Erlebnis Hermannsweg

01.01.2014 Horst Gerbaulet

Inhalt

Gut 25 Jahre nach der Fertigstellung des Hermannsdenkmals bei Detmold (Abb.1) wurde 1902 der Hermannsweg kreiert, um die Menschen verstärkt in den Teutoburger Wald zu locken.

Dort hatte im Jahre 9 n. Chr., also vor rd. 2.000 Jahren, eine Schlacht zwischen den Römern und germanischen Stämmen unter Führerschaft des Cheruskerfürsten Arminius stattgefunden. Die mehrtägige Schlacht endete mit einer katastrophalen Niederlage der Römer und führte dazu, dass der Rhein über mehrere Jahrhunderte hinweg die Ostgrenze des römischen Reiches in Germanien bildete.

Abb. 1: Hermannsdenkmal (Foto: H. Gerbaulet)

Geologie und Landschaft

Wegen seiner Lage und seiner Länge von über 160 km (Abb. 2) stellt der Hermannsweg einen der bedeutendsten Kammwanderwege Deutschlands dar. Vom im münsterländischen Flachland gelegenen Rheine wandert man nach Hörstel, wo man auf die zunächst noch relativ niedrigen Ausläufer des Teutoburger Waldes trifft. Schon vor dem Erreichen der unmittelbar auf dem Kamm gelegenen Stadt Tecklenburg (Abb. 3) bewegt man sich auf einer Höhe von fast 200 m über NN und genießt wechselweise die Fernsicht in nördlicher bzw. südlicher Richtung. Unterbrochen von diversen Quertälern, steigt der Kamm nach Osten hin dann kontinuierlich bis zum höchsten Gipfel des Teutoburger Waldes, dem "Velmerstot" auf 468 m über NN an.

Der Kamm des Teutoburger Waldes ist geologisch bedingt in drei Höhenrücken - mit unterschiedlichem Deckgestein - gegliedert (s. Beitrag Pott). So folgt der Hermannsweg mal diesem, mal jenem Rücken. Da der Weg zudem auch noch durch die dazwischenliegenden Längstäler verläuft, ergeben sich ein hoher Abwechslungsreichtum und ein munteres Auf und Ab, das auch schon mal mehr als 20% Steigung bzw. Gefälle betragen kann.

Abb. 2: Der Verlauf des Hermannsweges von Rheine bis Leopoldstal
Wandert man zuerst auf sandigen Wegen, geht's bald über Kalk- oder Sandsteinbrocken, dann wieder über mit Kiefernzapfen bestreute weiche Waldwege oder knorriges Wurzelwerk. Mal steckt man im tiefsten Fichtenwald, dann wieder geht's durch hohe Buchenwälder oder über den Kamm mit seinen weiten Ausblicken.

Höhepunkte der Wanderung sind aber zweifelsohne die bizarren Sandsteinformationen wie die Externsteine oder die Dörenther Klippen (Abb. 4). Wind, Wasser und die Zeit haben dafür gesorgt, dass der Boden hier abgetragen und die Felsen schließlich freigelegt wurden.

Die Fülle an Mineralwasserbrunnen und Kurbädern in der Nähe des Weges sind zugleich Ergebnis und Beleg der besonderen geologischen Geschichte dieses Gebietes (s. Beitrag Temlitz).
Abb. 3: Altstadt von Tecklenburg (Foto: H. Gerbaulet)

Kultur

Aber nicht nur die abwechslungsreiche und reizvolle Landschaft, sondern auch die Vielzahl kulturhistorisch bedeutsamer Sehenswürdigkeiten haben dazu geführt, dass der Hermannsweg heute zu den beliebtesten Kammwanderwegen Deutschlands zählt.

Schon früh hat der Mensch hier seine Spuren hinterlassen. Die ältesten stammen aus der Steinzeit, andere von Römern und Germanen, von Franken und Sachsen oder aus erst gerade vergangenen oder aktuellen Nutzungen.

Der Teutoburger Wald hat Wallburganlagen (Abb. 5) und Grabhügel, alte Hofstellen, oftmals noch gut erkennbare Landwehren sowie Handels- und Passwege konserviert. Einige dieser historischen Verkehrs- und Transportwege queren den Hermannsweg.

Wie Funde von bearbeiteten Feuersteinen belegen, nutzten bereits die wandernden Jäger und Sammler der mittleren Steinzeit diese Wege.

