Klein, aber oho!

22.10.2016

So sieht es aus, das Lieblingsobjekt von Corina (Foto: Corinna Gretenkort).

Mein Lieblingsobjekt, die Steinaxt

Während man mit der Aufgabe durch die Ausstellung wandert, sich für ein Lieblingsobjekt zu entscheiden, steht man vor einer schwierigen Aufgabe. So viel Auswahl – wie soll man sich da entscheiden? Da mein Schwerpunkt in Zukunft vermutlich in der Klassischen Archäologie liegen wird, dachte ich sofort an den römischen Kastenbrunnen. Dieser war auch noch zugeschüttet mit damaligem Abfall und Bauschutt – eine wahre Goldgrube für uns (zukünftige) Archäologen! Oder sollte ich mich doch lieber einer viel kleineren und unscheinbareren Quelle zuwenden? Münzen als Quellengattung mit einer untrennbaren Bindung zwischen Text und Bild wären ebenfalls eine gute Wahl gewesen. Doch dann entschied ich mich für ein Objekt, das zwar größer, aber vermutlich noch unscheinbarer auf den ersten Blick erscheint: eine Steinaxt.

Warum gerade die? Abwarten...

Ein wenig genauer hingeschaut (Foto: Corinna Gretenkort).

Die frühe Bedeutung der Bronzeartefakte

[Hä? Bronze? Wie passt das denn nu ins Bild? Diese Verwirrung kann ich verstehen, aber keine Angst, es handelt sich hierbei nicht um einen Fehler. Das ist alles Absicht.]

Allein der Name der Periode Bronzezeit deutet darauf hin, dass der Bronze eine sehr wichtige Rolle in der damaligen Zeit zuteil war. Wenn man an besondere Metalle denkt, kommt einem vermutlich direkt Gold in den Sinn, welches allerdings zur Waffenherstellung ungeeignet ist. Die Bronzeherstellung aus Zinn und Kupfer hingegen ist schon ein schwierigerer Prozess als der Abbau von Gold, das schon in reiner Form in der Natur vorkommt. Allein schon der Schmelzprozess, um Kupfer zu gewinnen und die Bewirtung der dazugehörigen Arbeiter strapazieren die Möglichkeiten. Einfacher: Man musste schon ne tofte Kerl sein, um das überhaupt hinzubekommen. Kupfer ist zwar schon im Jungneolithikum (oder auch JungSTEINzeit) in Westfalen bekannt, selbst hergestellt wird es hier vor Ort allerdings erst viel später. Diese Funde stammen ursprünglich wohl aus Osteuropa, wo kurz zuvor die ältesten Bergwerke auf Kupferminerale zu finden sind. Die frühe Bronzezeit und die damit einsetzende Herstellung beginnt in NRW erst im 18. bis 17. Jahrhundert. v. Chr.

Metallene Äxte haben gegenüber Steinäxten den Vorteil, dass man beim Nachschärfen nicht das Werkzeug an sich immer weiter abnutzt, sondern dass man es einfach glatthämmern kann. Im Endneolithikum (im Übergang zur Bronzezeit, 2800 bis 2000 v. Chr.) wird so die Metallherstellung immer wichtiger zur Fertigung von Statussymbolen. So werden auch so genannte Prunkäxte entwickelt, die nicht mehr ihrer üblichen Funktion dienen, sondern als Weihgeschenke wirken.Also mal ehrlich, wer hätte zu der Zeit nicht gerne eine Bronzeaxt besessen? Dann konnte man allen zeigen, wer der Chef war. Zu dumm nur, dass es hier in der Umgebung nicht besonders einfach war so eine zu besitzen. Anders gesagt: es gab sie, wenn überhaupt, nur als Importware. Leider, leider war der Rhein zu der Zeit nicht gerade der optimale Handelsweg (wie etwa die Donau, Elbe und Oder). Dementsprechend war mit Import auch nicht viel los.

Die Gussnaht näher beleuchtet (Foto: Corinna Gretenkort).

Wenn man grad keine Bronze zur Hand hat...

Kommen wir also zurück zu unserer Steinaxt. Datiert wird sie zwischen 2800 und 1800 v. Chr. Sie scheint zwar ziemlich einfallslos gestaltet und gegenüber einer Bronzeaxt auch nicht besonders innovativ, das Geheimnis liegt allerdings in der Rippe, die über den Rücken verläuft. Die vollständige Bezeichnung für die Axt lautet nämlich „Steinaxt mit vorgetäuschter Gussnaht“. Ein steinerner Guss? Stelle ich persönlich mir ziemlich schwierig vor. Aber deswegen ja auch vorgetäuscht... Der Trick dabei ist ganz einfach, die Gussnaht entstand nicht – wie traditionellerweise – beim Gießen in eine Form, sondern sie wurde vom Stein geschlagen bzw. geschliffen. Und warum heißt sie dann Gussnaht? Welche überlebenswichtige Funktion begünstigt sie? Was hilft es, einer Steinaxt eine solche Markierung zu verleihen? Sind das vermutlich kultische Zeichnungen? Nun ja, der Grund, aus dem diese Rippe auf dem Rücken der Axt eine Gussnaht darstellt, ist vermutlich der, dass Bronzeartefakte als besonders prestigeträchtig galten und vor Ort keine solchen vorhanden waren. Da hat man einfach welche aus Stein nachgeahmt – und zwar, indem man die Gussnaht imitiert hat. Merkmale von Metallartefakten wurden einfach kopiert. Tja, das Ganze ist also eine Produktion nach Art „Made in China“ gewesen. Um also ein großer Held mit hohem Prestige zu sein, war man sich offenbar nicht zu schade, auch mal ein bisschen zu flunkern, damit man wenigstens von weitem mächtiger aussah. Und das Schöne an diesem Beispiel ist, wie ich finde, dass man sieht, dass sich der Mensch von damals und der Mensch von heute doch gar nicht so sehr unterscheiden.

 

Weiterführende Literatur:
R. Gleser, Ein Technologiesprung – Frühes Metall, Wissen, Funktion und Symbol, in: T. Otten–J. Kunow–M. M. Rind–M. Trier, Revolution Jungsteinzeit, Archäologische Landesausstellung in NRW (Darmstadt 2015) 251–259.

C. Strahm, Kupfer: Prestige, Netzwerke, Ein neuer Werkstoff, der Geschichte schreibt, in: Jungsteinzeit im Umbruch, Die „Michelsberger Kultur“ und Mitteleuropa vor 6.000 Jahren, Katalog zur Ausstellung im badischen Landesmuseum Schloss Karlsruhe (Darmstadt 2010) 179–190.


Corinna Gretenkort, Praktikantin