Bottrop – InnovationCity Ruhr

01.01.2012 Kerstin Hüls

Inhalt

Im März 2010 hat der Initiativkreis Ruhr, ein Zusammenschluss von über 60 Unternehmen mit dem Ziel, den Strukturwandel im Ruhrgebiet zu fördern, gemeinsam mit dem Land Nordrhein-Westfalen einen Wettbewerb mit dem Titel "InnovationCity Ruhr" ausgerufen. Unter dem Motto "Blauer Himmel. Grüne Stadt" wurde die Klimastadt der Zukunft gesucht. Von insgesamt 16 Bewerbern wurde Bottrop als Sieger des Wettbewerbs bekanntgegeben. Ziel des Projektes ist es, innerhalb einer 10-jährigen Laufzeit das betreffende Pilotgebiet mit Hilfe neuester Technologien zum Musterquartier für Energie­effizienz zu wandeln. Oberste Prämisse ist eine Reduzierung des Energiebedarfs sowie des CO2-Ausstoßes um 50% bis zum Jahr 2020 (InnovationCity Management GmbH 2011a).

Projektgebiet

Das Gebiet umfasst neben der Innenstadt die Stadtteile Batenbrock, Boy, Lehmkuhle, Ebel, Welheimer Mark und Teile von Welheim (Abb. 1). Das Ge­biet verfügt über eine Gesamtfläche von ca. 2.500 ha mit insgesamt 14.474 Gebäuden, wobei sich der größte Anteil (12.458) der Wohngebäude in Privatbesitz befindet. Aufgrund seiner demographischen, wirtschaftlichen und städtebaulichen Struktur ist Bottrop die ideale Testkommune für das Projekt, da bei erfolgreicher Umsetzung eine Übertragbarkeit auf andere Ruhrgebietsstädte möglich wäre.

Abb. 1: Pilotgebiet InnovationCity Bottrop (Quelle: Stadt Bottrop)

Projektidee

Ein Großteil der in dem Projektgebiet befindlichen Gebäude sind alte Zechensiedlungen, Industriegebäude und Wohngebäude aus den 1970er und 1980er Jahren. Aufgrund der alten Gebäudestrukturen benötigen diese viel Heizenergie, was wiederum zu einem erhöhten Kohlendioxid-Ausstoß führt. Um den CO2-Ausstoß für das gesamte Gebiet zu verringern und die Kosten so gering wie möglich zu halten, sollen die betroffenen Gebäude systematisch saniert bzw. erneuert werden. Dies ist allerdings nur ein Teilprojekt von fast 100 geplanten Einzelprojekten, die innerhalb der 10-jährigen Laufzeit umgesetzt werden sollen. Die Maßnahmen und Einzelprojekte lassen sich den folgenden fünf Handlungsfeldern zuordnen (vgl. Hugot; Müller u. Tischler 2010):

1. Energieeffizienz und Energieeinsparung
Zur Verringerung des Energiebedarfs in Form von Strom und Wärme sollen die Wärmedämmungen der Ge­bäude erneuert werden, außerdem erfolgt eine Umstellung auf energiesparende Heizungssysteme. Des Weiteren soll der Einsatz sparsamer Elektrogeräte deutlich erhöht werden. Bisher wurden be­reits rund 3.500 Haushalte mit sog. thermographischen Gebäudeaufnahmen energetisch überprüft, und ca. 500 Haushalte haben die Erstberatung im "Zentrum für In­formation und Be­ratung" in Anspruch genommen (vgl. InnovationCity Management GmbH 2012).

2. Klimaschonende Energieerzeugung
Dieses Handlungsfeld be­inhaltet die Steigerung des Einsatzes erneuerbarer Energien und Technologien sowie die Reduzierung der Nutzung endlicher Energieträger wie Kohle, Öl und Gas. Erreicht werden soll dies u. a. durch Stromgewinnung aus Windenergie. Ein Beispiel dafür ist der bereits installierte Vertikaldreher zur Windkrafterzeugung im Pilotgebiet. Vertikaldreher sind effizienter als herkömmliche Windkrafträder. Sie benötigen weniger Platz, sind leiser und eignen sich somit zur Aufstellung in dichter besiedelten Räumen. Weitere geplante Alternativen zur Energiegewinnung von Strom und Wärme sind die Nutzung von Photovoltaikanlagen, Geo- und Solarthermie sowie die Nutzung des Biomassepotenzials durch Einrichtung von Biomasseheizkraftwerken.

3. Umweltfreundliche Mobilität
Planerisches Leitbild ist die "Stadt der kurzen Wege", also die Förderung der Nah-Mobilität durch die räumliche Nähe der Wohn- und Versorgungsbereiche. Zur Optimierung des öffentlichen Nahverkehrs sollen verstärkt Kraftfahrzeuge mit Elektro-, Wasserstoff- oder Hybridantrieb eingesetzt werden. Bisher fahren in Bottrop ein Wasserstoffbus und ein Dieselhybridbus im öffentlichen Nahverkehr, bis zum Jahr 2015 sollen ca. 500 Elektroautos hinzukommen. Außerdem hofft man, durch die Ausweitung von Fuß- und Radverkehrswegen bzw. durch die Vernetzung der Verkehrssysteme eine messbare Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs zu erreichen.

4. Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel
Im Rahmen des InnovationCity Ruhr- Projektes plant Bottrop die Schaffung von Retentionsräumen, um das Regenwasser effizienter nutzen zu können. Durch die Abkopplung von Regenwasser soll die Kanalisation entlastet werden. Außerdem erfolgt die Renaturierung und Offenlegung von Gewässerläufen, die das Regenwasser abführen. Des Weiteren strebt Bottrop eine Erhöhung der Gründächer bzw. Fassadenbegrünung an. Ziel ist es, bis zum Jahr 2020 mindestens 30% aller im Gebiet befindlichen Flachdächer zu begrünen.

5. Zukunftsfähige integrierte Stadtentwicklungs- und Umweltplanung
In Bottrop arbeiten Stadtentwickler und Umweltplaner seit Jahren zu­sammen. Es besteht eine ressortübergreifende Zusammenarbeit der öf­fentlichen Verwaltung zur Optimierung und Entwicklung von Handlungsstrategien. Durch diese Arbeitsweise ist es in Bottrop gelungen, unter Berücksichtigung ökologischer, ökonomischer und sozialer Belange, sozialraumorientierte Lö­sungsansätze zu entwickeln und um­zusetzen. Mit Start der InnovationCity haben sich die Fachressorts zu einer Lenkungsgruppe zusammengeschlossen und steuern mit der Projektgesellschaft InnovationCity Ma­nagement GmbH den Gesamtprozess.

Tab. 1: InnovationCity – Handlungsfelder und Kosten in Euro (Quelle: Drescher 2011)

Durchführung und Kosten

Um die Übertragbarkeit des Projektes für andere Städte zu gewährleis­ten, wird parallel zur Entwicklung des Masterplans auch ein Innovationshandbuch erarbeitet. Während der Masterplan eine Zusammenfassung sowie eine Priorisierung der geplanten Projekte mit Zeit- und Aufgabenplänen enthält, soll das Innovationshandbuch als ganzheitlicher Ansatz dienen. Da der Erfolg eines energieeffizienten Stadtumbaus von der Zusammenarbeit verschiedener Akteure und dem Zusammenwirken unterschiedlicher technischer, sozialer und wirtschaftlicher Aspekte abhängig ist, gibt das Innovationshandbuch eine Übersicht zu den Organisationsstrukturen, den Methoden, den Verfahren und den Arbeitsschritten zur Umsetzung konkreter Maßnahmen und Projekte (InnovationCity Management GmbH 2011c).

Eine kontinuierliche Fortschreibung sowie die Evaluierung der Projekte ist Voraussetzung für die erfolgreiche Umsetzung der Maßnahmen.

Die wissenschaftliche Betreuung der Pilotregion leitet und koordiniert das Wuppertal Institut für Klimaforschung. Durch die Vielschichtigkeit des Projektes wurde zudem ein interdisziplinärer wissenschaftlicher Beirat gegründet, der in unterschiedlichen themenspezifischen Arbeitsgruppen die Entwicklung der InnovationCity Bottrop wissenschaftlich begleitet. Des Weiteren gründete sich eine interministerielle Arbeitsgruppe (IMAG), welche die Unterstützung durch Förderprogramme der Ministerien in Düsseldorf gewährleisten soll (Lampe 2011).

Die Gesamtkosten für das Projekt belaufen sich nach Schätzungen auf mindestens 2,7 Mrd. Euro (Tab. 1). Um dieses Mammutprojekt finanzieren zu können, bedarf es der Entwicklung verschiedener Finanzierungsmodelle. So wird einerseits auf die Eigenleistungen der privaten und gewerblichen Gebäudeeigentümer gesetzt, andererseits aber auch auf Finanzmittel aus Stadtteilprogrammen, Kapitalmarktmittel, Sonderprogramme der lokalen Finanzwirtschaft und verschiedene Programme des Landes, Bundes und der EU in Form von Darlehen oder Krediten.

Von den angesetzten Kosten sollen mehr als 80% von den Bewohnern bzw. Eigentümern und der Industrie getragen werden. Die EU, der Bund und das Land NRW sollen ca. 16% der Kosten übernehmen, die Stadt Bottrop investiert ca. 1,5% an Geldern in die Umsetzungsmaßnahmen. Um die Kosten für die Bewohner möglichst gering zu halten, strebt man eine systematische Sanierung kompletter Stadtteile an. Im März 2012 gab es daher eine Veranstaltung, bei der sich die Bürger über Möglichkeiten einer KfW-Förderung informieren konnten. Ein weiterer wichtiger Bestandteil zur Umsetzung der Maßnahmen ist außerdem die Beteiligung und das Zusammenführen aller Akteure. Beteiligungsformen wie Runde Tische, Informationsveranstaltungen etc. verbessern das Verständnis vom Sachverhalt und verringern wiederum mögliches Konfliktpotenzial. Denn nur ge­meinsam kann das Ziel einer Reduzierung der CO2-Emissionen und damit eine Steigerung der Lebensqualität im Pilotgebiet erreicht werden. Es bleibt also abzuwarten, wie sich Bottrop in den nächsten Jahren entwickeln wird. Das Poten­zial, Bottrop zur Modellstadt für Klimaschutz zu machen, ist jedenfalls vorhanden und muss kontinuierlich weiter entwi­ckelt werden (InnovationCity Management GmbH 2011c).

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Weiterführende Literatur/Quellen

Erstveröffentlichung 2012