Auch der Kamm selbst war eine wichtige Wegeverbindung, denn er bot dem Wanderer die Möglichkeit, sein Ziel relativ sicher und ohne große Umwege zu erreichen. Waren die Berge unbewaldet, konnte man Diebe außerdem frühzeitig erkennen. Außerdem verhinderten im Tal Flussläufe oder nur zu bestimmten Jahreszeiten passierbare Wege häufig das Weiterkommen.
Abb. 4: Dörenther Klippen (Foto: H. Gerbaulet)
Oft wurden unterhalb der Pässe Pferde bereit gehalten, die den beladenen Fuhrwerken zusätzlich vorgespannt wurden, um den steilen Anstieg über den Kamm bewerkstelligen zu können. So heißt ein Stadtteil Oerlinghausens am Fuße des Teutoburger Waldes "Helpup", was soviel wie "Help up!" (Hilf hinauf!) bedeutet.

In fränkischer Zeit kreuzten sich südlich des Teutoburger Waldes zwei größere Handelsrouten, nämlich der Senne-Hellweg und der Frankfurter Weg, der von Frankfurt über Paderborn und Herford nach Bremen verlief.

Bei Paderborn querte der Frankfurter Weg eine weitere wichtige Handeslroute, den westfälischen Hellweg (s. Beitrag Temlitz), auch Cöllnsche Landstraße genannt. Dieser Hellweg war eine sog. Königsstraße, die von Brügge bis ins russische Nowgorod verlief.

Wie der Name andeutet, war der "Hellweg" als "lichter Weg" in der Breite einer Speerlanze von Gräben und Zäunen frei zu halten. Im ostwestfälischen Raum verlief er von Schloss Neuhaus über Schlangen und passierte an den Externsteinen den Teutoburger Wald. Später wurde er Teil der Bundesstraße 1.

Der Kamm selbst war eine wichtige Wegeverbindung, denn die früher oft waldfreien Bergkämme boten u. a. den Vorteil, dass man potenzielle Feinde frühzeitig erblicken konnte.
Abb. 5: Wallburganlage der Grotenburg unterhalb des Hermannsdenkmals (Foto: H. Pohlmann)
Beeindruckende Sand- und Kalksteinbrüche säumen immer wieder den Weg. Die Sandsteine des Velmerstot am östlichen Ende des Hermannsweges waren schon im 16. Jh. als wertvolle Naturbausteine überregional geschätzt. In der Region fanden sie vielfache Verwendung in der Architektur der Weserrenaissance, darüber hinaus an den Barockkirchen in Paderborn, der Lambertikirche in Münster, dem großen Eisenbahnviadukt in Altenbeken (erbaut 1853) und auch an den alten Straßenbrücken an der Autobahn A2. Überregional waren sie sogar Baumaterial für den Reichstag in Berlin sowie am Kölner Dom.

Allein der Steinbruch zwischen dem lippischen und dem preußischen Velmerstot beschäftigte im Jahre 1888 ungefähr 100 Steinhauer.

Erst ab Mitte des 19. Jh.s konnten die häufig schon behauenen Steinquader mit Ochsen- oder Pferdefuhrwerken zum Weitertransport zur Bahn gebracht und dort verladen werden.

Die Geschichte des Steinbruchs auf dem Velmerstot endete mit dem Zweiten Weltkrieg. Sie ist aber an verschiedenen Stellen, z. B. im romantischen Silberbachtal, anhand der dort liegenden Sandsteinquader noch heute deutlich sichtbar. Aus aktueller Zeit stammen beeindruckende Sand- und Kalksteinbrüche.

Fazit

All dies führt dazu, dass der traditionsreiche Hermannsweg weit mehr zu bieten hat, als die meisten der in letzter Zeit scheinbar wie Pilze aus der Erde schießenden modernen "Steige". Ein weiterer Vorteil des Hermannsweges ist, dass die Wanderer zwischen unterschiedlichen Teilstücken wählen können - von relativ flachen im Westen (bei Rheine) bis hin zu anspruchsvoll steilen Abschnitten (meist im östlichen Teil ab Bielefeld). Da der Hermannsweg oft durch Wälder führt, bietet er zudem an heißen wie an verregneten Tagen gute klimatische Rahmenbedingungen für eine gelungene Wandertour.

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Weiterführende Literatur/Quellen

Erstveröffentlichung 2008, Aktualisierung 2014