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Presse-Infos | Der LWL

Mitteilung vom 20.07.04

Englischer Edelmann revolutionierte die Stahlherstellung
Ausstellung zeigt zum Jubiläum 'Schätze der Arbeit'


Dortmund/Menden (lwl). Mit einer großen Ausstellung feiert der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) in diesem Jahr das 25-jährige Bestehen des Westfälischen Industriemuseums. Mehr als 250.000 Objekte hat das Museum in dieser Zeit zusammengetragen - ein Gedächtnis der Region: Die Objekte liefern einmalige Einblicke in die Arbeits- und Alltagsgeschichte der Industrialisierung. Das Spektrum reicht vom Abortkübel bis zur Dampflok, von der Glasmacherpfeife bis zum Henkelmann. Nur ein Bruchteil der Stücke ist normalerweise in den Dauerausstellungen an den acht Standorten des Museums für die Öffentlichkeit zugänglich. Zum Jubiläum packt das Westfälische Industriemuseum sein Lager aus und zeigt ab dem 20. Juni in der Zentrale auf der Zeche Zollern II/IV in Dortmund rund 500 'Schätze der Arbeit'. In einer Serie stellt der LWL die originellsten, ältesten und bedeutsamsten Exponate der Ausstellung vor.

Die Bessemer-Birne

Die Arbeit am Hochofen war hart. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts, als die Hochofentechnik auch in Deutschland Einzug hielt, entstanden neue Berufe, die sowohl schwerste Handarbeit erforderten, als auch viele Gefahren mit sich brachten. Extreme Temperaturwechsel, starker Schmutz und Gestank und die Angst vor Verbrennungen oder Quetschungen bestimmten den Alltag der Arbeiter in der Eisenhütte. Rund 70 Beschäftigte mit unterschiedlichen Tätigkeiten teilten sich die Aufgaben an einem Hochofen, zum Beispiel Schmelzer, Gießer, Pfannenwärter und Schlackenmänner.

Dazu gehörten auch die 'Puddler'. Ihre Aufgabe war es, das flüssige Eisen im Ofen mit langen Stangen stundenlang zu rühren. Auf diese Weise wurde das Roheisen 'gefrischt', das heißt mit Sauerstoff angereichert. Durch die Oxidation wurde es von allen Beimengungen gereinigt, und es entstand Stahl, der sich problemlos weiterverarbeiten ließ. Die Puddler wussten um ihre Bedeutung als unentbehrliche Kräfte im Prozess der Stahlgewinnung. Sie galten als selbstbewusst und ließen sich ihre schwere, gleichzeitig aber auch sehr geschickte Arbeit gut bezahlen. Oft wurden sie aus der Ferne angeworben. Denn nur wer jahrelange Erfahrungen hatte, konnte das Eisen richtig rühren. Und da die Puddler aus ihrer Kunst ein Geheimnis machten, waren sie begehrte und teure Facharbeiter. Bis ein Engländer sie mit seiner Erfindung überflüssig machte.

Sir Henry Bessemer, Bauingenieur, Erfinder und Sohn eines Schriftgießers, erfand 1856 auf der Suche nach einem Metall für Kanonengeschosse einen Konverter ¿ die Bessemer-Birne. Mit seinem Verfahren war es möglich, den Sauerstoff mechanisch von unten in die Roheisenmasse einzublasen. Damit revo-lutionierte der Brite die gesamte Stahlherstellung. In der Birne ließen sich drei Tonnen Stahl in nur 20 Minuten herstellen. Vorher hatten die Puddler dafür 24 Stunden gebraucht. Die Unternehmen nutzten nun die Gelegenheit, sich der selbstbewussten und teuren Puddler zu entledigen. Auch wenn im Laufe der folgenden Jahre das Bessemer-Verfahren immer weiter entwickelt und auch verändert wurde, schuf der in den Ritterstand erhobene Engländer die Voraussetzung zur Massenproduktion von Stahl.

In der Ausstellung 'Schätze der Arbeit' ist die Bessemer-Birne 'aus industriehistorischer Sicht ein echter Schatz', erklärt Simona Krause vom Westfälischen Industriemuseum. 'Denn mit der Erfindung immer besserer Verfahren der Stahlherstellung verschwanden die Bessemer-Birnen im Laufe des 20. Jahrhunderts nach und nach aus den Stahlwerken.' Das Ausstellungsstück stammt aus einem dreiteiligen Ensemble, mit dem ein Eisenwerk im sauerländischen Menden (Märkischer Kreis) bis in die 1960er Jahre flüssigen Stahl produzierte. 'Vermutlich sind diese drei Bessemer-Birnen die einzigen, die noch in Deutschland erhalten sind', meint Simona Krause.

Beeindruckend ist auch das Gewicht des Ausstellungsstücks: Mit 18 Tonnen wiegt es soviel wie ein voll besetzter Bus.

Schätze der Arbeit
25 Jahre Westfälisches Industriemuseum
20. Juni bis 12. September 2004
Zeche Zollern II/IV, Grubenweg 5,
Dortmund-Bövinghausen
Geöffnet dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr
Eintrittspreise: Erwachsene: 3,50 ¿, ermäßigt: 2,10 ¿, Familienkarte: 8 ¿
www.industriemuseum.de



Pressekontakt:
Markus Fischer Telefon: 0251 591-235
presse@lwl.org



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Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen sowie zwei Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.



Foto zur Mitteilung
Die Bessemer-Birne revolutionierte Mitte des 19. Jahrhunderts die Stahlproduktion. Das Ausstellungsstück gehört zu den wenigen erhaltenen Exemplaren in Deutschland
Foto: LWL



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