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Presse-Infos | Der LWL

Mitteilung vom 28.04.05

Spannend wie ein Krimi
Westfälisches Museum für Archäologie eröffnet Forscherlabor


Herne (lwl). Das Westfälische Museum für Archäologie in Herne eröffnet den zweiten Teil seiner Ausstellung. Im so genannten Forscherlabor können die Besucher ab Freitag (29.4.) die Methoden nachvollziehen, mit denen Wissenschaftler die Spuren aus der Vergangenheit entschlüsseln. ¿Wie derzeit kein anderes Haus in Europa präsentiert das Museum des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) damit einen umfassenden Einblick in die Arbeit der Archäologen nach einer Ausgrabung¿, so LWL-Kulturdezernent Prof. Dr. Karl Teppe.

Das Forscherlabor ist aufgebaut nach dem Prinzip eines Kriminalfalls. In der Mitte des 140 Quadratmeter großen Raumes befindet sich der ¿Tatort¿, ein rekonstruierter Ausschnitt aus einem von vier Großsteingräbern aus der Zeit früher Bauern, die LWL-Archäologen zwischen 1986 und 1993 in der Nähe von Warburg (Kreis Höxter) ausgegraben haben. An 14 Labortischen, den Themenstationen, können die Besucher ihrem kriminalistischen Spürsinn nachgehen und versuchen, mit den Methoden der Medizin, der Archäologie, der Physik und der Chemie möglichst viel über die Toten und deren Leben vor 5000 Jahren herauszufinden.

¿Die Besucher können an jeder Station etwas ausprobieren, zum Beispiel Knochen eines Menschen vermessen, die vor 5000 Jahren lebte, und aus den Werten die Größe der Person bestimmen. Die Besucher werden so selbst zu Forschern und können sich besser in die Welt der Wissenschaft hineinversetzen¿, hebt Museumsleiterin Dr. Barbara Rüschoff-Thale den didaktischen Aspekt des neuen, 468.000 Euro teuren Ausstellungsmoduls hervor.

Alle 14 Themenstationen sind gleich aufgebaut. Auf der Oberfläche der Tische finden sich die wichtigsten Informationen zu der jeweiligen Methode und ihre Anwendung auf den Fall Warburg. Interaktive Spiele, Computer-Touchscreens und Experimente laden den Besucher ein, eine Methode selbst nachzuvollziehen, wie zum Beispiel Pflanzenpollen unter einem Mikroskop bestimmen. Medieninstallationen erklären schwierige Verfahren, zum Beispiel die DNA-Analyse.
In den Schubladen darunter gibt es vertiefende Informationen, die eine Methode genauer erklären oder ihre Grenzen aufzeigen. Hier finden sich auch viele weitere archäologische Funde aus Westfalen als Anschauungsmaterial. In der Themenstation ¿Archäometallurgie¿ erklären zum Beispiel Röntgenbilder eines Saxes (Schwert) aus Borken die Qualität hochwertiger Schmiedekunst und geben das Arbeitsgeheimnis eines Schmiedes nach 1200 Jahren preis: Er hatte das Waffenblatt aus verschiedenen Stählen mit dem Mittelteil der Waffe durch eine gezahnte Schweißnaht verbunden, was sie biegsamer und belastbarer machte.

Ein Schädel aus Paderborn-Sande liegt in der Themenstation ¿ Radiokarbondatierung¿ als Beispiel für den vorsichtigen Umgang mit naturwissenschaftlichen Datierungsverfahren. Denn sein Alter war mit einer 14C-Datierung zunächst auf über 27.000 Jahre berechnet worden. Eine zweite 14C-Datierung und die Verbindung mit den übrigen Ausgrabungsergebnissen reduzierte sein wahres Alter auf 240 Jahre. Manche Erkenntnisse gewinnen die Archäologen auch nur indirekt, wie eine Schere aus der verlassenen mittelalterlichen Siedlung Elsinchusen bei Geseke (Kreis Soest), die dort die Haltung von Schafen beweist und zur Themenstation ¿Archäozoologie¿ gehört.

