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Presse-Infos | Der LWL

Mitteilung vom 18.08.04

WIM-Ausstellung zeigt zum Jubiläum 'Schätze der Arbeit'

Dortmund /Ennepe-Ruhr-Kreis (lwl). Mit einer großen Ausstellung feiert der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) in diesem Jahr das 25-jährige Bestehen des Westfälischen Industriemuseums (WIM). Mehr als 250.000 Objekte hat das Museum in dieser Zeit zusammengetragen - ein Gedächtnis der Region: Die Objekte liefern einmalige Einblicke in die Arbeits- und Alltagsgeschichte der Industrialisierung. Das Spektrum reicht vom Abortkübel bis zur Dampflok, von der Glasmacherpfeife bis zum Henkelmann. Nur ein Bruchteil der Stücke ist normalerweise in den Dauerausstellungen an den acht Standorten des Museums in Bocholt (Kreis Borken), Bochum, Dortmund, Hattingen (Ennepe-Ruhr-Kreis), Lage (Kreis Lippe), Petershagen (Kreis Minden-Lübbecke), Waltrop (Kreis Recklinghausen) und Witten (Ennepe-Ruhr-Kreis) für die Öffentlichkeit zugänglich. Zum Jubiläum packt das WIM sein Lager aus und zeigt in der Zentrale auf der Zeche Zollern II/IV in Dortmund rund 500 'Schätze der Arbeit'. In einer Serie stellt der LWL die originellsten, ältesten und bedeutsamsten Exponate der Ausstellung vor.

Die Explosion der Sprengstofffabrik 'Roburit-Fabrik Witten'

Als vor vier Jahren ein niederländisches Feuerwerkslager in Enschede explodierte, starben 22 Menschen, Hunderte wurden verletzt. Eine ähnliche Katastrophe ereignete sich vor knapp hundert Jahren in Westfalen: Am 28. November 1906 explodierte in Witten (Ennepe-Ruhr-Kreis) eine Sprengstoff-Fabrik. Das Unglück war verheerend: 41 Menschen kamen ums Leben, der Stadtteil Annen wurde zum größten Teil zerstört. Der Wittener Fotograf Friedrich Goebel war damals mit seiner Kamera vor Ort. Dabei entstanden eindrucksvolle Fotografien von einer zerstörten Stadt.

Ausgelöst wurde die Explosion durch einen Brand im Maschinenraum der Fabrik. 'Da ein Wasserrohrbruch die Hydranten unbrauchbar gemacht hatte, konnte die Feuerwehr nur die Kutschpferde und ein paar Habseligkeiten der Werksangehörigen retten', berichtet Anja Kuhn, wissenschaftliche Referentin im Westfälischen Industriemuseum Henrichshütte Hattingen. Der Brand breitete sich ungehindert aus und erreichte um 21.15 Uhr das Sprengstofflager. Mit einer riesigen Explosion flog die Fabrik in die Luft.

Unter den Toten war auch der Direktor der Fabrik. In der Nähe waren Häuser teilweise eingestürzt, in der weiteren Umgebung Dächer abgedeckt und Schaufenster zersprungen. Die meisten der unzähligen Verletzten wurden in Straßenbahnwagen zum Diakonissenhaus gebracht. Rund 2.000 Menschen wurden obdachlos.

Ein Kaufmann aus Annen erinnert sich an das Unglück: 'Die Lufterschütterung war so stark, dass man es in Kassel noch gespürt hat. Die Wirkung war verheerend, es gab viele Tote und zerstörte Häuser. In Annen und Umgebung blieb fast keine Scheibe ganz, auch das von uns bewohnte Haus hatte schwer gelitten. Die Spiegelscheiben waren zertrümmert, Rollläden und Fensterrahmen herausgerissen, sogar Innenwände stark beschädigt. Im Laden sah es schlimm aus, Regale mit Glas und Porzellanwaren lagen umgestürzt umher, hierdurch entstanden für uns große Verluste. Wir hatten mehrere Tage zu arbeiten, um einigermaßen wieder Ordnung zu schaffen, waren aber die ersten Geschäftsleute am Platze, die wieder neue Spiegelscheiben bekamen. Entgegen unser Erwarten war das Weihnachtsgeschäft noch ziemlich gut, denn es flossen viele Unterstützungsgelder nach Annen.'

Der Schaden war so groß, dass Annen aus eigener Kraft den Ort nicht wieder aufbauen konnte und auf fremde Hilfe angewiesen war. Zu diesem Zweck wurde eine Postkartenserie mit Motiven zum Unglück gedruckt. Der Erlös aus dem Verkauf kam den Geschädigten zugute.

Seit 1887 stellte die Fabrik den Sicherheitssprengstoff Roburit her. Darunter versteht man einen Sprengstoff, der stoßfest ist und ohne Zündung nur brennen, aber nicht explodieren kann. Bergbaubetriebe und Steinbrüche benötigten zur Gewinnung von Kohle und Stein so einen 'sicheren' Sprengstoff. Warum aber flog die Fabrik in die Luft, wenn das Roburit so sicher war?

Über die Ursache der Katastrophe wurde viel spekuliert. Der Erfinder des Roburits, Karl Poth, hatte seine eigene Theorie. Er vermutete, dass die Firmenleitung mit seinem Verfahren experimentiert hat, um den Sprengstoff zu verbessern. 'Bestätigt wurde diese Vermutung nie', erklärt Anja Kuhn. Aber was die Fabrikarbeiter hinter vorgehaltener Hand tuschelten, verrät ein zeitgenössisches Gedicht mit dem Titel 'Spiele nicht mit Feuer!'. Darin heißt es: 'O, wie entsetzlich ist die Kunde. Die man vernimmt von Witten-Annen: / Dort flog, wie aus dem Höllenschlunde, die Roburitfabrik von dannen'.

Schätze der Arbeit
25 Jahre Westfälisches Industriemuseum
20. Juni bis 12. September 2004
Zeche Zollern II/IV, Grubenweg 5,
Dortmund-Bövinghausen

Geöffnet dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr



Pressekontakt:
Frank Tafertshofer, Telefon 0251 591-235
presse@lwl.org



Der LWL im Überblick:
Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen sowie zwei Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.



Foto zur Mitteilung
Ein Bild der Verwüstung in Witten von 1906
Foto: Goebel



Die gezeigten Fotos stehen im Presseforum des Landschaftsverbandes zum Download bereit.



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