Westfalen im Eiszeitalter

01.01.2007 Herbert Liedtke

Kategorie: Naturraum

Schlagworte: Westfalen · Eiszeit · Klima/Klimawandel

Abb. 1: Elster- und Saale-Eisrand in Westfalen (Entwurf: H. Liedtke)

Der Übergang  von dem wärmeren Tertiär in die quartäre Zeit des Eiszeitalters hat sich  so unspektakulär vollzogen, dass man sich bis heute um diesen Zeitpunkt streitet. Eine feste Marke bietet nur der Umschlag der magnetischen Polarisierung auf den Südpol vor 2,4 Mio. Jahren, der sich in den Sedimenten der damaligen Zeit abzeichnet. Aber es vergingen noch mehr als 1,5 Mio. Jahre, ehe skandinavisches Eis deutschen Boden erreichte. Seit dem Ende des Tertiärs wurde weiterhin Abtragungsmaterial über die sanft sinkende, aber immer wieder aufgefüllte Ostseesenke nach Norddeutschland verfrachtet, ehe nordisches Inlandeis erstmals Westfalen erreichte. Das geschah zur Elstereiszeit vor etwa 700.000 bis 500.000 Jahren (Abb. 1). Oberflächlich sind in Westfalen keine Reste dieser Zeit mehr vorhanden. Es gilt heute als ziemlich sicher, dass die Verbreitung des Elstereises südwärts nur bis zu einer Linie Nordhorn-Rheine-Osnabrück-Vlotho reichte. Es gibt einige wenige Stellen weiter südlich, an denen die Zusammensetzung der Geschiebe auf eine elsterzeitliche Herkunft deuten könnte, aber da solche Geschiebegesellschaften platzweise auch in der Grundmoräne der nachfolgenden Saaleeiszeit vorkommen, ist die Beweiskraft gering.

Durch das Elstereis erfolgte eine Ausschürfung der Ostseewanne, deren lockeres, unter der Ostsee nicht gefrorenes Material vom Eis leicht erodiert werden konnte. Es wurde am Boden des Inlandeises bis zu uns transportiert. In der Abschmelzzeit des Eises blieb es dort als Grundmoräne liegen, wo es gerade abgetaut war.

Abb. 2: Drenthestadialer Eisstausee im Ruhrtal vor etwa 300000 Jahren (in Anlehnung an Thome 1990)
Nach einer warmen Phase, der etwa 17.000 Jahre dauernden Holsteinwarmzeit, in der erstmals der Mensch in Mitteleuropa auftauchte, wurde es erneut kalt. Nordisches Inlandeis drang kraftvoll bis in den Raum Lingen-Damme-Rehburg vor und bildete dort die Rehburger Eisrandlage, die nach weiterem Vorrücken vom Eis überfahren wurde (Stauchendmoränen). Dabei wurde das Eis zunächst an der steil aufragenden Mauer des Wiehen- und Wesergebirges, später am Teutoburger Wald aufgehalten. Aber weiter im Westen schob sich von Nordwesten her ein Eisstrom entlang der Ems bis in die Münsterländer Tieflandsbucht hinein, ehe schließlich auch die Höhen des Teutoburger Waldes von Norden her überwunden werden konnten. Im Südwesten erreichte der maximale Eisrand Kleve und Düsseldorf, im Süden konnte bei Essen die Ruhr überschritten werden, wodurch im Ruhrtal kurzfristig ein riesiger, bis weit in die Täler des Sauerlandes reichender Eisstausee entstand (Abb. 2). Die Stiepeler Höhe (196 m) im Süden Bochums und das Ardeygebirge (273 m) im Süden von Dortmund blieben wohl eisfrei. Aber weiter östlich berührte eine Eiszunge bei Schwerte noch einmal das Ruhrtal; dann bot der Kamm des ostwärts ansteigenden Haarstrangs dem Eis Einhalt. Immerhin liegen bei Ense-Waltringen auf der Kammlinie in 230 m noch nordische Geschiebe und beweisen die Anwesenheit des Inlandeises. Das hier ausgetretene Schmelzwasser floss direkt zur Ruhr.
Abb. 3: Findling an der Ruhr-Universität Bochum in 150 m NN (Foto: H. Liedtke 1970)