Das Forscherlabor ist im Gesamtkonzept des vor zwei Jahren eröffneten LWL-Archäologiemuseums von Anfang an geplant gewesen. ¿Die Aufgabe unseres archäologischen Landesmuseums ist es, alle Gewerke der Archäologie zu vermitteln, also auch das Vorher und das Nachher einer Ausgrabung. Während in der Grabungslandschaft des Museums das Entdecken und Bergen an der Fundstelle im Vordergrund steht, geht es nun darum darzustellen, wie die Archäologen überhaupt zu ihren Erkenntnissen kommen¿, erläutert Dr. Gabriele
Isenberg, die Direktorin der drei archäologischen LWL-Museen in Westfalen und gleichzeitig Landesarchäologin Westfalens, das Ziel der neuen Ausstellung. ¿Denn Ausgraben ist ja längst nicht unsere einzige Aufgabe: Nach der Ausgrabung beginnt am Schreibtisch und im Labor die meist sehr viel aufwändigere Arbeit. Erst durch die genaue Analyse der Spuren, die wir auf der Fundstelle gesichert haben, können wir das damalige Geschehen rekonstruieren und seine Bedeutung ermessen¿, führt die LWL-Chefarchäologin aus. Und dieser kriminalistische Charakter der Archäologie führte denn auch zu der Idee, das Forscherlabor wie einen Kriminalfall aufzuziehen.¿

Bei der Auswertung einer Ausgrabung arbeiten die Archäologen heute mit Wissenschaftlern verschiedener Disziplinen zusammen. Vor allem die sich immer weiter entwickelnden Naturwissenschaften bieten mehr und mehr Möglichkeiten, neue Erkenntnisse zu gewinnen. Neben den ¿klassischen¿ archäologischen Methoden wie der Typologie und der Stratigraphie (Schichtenkunde) haben sich längst naturwissenschaftliche Methoden etabliert wie die Dendrochronologie (Baumringdatierung) oder die Radiokarbondatierung. Aber selbst komplizierte chemische und physikalische Verfahren galt es für Laien verständlich darzustellen. Etwa das Atomabsorptions-Verfahren: Dabei wird ein Metallfund mit Elektronen beschossen, um seine Zusammensetzung und die Lagerstätte des Erzes zu bestimmen. Die Ergebnisse liefern den Forschern in Kombination mit anderen Fakten Hinweise auf Wirtschaft und technologische Entwicklung in früheren Zeiten.

Für die Gestaltung zeichnet das Atelier Brückner aus Stuttgart verantwortlich. Uwe R. Brückner und sein Team haben schon den ersten Teil der Ausstellung mit den Museumsmachern umgesetzt. Sie haben nun Wert darauf gelegt, dass das Forscherlabor als Ort des Forschens einen bewussten Kontrast zur eher dunklen und erdigen Grabungslandschaft als Ort des Entdeckens bildet. ¿Der spezifische Laborcharakter wird durch die Wahl der Materialien Glas und Metall, die helle Beleuchtung und das Farbklima mit den Grundfarben blau und der Signalfarbe orange erzielt¿, erklärt Gestalter Eberhard Schlag die Entwurfsidee.

Die Konzeption des Forscherlabors hat das Museum zusammen mit der Ruhr-Universität Bochum ent-wickelt. Studierende der Ur- und Frühgeschichte hatten in mehreren Seminaren die wichtigsten Methoden bestimmt und die fachlichen Inhalte zusammengetragen. Das Forscherlabor ist deshalb auch nicht als Abbild der westfälischen Realität zu verstehen, sondern will den aktuellen Stand der Möglichkeiten aufzeigen, die die moderne Wissenschaft bietet. Die Unterstützung von zahlreichen Experten aus den einzelnen Fachgebieten in ganz Deutschland, aber auch aus den Niederlanden, der Schweiz, Dänemark und Frankreich, stellt sicher, dass jede Methode richtig und dem neuesten Stand entsprechend dargestellt ist.

