat. ¿Der Bildband, der überall im Buchhandel erhältlich ist, stellt erstmals auf Grundlage von westfälischen Fotos die Kriegskindheit des Zweiten Weltkrieges dar und problematisiert sie¿, so Jakob weiter.

Barbara Stambolis / Volker Jakob (Hg.):

Kriegskinder
Zwischen Hitlerjugend und Nachkriegsalltag

Fotografien von Walter Nies
(Reihe: Aus Westfälischen Bildsammlungen, Bd. 4)
Mit Beiträgen von Claudia Becker, Ralf Blank, Volker Jakob, Hartmut Radebold, Barbara Stambolis
178 Seiten, ca. 210 Abbildungen, Preis: 19,95 ¿
ISBN 3-89688-290-2

Pressekontakt:
Markus Fischer, Tel. 0251 591-235
presse@lwl.org



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Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen sowie zwei Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.



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Foto: LWL


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