Von diesem Eisrand, dem Drenthe-Stadium der Saaleeiszeit vor etwa 300.000 Jahren, sind nur noch Reste von Endmoränen vorhanden. Sie liegen am Niederrhein, wo das Inlandeis unter der breiten Rheinaue auf einen nicht gefrorenen lockeren Untergrund stieß und dortiges sandig-kiesiges Material zu mächtigen Endmoränenwällen zusammen schob. Auf den gefrorenen Festgesteinen am Nordrand des Haarstrangs dagegen kam es nur zu geringen eiszeitlichen Hinterlassenschaften, die in der Folgezeit meist völlig abgetragen wurden. Manchmal sind im Bereich des einstigen Eisrandes nur noch dünne Steinsohlen mit nordischem Material oder größere Findlinge (Abb. 3, s. Beitrag Otto) erhalten geblieben. Erst in einer Entfernung von etwa 20 km vom einstigen Eisrand haben sich Grundmoränen von 5 bis 10 m Mächtigkeit, gelegentlich bis 20 m, erhalten und das bei Paderborn und Detmold sogar in nächster Nähe zum maximalen Eisrand.

Nach einer kurzen letzten Warmzeit, der Eemwarmzeit vor 128.000 bis 115.000 Jahren, setzte die letzte Eiszeit ein, die Weichseleiszeit. Sie erreichte vor 20.000 Jahren ihren Maximalstand entlang einer Linie Flensburg-Hamburg-Schwerin, bewirkte aber in ganz Deutschland ein kaltzeitliches Tundrenklima mit einem bis in Tiefen von 200 m reichenden Dauerfrostboden in Nordwestdeutschland. Da das Schneeschmelzwasser im Frühjahr nicht in den Boden einsickern konnte, floss es schwallartig kraftvoll ab und schuf die vielen heute trockenen Täler, wie wir sie in der Hohen Mark oder auf der Nordabdachung des Haarstrangs vorfinden.

Zur gleichen Zeit entstanden auch die fruchtbaren Lössablagerungen, die auf dem Anstieg zum Bergischen Land und zum Sauerland liegen. Sie überziehen die Landschaft wie ein Weichmacher und verwischen jede scharfe Geländeform.

Abb. 4: Querprofil durch das Emstal nördlich von Münster (nach Speetzen 1990 in Klostermann 1995)

Zum Maximalstand der letzten Eiszeit vor 20.000 Jahren war das Klima im  Jahresdurchschnitt bis zu 15°C kälter als heute. Nachdem während des Klimaumschlags zu Beginn der Weichseleiszeit eine kräftige Einschneidung der Flüsse erfolgt war, kam es danach zu einer Aufschotterung der Oberen Niederterrasse, die an der Ems nördlich Münster rund 10 m betrug. Diese Aufschotterung bewirkte eine erhebliche Verbreiterung der Talaue der Flüsse (Abb. 4). Während der erst langsamen, in der Allerödzeit (12.000 - 11.000 v. h.) dann starken Erwärmung schnitten sich die Flüsse ein, aber beim Kälterückfall der Jüngeren Tundrenzeit (11.000 - 10.000 v. h.) kam es wieder zur Aufschotterung (Untere Niederterrasse). Mit dem anschließenden Einsetzen der heutigen Warmzeit erfolgte ein Einschneiden bis zur Talsohle. An Ems und Lippe entstanden stellenweise Inselterrassen. Mit der Einführung des Ackerbaus begann auf den Äckern eine erhebliche Bodenerosion. Das als Schweb fortgeführte Material setzte sich als Auelehm auf den Talauen ab.

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Weiterführende Literatur/Quellen

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Erstveröffentlichung 2007