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Mitteilung vom 04.07.13

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Als Heringsfänger auf hoher See

Exponatgeschichten zur Ausstellung Wanderarbeit im LWL-Ziegeleimuseum Lage

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Lage (lwl). "Wanderarbeit - Mensch, Mobilität, Migration" heißt eine Ausstellung, die der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) bis zum 29. September in seinem Ziegeleimuseum Lage zeigt. Eine kleine Serie stellt in den kommenden Wochen Exponate vor, die besondere Geschichten erzählen. Heute: persönliche Gegenstände von Heringsfängern.

Was treibt bodenständige Ostwestfalen auf die wackeligen Planken eines Heringsloggers? Dazu gehörte eine Menge Mut, aber vor allem die wirtschaftliche Not, die die Menschen rund um Petershagen nach dem Niedergang des Textilgewerbes Mitte des 19. Jahrhunderts nach neuer Arbeit suchen ließ. So fuhren zahlreiche Binnenländler aus Ostwestfalen und Schaumburg-Lippe als Wal- oder Heringsfänger zur See und kehrten erst nach monatelanger Arbeit mit ihrem Verdienst zu ihren Familien zurück. Zwischen 1872 und 1911 entstanden entlang der Nordseeküste und bis nach Bremen 14 Reedereien, die Hering fischten.

Jeder Heringsfänger hatte seinen eigenen Kaffeebecher, auch Muck genannt. Da die Nächte auf See sehr kurz waren und auch nachts gearbeitet wurde, benötigten die Heringsfänger reichlich starken Kaffee. Der Muck in der Ausstellung aus Bauscher Porzellan wurde noch bis 1962 von Heringsfänger Fritz Koch auf See genutzt. Die Brüder Erwin und Fritz Koch (Jg. 1932 und 1938) aus Rosenhagen im Kreis Minden-Lübbecke sowie drei weitere Brüder, ihr Vater und Großvater und zwei Onkel arbeiteten überwiegend auf Heringsloggern der Bremen-Vegesacker Reederei.

Es war in den Dörfern der Gegend keine Seltenheit, dass die Männer einer Familie fast ausnahmslos zur See fuhren. Erwin Koch wollte nach der Beendigung der Schule eine Lehre als Schuster beginnen. Da er keine Lehrstelle fand, fuhr er in Begleitung seines älteren Bruders als 14-Jähriger zum ersten Mal auf einem Heringslogger mit. Sein jüngerer Bruder Fritz fuhr erstmals als Schüler in den Sommerferien 1949 mit seinem Vater auf Heringsfang. Über die Fangreise der Kochs im Sommer 1950 berichtete sogar die lokale Zeitung ¿Bote an der Weser¿ in der Ausgabe vom 27. Januar1951.

Als Ausweis eines Heringsfängers dienten die sogenannten Seefahrtsbücher, die von Erwin und Fritz Koch in der Ausstellung vorliegen. Sie wurden vom Seemannsamt in Bremen-Vegesack ausgestellt und während der Berufstätigkeit geführt. Neben einem Foto und den charakteristischen personenbezogenen Angaben wie sie in jedem Ausweis zu finden sind, enthalten die Seefahrtsbücher beispielsweise auch Vermerke zum Gesundheitszustand oder der Angabe der Versicherungsanstalt.

Weitere Exponate, die zu einem Standartequipment an Bord gehörten, stammen aus dem Heimat- und Heringsfängermuseum Heimsen bei Petershagen. In gutem Zustand ist das Heringsfass, Kantje genannt, der Bremen-Vegesacker-Fischereigesellschaft, das auf seinem Deckel auch den Firmenstempel zeigt. Das Fass aus Holz hat eiserne Fassreifen und wurde zur Lagerung der Fische benutzt. Ein Kantje, also ein gefülltes Heringsfass, fasste bis zu 750 Heringe und wog dann circa 75 Kilogramm. Das Heringsfass in der Ausstellung ist etwa aus der Zeit um 1960. Aus gleicher Zeit stammen auch die Netzfragmente der Heringsfischerei. Traditionell benutzte man diese Treibnetze für den Fang, da sie effizient waren und wenig Stauraum benötigten.

Da das Wetter auf See oft rau und stürmisch war, benötigte ein Heringsfänger eine entsprechende Bekleidung, die an die Arbeitsbedingungen auf Deck angepasst war. Das Ölzeug aus Baumwolle und Kunststoff war die klassische Arbeitskleidung an Bord. Sie ist eine wetterfeste Oberbekleidung, die den Träger vor Nässe und Wind auf See schützen soll, und bestand aus mehreren Teilen: einer Jacke, einer Schürze, einer Hose und einem Oberteil. Nichts desto trotz war die Arbeit bei starkem Seegang wohl wenig angenehm und ein echter Knochenjob.

Wanderarbeit . Mensch ¿ Mobilität ¿ Migration
28.4. bis 29.9.2013

LWL-Industriemuseum I Ziegeleimuseum Lage
Geöffnet Di ¿ So 10-18 Uhr
http://www.lwl-industriemuseum.de



Pressekontakt:
Markus Fischer, LWL-Pressestelle, Telefon: 0251 591-235 und Christiane Spänhoff, LWL-Industriemuseum, Telefon: 0231 6961-127
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