468.000 Euro hat das Forscherlabor gekostet. Davon hat der LWL 288.000 Euro zur Verfügung gestellt, die restlichen 40 Prozent, rund 180.000 Euro, hat das Land NRW beigesteuert. Diese Investition habe sich gelohnt, erklärte Prof. Dr. Teppe. ¿Das Museum ist zu einem ganz besonderen Markstein der Kulturpflege des Landschaftsverbandes am westlichen Rand Westfalens und mitten im Ruhrgebiet geworden und hat die Kulturlandschaft im Land insgesamt bereichert. Hier können die Menschen in Westfalen den roten Faden durch ihre gesamte, 250.000-jährige Geschichte verfolgen.¿

Familiensonntag am 1. Mai
Dass Archäologie mehr ist als Graben, ist auch das Thema des kommenden Familiensonntags am 1. Mai. Eltern und Kinder zwischen 6 und 12 Jahren erkunden um 14 Uhr und 16 Uhr gemeinsam die Ausstellung und das Forscherlabor, um anschließend selbst als ¿Archäologen am Werk¿ zu sein. Die Teilnahme ist kostenlos. Da die Teilnehmerzahl begrenzt ist, empfiehlt das Museum eine telefonische Reservierung unter 02323 94628-0.

Wie wichtig die Archäologie für die Erforschung unserer Vergangenheit ist, weiß auch Hermann Spix zu berichten. Um 15 Uhr liest er im Museumskino aus seinem Buch ¿Die Leute vom Tuppenhof¿. Mehr als zehn Jahre hat er sich mit dieser Hofstelle in Raum Kaarst beschäftigt. Seine Recherchen führten ihn bis in die Steinzeit und an Orte wie Krakau, London und in den Vatikan. Hier fand er wichtige Dokumente. In ihnen wird über die Geschichte eines Ortes berichtet, der wie kaum ein anderer Auskunft gibt über die bäuerliche Kultur seit den ersten Siedlungen in unserer Region über die römische Zeit und das Mittelalter hinweg bis hin in unsere jüngste Vergangenheit.

Westfälisches Museum für Archäologie, Europaplatz 1, 44623 Herne, Tel. 02323 94628-0, www.landesmuseum-herne.de. Öffnungszeiten: Dienstag, Mittwoch, Freitag 9 Uhr bis 17 Uhr, Donnerstag 9 Uhr bis 19 Uhr, Samstag, Sonntag, Feiertag 11 Uhr bis 18 Uhr

Pressekontakt:
Dr. Yasmine Freigang, Tel.: 0251 5907-267 oder 0173 8301752 und Frank Tafertshofer, Tel.: 0251 591-235
presse@lwl.org



Der LWL im Überblick:
Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen sowie zwei Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.



Foto zur Mitteilung
Blick in das neue Forscherlabor des Archäologie-Museums mit den Themenstationen und dem ¿Tatort Warburg¿ am rechten Bildrand.
Foto: LWL/Brentführer.


Foto zur Mitteilung
Blick in das Forscherlabor mit dem ¿Tatort Warburg¿ im vordergrund.
Foto: LWL/Brentführer


Foto zur Mitteilung
Gesichtsrekonstruktion eines 30- bis 40-jährigen Mannes, der vor rund 5000 Jahren in Warburg gestorben ist.
Foto: LWL/Brentführer.


Foto zur Mitteilung
Ein Modell veranschaulicht, wie die Archäologen den Bau der Großsteingräber rekonstruieren.
Foto: LWL/Maas.


Foto zur Mitteilung
Ein Goldring aus Westerkappeln (Kreis Steinfurt) steht für die verschiedenen Materialien, die Archäologen analysieren.
Foto: LWL/Brentführer.



Die gezeigten Fotos stehen im Presseforum des Landschaftsverbandes zum Download bereit.



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