Kommen wir also zurück zu unserer Steinaxt. Datiert wird sie zwischen 2800 und 1800 v. Chr. Sie scheint zwar ziemlich einfallslos gestaltet und gegenüber einer Bronzeaxt auch nicht besonders innovativ, das Geheimnis liegt allerdings in der Rippe, die über den Rücken verläuft. Die vollständige Bezeichnung für die Axt lautet nämlich „Steinaxt mit vorgetäuschter Gussnaht“. Ein steinerner Guss? Stelle ich persönlich mir ziemlich schwierig vor. Aber deswegen ja auch vorgetäuscht... Der Trick dabei ist ganz einfach, die Gussnaht entstand nicht – wie traditionellerweise – beim Gießen in eine Form, sondern sie wurde vom Stein geschlagen bzw. geschliffen. Und warum heißt sie dann Gussnaht? Welche überlebenswichtige Funktion begünstigt sie? Was hilft es, einer Steinaxt eine solche Markierung zu verleihen? Sind das vermutlich kultische Zeichnungen? Nun ja, der Grund, aus dem diese Rippe auf dem Rücken der Axt eine Gussnaht darstellt, ist vermutlich der, dass Bronzeartefakte als besonders prestigeträchtig galten und vor Ort keine solchen vorhanden waren. Da hat man einfach welche aus Stein nachgeahmt – und zwar, indem man die Gussnaht imitiert hat. Merkmale von Metallartefakten wurden einfach kopiert. Tja, das Ganze ist also eine Produktion nach Art „Made in China“ gewesen. Um also ein großer Held mit hohem Prestige zu sein, war man sich offenbar nicht zu schade, auch mal ein bisschen zu flunkern, damit man wenigstens von weitem mächtiger aussah. Und das Schöne an diesem Beispiel ist, wie ich finde, dass man sieht, dass sich der Mensch von damals und der Mensch von heute doch gar nicht so sehr unterscheiden.
Weiterführende Literatur:
R. Gleser, Ein Technologiesprung – Frühes Metall, Wissen, Funktion und Symbol, in: T. Otten–J. Kunow–M. M. Rind–M. Trier, Revolution Jungsteinzeit, Archäologische Landesausstellung in NRW (Darmstadt 2015) 251–259.
C. Strahm, Kupfer: Prestige, Netzwerke, Ein neuer Werkstoff, der Geschichte schreibt, in: Jungsteinzeit im Umbruch, Die „Michelsberger Kultur“ und Mitteleuropa vor 6.000 Jahren, Katalog zur Ausstellung im badischen Landesmuseum Schloss Karlsruhe (Darmstadt 2010) 179–190.
Corinna Gretenkort, Praktikantin